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Wettskandal: "Dann muss er damit rechnen, in den Häf'n zu kommen" [Interview]

Hans Arsenovic ist Vizepräsident von Regionalliga Ost-Klub Wiener Viktoria. Im Interview mit 90minuten.at schildert er, wie es dem Ostligisten durch den Wettskandal geht, was die Liga zu befürchten hat und wie ein Wettskandal zu verhindern sein könnte.

+ + 90minuten.at Exklusiv - Das Interview führte Georg Sander + +

 

Mehrere Spiel der dritten Leistungsstufe Regionalliga Ost sollen durch Absprachen von Spielern manipuliert worden sein. Die laufenden Ermittlungen betreffen mehrere Vereine, abgeschlossen sind diese aber noch nicht. Nicht direkt durch Machenschaften von eigenen Spielern betroffen ist der Meidlinger Fußballverein Wiener Viktoria. Dennoch: In einer 14er-Liga richten mehr als zehn geschobene Partien einen massiven Schaden an. Hans Arsenovic, Vizepräsident der Meidlinger, schildert im 90minuten.at-Interview seine Eindrücke der letzten Tage. Diese sind von Zorn und Enttäuschung geprägt. Die Vereine wären Opfer, er befürchtet zudem wirtschaftlichen Schaden für die Ostliga. Nun gelte es, alles zu tun, damit möglichst nie wieder ein Wettskandal vorkommt.

 

90minuten.at: Letzten Samstag gab es die ersten Meldungen zum Wettskandal in der Regionalliga Ost. Wie hat die Wiener Viktoria dies aufgenommen?

Hans Arsenovic: Als es aufgepoppt ist, war das im ersten Moment ein Schock. Ich konnte es gar nicht glauben und habe im ersten Moment gedacht, dass es ein Irrtum sein muss. Nachdem schon von einigen Verhaftungen die Rede war, haben wir im Verein noch durchtelefoniert, ob es jemanden von uns betrifft. Dass es niemanden von uns betroffen hat, war schon erleichternd. Trotzdem ist man fassungslos, dass es das gibt – und erst dann habe ich erkannt, in welcher Dimension das war.

"Man meldet die Spieler an, zahlt sie, unterstützt sie und dann kommt man drauf, dass einer Fußball schädigt, dann macht dich das zornig und wütend. " - Hans Arsenovic

90minuten.at: Zunächst waren nur die Bundesländer, nicht aber die Namen der betroffenen Klubs bekannt, die Viktoria hat gegen den Sportclub mit 8:1 auffällig hoch verloren.

Arsenovic: Diese Befürchtung hatten wir nicht. Wir hatten mehrere Corona-Fälle, haben das aber nicht an die große Glocke gehängt. Es gab eine große Unruhe in der Mannschaft und wir hatten überlegt, das Spiel zu verschieben. Der Sportclub war an dem Tag aber auch einfach besser. Außerdem: Wenn man etwas Auffälliges machen will, verliert man nicht 8:1.

 

90minuten.at: Wie ist die Stimmungslage nun? Mehr als zehn Spiele sollen manipuliert worden sein, was bedeutet das für eine 14er-Liga? Da ist die Hinrunde sportlich fasst wertlos.

Arsenovic: Wir sind mit fast allen Vereinen in Kontakt und die Vereine, die die betreffenden Spieler haben, sind ebenfalls geschockt. Man muss aber auch ganz klipp und klar sagen: Die Vereine sind die Geschädigten. Sie sind Opfer, nicht Täter. Die Vereine mussten Gehälter und Punkteprämien zahlen und das tut doppelt weh. Man meldet die Spieler an, zahlt sie, unterstützt sie vielleicht auch noch während Corona, wie wir beispielsweise, und dann kommt man drauf, dass einer den Verein und den Fußball schädigt, dann macht dich das zornig und wütend. Man ist auch enttäuscht.

 

90minuten.at: Aber was bedeutet es konkret für die Liga?

Arsenovic: Das kann ich noch nicht sagen. Wir wissen noch nicht, welche Spiele tatsächlich betroffen sind. Ich kann es nicht abschätzen, aber es ist eine richtige Katastrophe. Müssen jetzt Spiele annulliert werden, Klubs rückgereiht oder kommt es zu einem Zwangsabstieg? Ich weiß nicht, was jetzt passiert. Wir haben ja auch nicht die Thematik, dass es zu viele Vereine gibt. Es kann wohl de facto keiner absteigen und ich weiß auch nicht, ob letztlich wer absteigen wird. Es ist bei weitem nicht so, dass hunderte Vereine warten, Ostliga zu spielen.

90minuten.at: Sie kommen ja aus der Wirtschaft – trauen Sie sich eine Einschätzung zu, wie sich ein derartiger Skandal wirtschaftlich und in Bezug auf die Außendarstellung auswirkt?

Arsenovic: Da reicht ebenfalls ein Wort: katastrophal. Es ist auf mehreren Ebenen ein riesiger Schaden. Ich bin ja auch beim NPO-Fonds involviert und es beginnt schon damit, dass Hilfszahlungen und sonstige Unterstützungen nicht mehr so leicht getätigt werden, wenn man weiß, dass etwas faul ist. Wenn ein Gastwirt seine Angestellten nicht anmeldet, wird er auch keine Corona-Hilfszahlungen bekommen. Es kann sein, dass öffentliche Gelder in Zukunft weniger fließen. Auch auf die Sponsoren kann es sich auswirken. Die wollen damit dann nichts zu tun haben, man denke nur an die Dopingskandale im Radsport. Da wollten auch einige nicht mit Betrug in Verbindung gebracht werden. Auch die Zuschauer könnten ausbleiben, das betrifft nicht nur den Ticketpreis, sondern auch die Kantine. „Ich geh' doch auf kein Match, wenn das nur eine g'schobene Partie is'.“ Das könnten alles Rückgänge sein: Öffentliche Gelder, Sponsoren, Spieltagseinnahmen. Und wenn der Fußball an sich beschädigt ist, gibt es weniger Trainer und Funktionäre. Auch das generelle Interesse könnte zurück gehen, das merken wir schon durch Corona. Dann kommen auch weniger Spieler und auch das mediale Interesse könnte schwinden. Da kann sehr viel auf uns zukommen.

 

90minuten.at: Was braucht es, um einen harten Aufprall irgendwie abzufedern?

Arsenovic: Ich fordere extreme Transparenz. Es müssen alle Karten am Tisch, was wirklich genau passiert ist, nichts darf unter den Tisch gekehrt werden. Wir müssen alles sagen, was war, auch wenn es weh tut. Zudem braucht es eine Abschreckung, damit das nicht wieder passiert. Sprich: lebenslange Sperren. Dann können wir nur hoffen, dass wir aus dem Skandal gestärkt raus kommen. Vielleicht haben wir manche Dinge auch schleifen lassen, nehmen wir das zum Anlass, um es zu verbessern. Diese Chance muss man auch nutzen.

"Das ist kein Kavaliersdelikt. Das ist ein Betrug, dann muss er auch damit rechnen, in den Häf'n zu kommen." - Hans Arsenovic

90minuten.at: Hat man vielleicht insgesamt das Problem, dass die Regionalliga die höchste Liga unterhalb der Profis ist, aber die meisten Kicker eben Amateure sind? Manche Vereine, die nach oben schielen, müssen schon sehr professionell sein, für andere ist es der Plafond.

Arsenovic: Zum Sportlichen muss man sagen, dass es den Unterbau braucht. Nicht nur, weil einige es sogar in die großen Ligen schaffen, sondern auch, weil Akademie-Abgänger manchmal auch einen semiprofessionellen Betrieb brauchen. Wir haben beispielsweise 18-Jährige, die aus den Akademien von Rapid und Austria kommen, die vielleicht noch nicht ganz so weit sind, um in den Profibetrieb einzusteigen. Für den gesamtösterreichischen Fußball ist eine semiprofessionelle Liga wichtig. Sonst verlieren wir Talente. Das Grundübel bei der rechtlichen Frage ist: Warum kann man auf den Amateurbereich überhaupt wetten?

 

90minuten.at: In Österreich können keine großen Beträge gesetzt werden.

Arsenovic: Die großen Beträge werden im Ausland gemacht und das geht über das Internet. Man kann vielleicht jetzt nicht in Österreich mehr als hundert Euro wetten, aber auf ausländischen Plattformen ginge das. Da müsste man schon auch genauer hinschauen, was da alles passiert, etwa, dass man auf Ereignisse wetten kann. Ich bin auch sehr skeptisch, was die Wettbüros betrifft. Wir haben sehr strenge Regeln, jeder, der bei uns wettet, würde fliegen. Nur erfährt man es?

 

90minuten.at: Braucht es noch schärfere Regelungen? Etwa ein genaueres Vertragswerk?

Arsenovic: Wenn man will, dann geht das. Da kann im Vertrag ein Wettverbot stehen, dann ruft man eben den Cousin an und der wettet. Man kann jedes System umgehen. Es braucht, wie beim Doping, Konsequenzen. Aber auch da weiß jeder, weche Sperren es gibt uns es wird trotzdem gemacht. Sportradar funktioniert zwar, aber mir wäre es lieber, wenn man auf Amateurligen nicht wetten könnte.

 

90minuten.at: Sprich: Eigentlich steht man trotzdem blöd da, weil man kann egal auf welcher Ebene Vorgaben machen bzw. einführen, am Ende muss man darauf hoffen, dass es nicht passiert.

Arsenovic: Man kann im Vorfeld schon wie die NADA im Doping Systeme einführen. Dem Spieler, der etwas Böses vorhat, dem muss bewusst sein: Es wird gescreent, es kommt heraus. Und wenn jemand erwischt wird, muss er wissen, dass das kein Kavaliersdelikt ist, dass es nicht nur vorm Sport Sperren gibt, sondern auch strafrechtliche Konsequenzen. Das ist ein Betrug, dann muss er auch damit rechnen, in den Häf'n zu kommen.

 

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