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Dominik Thalhammer: "Können in einem Spiel zwischen vier Systemen wechseln"

Seit 2011 ist Dominik Thalhammer nun bereits Teamchef des österreichischen Frauen-Nationalteam. Diesen Sommer ist die Mannschaft erstmals bei einem Großereignis mit dabei, es geht zur EM in den Niederlanden. Mit 90minuten.at sprach Thalhammer über die Entwicklung und Ziele des ÖFB-Frauenteams, aber auch das Standing des Frauenfußballs in Österreich. Das Gespräch führte Stefan Berndl.

90minuten.at: Wie hat sich der Frauenfußball im Allgemeinen in den letzten Jahren entwickelt?

Thalhammer: Ich denke, der Frauenfußball wird immer besser, er wird auch immer dynamischer. Auch, weil die Spielerinnen körperlich immer besser entwickelt werden. Ich habe 2013 in Schweden die Europameisterschaft verfolgt. Das waren Stadien, die extrem gut besucht und sehr voll waren. Das waren tolle Veranstaltungen mit einem tollen Sport.

 

90minuten.at: Sehen Sie da in Österreich - auch im Vergleich zu Ihrem Antreten 2011 - dass die gezeigten Leistungen auch dementsprechend von Medien und dem Publikum honoriert werden? Oder gibt es da noch einen deutlichen Aufholbedarf?

Thalhammer: Mit 2011 kann man das wirklich nicht mehr vergleichen, weil die Aufmerksamkeit schon um einiges gestiegen ist. Wir haben 2011/12 gefragt, was wir machen sollen, um mehr Akzeptanz zu bekommen. Die Antwort war: Erfolg haben. Jetzt haben wir den Erfolg und man merkt auch schon, dass die Akzeptanz immer höher wird. Wenn man mit anderen Leuten und Kollegen spricht, merkt man das schon, dass sie unsere Arbeit goutieren und respektieren. Aber es ist dennoch noch viel zu tun. Vor allem in der Breite, weil wir da der einen oder anderen Nation nachstehen, was die Anzahl der Fußball spielenden Mädchen betrifft. Da sind wir nicht dort, wo man sein sollte. 

 

90minuten.at: Inwiefern beginnen da die Probleme schon viel früher, im Amateur- und Nachwuchsbereich? Gerade vielleicht im lokalen Bereich, in dem der Frauenfußball keine große Rolle spielt. 

Thalhammer: Das wird vermutlich in vielen Bereichen noch so sein, ich kann da aber nur vom Frauen-Nationalteam sprechen und da sehe ich schon eine gewaltige Entwicklung. Und ich glaube, dass man den Rückenwind dieser Europameisterschaft für den Frauenfußball nutzen sollte. Dass man nachhaltig noch mehr entwickeln kann. Diese Chance sollte man nicht einfach verstreichen lassen und sich nur freuen, dass man bei der Europameisterschaft ist. Gerade in den von Ihnen angesprochenen Bereichen kann man noch viel mehr entwickeln.

 

"Es liegt an uns, den Frauenfußball weiterzuentwickeln." - Dominik Thalhammer

90minuten.at: Sprich, dass der Frauenfußball nicht nur vor und während der EM interessant ist und Aufmerksamkeit bekommt, sondern das auch danach weiterhin bleibt. 

Thalhammer: Ja, und man sollte auch Maßnahmen setzen, damit mehr Mädchen zum Frauenfußball kommen. Ich denke, dass die Euro der Breite einen Impuls geben kann. Wenn Frauenfußball in Österreich auch vermehrt im TV übertragen und noch mehr wahrgenommen wird. Aber es müssen natürlich auch andere Maßnahmen kommen, damit einfach mehr Mädchen entdecken, dass Fußball ein toller Teamsport ist. In Skandinavien oder in den USA ist das bereits der Fall. Dort hat der Frauenfußball eine hohe Akzeptanz. 

 

90minuten.at: Welche Rolle spielt bei dem Ganzen auch der finanzielle Aspekt? Wenn man sich ansieht, welche Summen bei den Männern im Spiel sind und parallel dazu die Frauen heranzieht, die hier weit davon entfernt sind.

Thalhammer: Das spielt natürlich eine gewisse Rolle. Aber es liegt an uns, den Frauenfußball weiterzuentwickeln. Dass man gleiches fordert, finde ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht angemessen. Ich denke, der Frauenfußball muss sich in Österreich erst weiterentwickeln und wir haben jetzt einige Schritte getan. Jetzt kommt die Euro und ich hoffe, wir werden uns da auch gut präsentieren. Dann sollte man Schritt für Schritt vorankommen. Aber es ist unrealistisch, hier zum jetzigen Zeitpunkt Vergleiche anzustellen. 

 

90minuten.at: Was würden Sie dann jenen Fußballfans entgegnen, die dem Frauenfußball noch immer sehr kritisch, wenn nicht gar abschätzig gegenüberstehen?

Thalhammer: Punkt Nummer eins: Man muss aufhören zu vergleichen. Weil das in anderen Sportarten vermutlich auch für den Frauensport nicht so gut ausfallen würde. Wenn man sich etwa ein Abfahrtsrennen bei den Männern und Frauen ansieht, schaut das bei den Herren vielleicht auch spektakulärer aus. Aber trotzdem respektiert man beides in Österreich. Vielleicht auch, weil Männer wie Frauen schon lange sehr erfolgreich sind. Das wollen wir jetzt auch versuchen. Ich denke, man muss mit diesen Vergleichen aufhören, weil man es schlichtweg nicht vergleichen kann. Der Männerfußball ist einfach schneller und dynamischer, das kann man auch nicht ändern. Ich habe mich vielleicht auch früher ertappt, dass man gewisse Vorbehalte hat. Aber man muss sich einfach mit dieser Thematik auseinandersetzen und dem auch eine Chance geben. Dann wird vielleicht der eine oder andere draufkommen, dass das ein toller Sport ist und es etwa im taktischen Bereich keine grundlegenden Unterschiede gibt.

 

90minuten.at: Sie haben es gerade angesprochen, dass man den Frauen- und Männerfußball nicht vergleichen sollte. Gibt es aber in Ihrer Arbeit abseits des Platzes Unterschiede im Umgang mit den Spielerinnen?

 

Thalhammer: Ich denke, dass es bei der Trainingsarbeit und den Inhalten gar keine Unterschiede gibt. Die Übungen sich die gleichen wie im Männerfußball. Der Output ist vielleicht nicht so dynamisch und nicht so schnell, aber von der Arbeit im technisch-taktischen Bereich gibt es keine Unterschiede. Vielleicht gibt es ein paar im Umgang, im sozialen Bereich, aber nicht einmal das kann man groß generalisieren. Auch hier gibt es zwischen den Frauen Unterschiede. Aber es gibt auch bestimmte Bereiche, die man im Frauenfußball extrem entwickeln kann, weil dieser soziale Gedanke - Zusammenhalt und Teamspirit - extrem ausgeprägt ist. Das kann man gut dafür nutzen, um eine Mannschaft zu entwickeln und noch schneller voranzubringen. Ich glaube, da gibt es sehr viele positive Aspekte, die man nutzen kann.

 

90minuten.at: Haben Sie damals, als das Angebot vom ÖFB kam, lange überlegen müssen, um die Aufgabe zu übernehmen? Und was war ausschlaggebend?

Thalhammer: Das Angebot ist zu einem Zeitpunkt gekommen, als ich eigentlich im Fußball gar nichts mehr machen wollte. Meinen Erfahrungen nach war das Denken so kurzfristig und es steckte bei vielen Vereinen teilweise wenig Strategie dahinter. Das hat mich eigentlich enttäuscht. Ich war auch in mein Studium vertieft. Das ausschlaggebende Argument von Willi Ruttensteiner war, dass ich bei einer Aufbauarbeit dabei sein kann. Eigentlich das, was ich gerne verfolgen wollte. Ich dachte mir, da kann man viel entwickeln und herausholen. Und in den fünf Jahren haben wir jetzt drei EM-Teilnahmen geschafft - mit der U17, der U19 und jetzt mit dem Frauen-Nationalteam. 

 

90minuten.at: Wie sehen Ihre weiteren Ziele aus, auch was die Arbeit beim ÖFB betrifft? Und welche Rolle soll der österreichische Frauenfußball in den nächsten Jahren noch spielen?

Thalhammer: Meine Vertragslaufzeit ist prinzipiell unbefristet. Mein Ziel war immer die Europameisterschaft, und die kommt jetzt im Sommer. Das zweite ist natürlich, dass ich auch eine sehr spannende Aufgabe in der Trainerausbildung habe, die mich sehr fordert und weiterbringt. Ich denke, das sind zwei sehr spannende Tätigkeiten. Was den Frauenfußball allgemein betrifft hängt es einfach davon ab - wie schon angesprochen - wie man diese EM-Qualifikation für die Zukunft nutzt und wie man sich entwickeln kann. In Österreich spielen rund 12.000 Mädchen Fußball. In anderen Ländern, wie etwa Dänemark, sind es mindestens sechsmal so viel. Da sieht man dann die Unterschiede. Island hat glaube ich 3.000 Fußball spielende Mädchen bei nur 350.000 Einwohnern. Das ist auch wahrscheinlich der Grund, warum sie im Frauenfußball und auch Handball sehr erfolgreich sind. Wenn man da Maßnahmen ergreift, dann kann man die Ziele auch erreichen, die wir uns im Frauenfußball gesetzt haben. Nämlich Top20, Top15 in der Weltrangliste und vielleicht Top10 in Europa. Das wäre machbar. Aber auch nur dann, wenn man entsprechende Maßnahmen in der Breite setzt.

 

90minuten.at: Sie haben erwähnt, dass sie zum ÖFB gewechselt sind, als Sie dem Trainergeschäft eigentlich „Auf Wiedersehen“ sagen wollte. Wie sieht das jetzt, fünf, sechs Jahre später aus? Ist die Lust am Trainergeschäft wieder zurück - vielleicht auch wieder in Richtung Männerfußball? Oder sehen sie sich langfristig beim ÖFB?

Thalhammer: Ich kann mir natürlich vorstellen, länger beim ÖFB zu bleiben. Die Lust auf den Fußball ist wiedergekommen, egal in welcher Richtung. Die bisherige Zeit beim ÖFB war für mich eine Phase, in der ich mich fachlich und persönlich stark weiterentwickeln konnte. Ich denke, das war für mich auch wichtig. Im ÖFB kann man sich mit sehr viel kompetenten Leuten austauschen, angefangen bei Sportdirektor Willi Ruttensteiner oder einem Marcel Koller. Das hat mich natürlich auch umdenken lassen. 

 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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