Foto: © GEPA Reportage

"Sturm ist die Antithese zum modernen Fußball" (3)

SK Sturm Graz-Präsident Christian Jauk wirkt zufrieden. Kein Wunder, war die bisherige Saison für die Grazer Schwarz-Weißen doch recht erfreulich. „Best of the rest“ hinter Red Bull Salzburg, Qualifikation für die Europa League-Gruppenphase und von den Rängen kommen positive Vibes wie schon lange nicht mehr.

90minuten.at: Lassen Sie uns noch ein bisschen über die Bundesliga in Österreich reden. Red Bull spielt in einer anderen Liga als der Rest. Welche Rolle spielt der Getränkehersteller für die heimische Meisterschaft? Wie bewerten Sie die Tatsache, dass es einen Klub gibt, der solange das Geld fließt, uneinholbar voraus ist?

Jauk: Es gibt positive Aspekte, zum Beispiel das sportliche Niveau. Die Liga hat sich sehr gut entwickelt, andere Klubs profitieren von Red Bull als Zugpferd. Ein anderer Punkt ist freilich die Spannung im Wettbewerb. Ein Abomeister und Cupsieger helfen dabei nicht. Der neue Modus ist ja dem geschuldet, hat aber an der Gesamtsituation nichts geändert. Die Ligareform erschwert es durch die frühe Teilung zusätzlich für viele Vereine nachhaltig zu agieren und junge Talente zu fördern. Was ich insgesamt anmerken möchte und was mir sehr am Herzen liegt, wenn über unsere Bundesliga gesprochen wird: Wenn man sich anschaut, was in Österreich an Geld in den Fußball investiert wird und was dabei herauskommt, ist das eines der besten Verhältnisse europaweit. Ganz speziell auch die Entwicklung von jungen Fußballern.

 

90minuten.at: Ich höre eine gewisse Kritik am Wettbewerbsmodus. Wäre Ihnen die Rückkehr zu einer klassischen Liga lieber?

Jauk: Wir haben vor einem Jahr die Evaluierung des neuen Modus eingefordert. Wir sehen das Thema kritisch, auch wenn es den einen oder anderen Vorteil geben mag. Das Thema Wettbewerbsfähigkeit ist das wesentlichste in der ganzen Diskussion über die Liga. Wir sind in einer Phase des modernen Fußballs, wo Investoren, Hedgefonds, Oligarchen und Glücksritter unterwegs sind. Dazu zähle ich Red Bull nicht, möchte ich dazusagen. Der Fußball wird dadurch in seiner Ursprünglichkeit gefährdet. Nämlich dadurch, dass der Fußball plötzlich ganz anderen Zwecken dienen soll. Rentabilität oder die Entwicklung der Unternehmensmarke stehen im Vordergrund.

"Man muss zunächst festhalten, dass das Prinzip der Investoren und Klubbesitzer aus den Mannschaftssportarten der USA kommt. Nur gibt es dort ganz andere Wettbewerbsregeln. " - Christian Jauk

90minuten.at: Red Bull Salzburg macht das aber schon auch alles, oder?

Jauk: Ja, schon. Das unterscheidet unabhängige Vereine von Investorenvereinen. Nur geht es um die Rahmenbedingungen der Liga und ob diese eingehalten werden. Red Bull hat diese schlussendlich so akzeptiert. Ich kann Ihnen von den Diskussionen in der Liga berichten, dass Red Bull sehr daran interessiert ist vernünftige Leitplanken zu setzen. Die Liga darf kein Hort für dubiose Investoren werden. Die Entwicklung haben wir vielerorts.

 

90minuten.at: Wo genau? Austria Wien. Wo noch?

Jauk: Das findet nicht nur in der höchsten Spielklasse statt. Ich möchte keine Klubnamen nennen, jeder soll sich sein eigenes Bild machen. Es spielt sich der zweiten und sogar der dritten Liga aber mittlerweile einiges diesbezüglich ab, was mich bedenklich stimmt. Wir müssen dem einen Riegel vorschieben. Eine kleine Liga ist hier noch viel gefährdeter als eine Große, weil nicht eine so große Menge Geld nötig ist, um investieren zu können.

 

90minuten.at: Was kann man tun, um einen Riegel vorzuschieben?

Jauk: Man muss zunächst festhalten, dass das Prinzip der Investoren und Klubbesitzer aus den Mannschaftssportarten der USA kommt. Nur gibt es dort ganz andere Wettbewerbsregeln. Man versucht alles um die Spannung aufrecht zu erhalten. Salary Cap, Draftsysteme und alle möglichen Mechanismen. In der Premier League zum Beispiel gibt es das alles nicht. Wir Europäer lassen den Investoren ungezügelte Möglichkeiten. Darüber muss man nachdenken.

 

90minuten.at: Welche Rahmenbedingungen brauchen wir jetzt ganz konkret in Österreich?

Jauk: Ich kann nur für die Position von Sturm sprechen. Was am Ende an neuen Regeln rauskommt, ist die Summe der Wünsche aller Klubs in Österreich. Wir wollen den Ursprung des Fußballs mit dem Vereinskonstrukt und einem gemeinnützigen Ansatz als Fundament bewahren. Es muss eine gewisse Mindestanzahl an Mitgliedern geben, die mitbestimmen können. Die Entscheidungen sollen nicht in ganz wenigen, oder überhaupt nur einer, Hand liegen. Mit diesem Fokus ändern wir ja grundsätzlich wenig an der bestehenden 50+1-Regelung.

"Einerseits das Wahlprocedere. Für Kandidaten, die von außerhalb kommen, ist es schon relativ schwierig überhaupt die erste Hürde zur Wahl zu überspringen. Andererseits zur Ehrenamtlichkeit der Funktion „ÖFB-Präsident“ an sich." - Christian Jauk

90minuten.at: Was muss sich dann ändern?

Jauk: Was es noch nicht gibt, ist eine genaue Festschreibung diese Regelung im Detail, um Umgehungskonstrukte zu verhindern. Der ursprüngliche Ansatz ist so dann oft nicht gegeben. Die aktuelle 50+1-Regelung soll mit zusätzlichen Qualitätskriterien ausgestattet werden. Modelle mit einigen wenigen Mitgliedern, oder wo ein Präsident Optionen auf Stimmrechte hat und diese den anderen zu einem gewissen Betrag abkaufen kann, entsprechen nicht dem ursprünglichen Willen. Sturm hat 3.500 Mitglieder und die bestimmen wer an der Spitze des Vereins steht.

 

90minuten.at: Sieht die Mehrheit der Klubs das wie Sie?

Jauk: Ich weiß nicht, inwieweit es für die Mehrheit der Klubs so ist, wie wir es sehen. Fakt ist, dass Österreich ein Stück weit unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit immer mehr zu einer Investorenliga wird. Dem möchte ich gern entgegenwirken. Ich meine auch zu wissen, dass bessere Qualitätskriterien für die aktuellen Regelungen mehrheitlich gewünscht werden. Über die Details wird es Diskussionen geben, aber das haben wir bei vielen Themen. Zum Beispiel bei den Lizenzkriterien, Stichwort Infrastruktur.

 

90minuten.at: Noch ein Thema, das die Liga derzeit bewegt, ist der Videobeweis. Wie sehen Sie den VAR bisher?

Jauk: Im Zweifelsfall bleibt jede Entscheidung eine umstrittene. Grobe Schnitzer können vielleicht vermieden werden, aber auch beim Videoschiedsrichter menschelt es. Aber er ist definitiv eine Unterstützung. Was mich emotional stört, ist der Verlust der unmittelbaren Freude. Nach dem Tor ist jetzt oft einmal die Vorfreude und dann warten wir ein paar Minuten ob das bestätigt wird. Da gibt es noch Verbesserungspotenzial. Es gilt außerdem darauf achtzugeben, dass nicht ein ganzes Match nur noch zu einem Überwachungsszenario wird. Das entspricht nicht dem Naturell des Fußballs.

 

90minuten.at: Noch kurz zum Wechsel an der Spitze des ÖFB. Wie sehen sie die Entscheidung für Gerhard Milletich als Nachfolger von Leo Windtner?

Jauk: Die Bundesliga hat entschieden, sich neutral zu verhalten und das war gut so. Ich gehe davon aus, dass die Liga weiterhin sehr gut mit dem Verband zusammenarbeiten wird, wir brauchen uns gegenseitig. Ich kann aber verstehen, dass es kritische Stimmen gab.

 

90minuten.at: Welche Stimmen meinen Sie?

Jauk: Einerseits das Wahlprocedere. Für Kandidaten, die von außerhalb kommen, ist es schon relativ schwierig überhaupt die erste Hürde zur Wahl zu überspringen. Andererseits zur Ehrenamtlichkeit der Funktion „ÖFB-Präsident“ an sich. Ich maße mir nicht an, Ratschläge zu erteilen, meine aber, dass die eine oder andere Reform dahingehend dem Verband schon ganz guttun würde.

 

90minuten.at: Zum Abschuss noch einmal zu Sturm. Wann war die Saison eine gute?

Jauk: Es war dann eine gute, wenn wir das was wir in der letzten Saison geschafft haben, wieder erreichen. Damit meine ich nicht in erster Linie nur den Tabellenplatz. Sondern dass wir die Gesamtentwicklung des Vereins als sehr positiv wahrnehmen.

Folge oder schreibe 90minuten.at-Kolumnist Jürgen Pucher:

Twitter: @jp_12meter

E-Mail: j.pucher@90minuten.at

 

90minuten.at-exklusiv

90minuten.at-TV: Das neue Everton Stadion

Schon gelesen?