Foto: © GEPA

ÖFB-Präsidentenwahl: Prozedere im Wahlausschuss wirft Fragen auf

Gerhard Milletich soll aufgrund des Vorschlags des Wahlausschusses neuer ÖFB-Präsident werden. Nach einem Gleichstand im ersten Wahlgang wechselten zwei Stimmen das Lager. Das Prozedere wirft Fragen auf.

++ 90minuten.at-Exklusiv – die 91. Minute von Michael Fiala ++

 

Der Wahlausschuss hat am Samstag in seiner Sitzung in Salzburg nach einem Gleichstand im 1. Wahlgang im 2. Wahlgang mehrheitlich beschlossen, Gerhard Milletich der Ordentlichen Bundeshauptversammlung für das Amt des ÖFB-Präsidenten vorzuschlagen. Die Ordentliche Hauptversammlung des ÖFB tagt am 17. Oktober in Velden und wird die Wahl des künftigen Präsidenten offiziell vornehmen. Dieser folgt nun als Leo Windtner nach 12-jähriger Amtszeit nach.

 

Bundesliga und Steiermark wechselten das Lager

Die Wahl verlief den 90minuten.at-Recherchen extrem spannend. Zunächst stand der Antrag einer geheimen Wahl auf der Agenda. Dieser Antrag wurde mit 5:5 Stimmen abgelehnt – nur mit einer 6:4-Mehrheit hätte die Wahl geheim stattgefunden. Dieses Abstimmungsverhalten spiegelte sich dann auch im ersten Wahlgang wider: Roland Schmid erhielt fünf Stimmen, sein Konkurrent Gerhard Milletich ebenso. Für Schmid stimmten Tirol (Geisler), Salzburg (Hübel), Oberösterreich (Götschhofer), Steiermark (Bartosch) sowie die Bundesliga (Thonhauser). Für den 65-Jährigen Fußballfunktionär votierten Wien (Sedlacek), Niederösterreich (Gartner), Kärnten (Mitterdorfer), Vorarlberg (Lumper) sowie Milletichs eigener Heimverband, das Burgenland. Pikant: Für das Burgenland hat der Geschäftsführer des Verbandes, Karl Schmidt, abgestimmt. Der Geschäftsführer ist dem Präsidium (= Gerhard Milletich) gegenüber weisungsgebunden. Somit hat die Wahl schon vor Beginn der Abstimmung quasi mit einer 1:0-Führung für den Sieger begonnen.

"Warum wird bei Gleichstand in der Abstimmung nicht auf den einzigen Hinweis in den Satzung des ÖFB zurückgegriffen und stattdessen eine andere Vorgehensweise gewählt?" - Michael Fiala

Im zweiten Wahlgang wechselten dann zwei Stimmen das Lager, wie 90minuten.at in Erfahrung bringen konnte: Sowohl Philip Thonhauser und Wolfgang Bartosch gaben den Ausschlag, dass Milletich im zweiten Wahlgang als 7:3-Sieger vom Platz gegangen ist. Warum die zwei Funktionäre nach dem wochenlangen Prozess dann innerhalb weniger Minuten ihre Meinung geändert haben, ist ein interessanter und hinterfragenswerter Punkt.

 

Zwei offene Fragen

Das Prozedere wirft nun - unabhängig von der Bewertung von inhaltlichen Fragen im Hearing - zwei Fragen auf:

Die erste Frage beschäftigt sich mit dem Umstand, wie mit einem Gleichstand bei einer Abstimmung umzugehen ist. Paragraph 11, Punkt 6, der Satzungen des ÖFB sagt: „Das Präsidium fasst seine Beschlüsse mit einfacher Stimmenmehrheit. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.“ Jetzt ist der Wahlausschuss nicht das Präsidium. Aber: Keine andere Regelungen als die Punkte 1, 2, 3 in Paragraph 16 sind öffentlich in den Satzungen des ÖFB nachvollziehbar. Zudem ist der Wahlausschuss quasi mit dem Präsidium identisch. Hätte dann nicht eigentlich die Stimme des Vorsitzenden Wolfgang Bartosch sowohl bei der Frage, ob geheim oder offen abgestimmt wird, als auch bei der Abstimmung an sich den Ausschlag geben müssen? Oder anders gefragt: Warum wird bei Gleichstand in der Abstimmung nicht auf den einzigen Hinweis in den Satzung des ÖFB zurückgegriffen und stattdessen eine andere Vorgehensweise gewählt?

"Neben den aktuellen und brennenden Themen Teamchef, Sportdirektor und Kompetenzzentrum ist wohl auch eine Diskussion über eine Strukturreform innerhalb des ÖFB notwendig. Mit Milletich hat „das System“ gegen die im Raum stehende Revolution gewonnen. Man darf gespannt sein, ob der Burgenländer aus diesem System ausbrechen kann und will." - Michael Fiala

Die zweite Frage ist ebenfalls pikant und durchaus relevant: Im Wahlausschuss hat die Bundesliga nur eine Stimme. Im ÖFB-Präsidium allerdings kann die Liga vier Stimmen vergeben. Wenn man das 5:5-Ergebnis von gestern im Wahlausschuss auf die Wahl in der Hauptversammlung am 17. Oktober „hochrechnen“ würde, hätte Roland Schmid eigentlich acht Stimmen, Gerhard Milletich fünf. Das Unentschieden im Wahlausschuss drückt also nicht das Kräfteverhältnis aus, das schlussendlich dann auch in der Hauptversammlung wählt. Im Gegensatz zu Punkt 1) ist die zweite Thematik allerdings in den Satzungen des ÖFB so geregelt.

Fragen, denen 90minuten.at in den kommenden Tagen nachgehen wird.

 

Das System gewinnt

An der Entscheidung für Milletich werden diese offenen Fragen nichts mehr ändern. Jetzt gilt der Blick in die Zukunft: Der Burgenländer steht zwar sicherlich nicht für den gewünschten und selbst vom Verband geforderten Generationenwechsel, aber dennoch hat sich Milletich natürlich eine Chance verdient. „Ich kann jetzt schon versprechen, dass ich mich nach der Wahl durch die Hauptversammlung mit voller Kraft für den ÖFB, seine Vereine und alle im Fußball in Österreich Engagierten einsetzen werde“, war seine erste Reaktion nach dem Sieg. Neben den aktuellen und brennenden Themen Teamchef, Sportdirektor und Kompetenzzentrum ist wohl auch eine Diskussion über eine Strukturreform innerhalb des ÖFB notwendig. Mit Milletich hat „das System“ gegen die im Raum stehende Revolution gewonnen. Man darf gespannt sein, ob der Burgenländer aus diesem System ausbrechen kann und will.

Folge oder schreibe 90minuten.at-Chefredakteur Michael Fiala:

Twitter: @michaelfiala75

E-Mail: m.fiala@90minuten.at

90minuten.at-exklusiv

90minuten.at-TV: Das neue Everton Stadion

Leseempfehlungen
Schon gelesen?