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Mario Karner: "Wollen den anderen Großklubs zeigen, was im Frauenfußball alles möglich ist"

Die Frauen des SK Sturm Graz etablierten sich in den letzten beiden Jahren als nationale Nummer zwei hinter St. Pölten. Initiator und Leiter der Frauenabteilung, Mario Karner, im Interview mit 90minuten.at. Das Gespräch führte Stefan Berndl.

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90minuten.at: In den letzten beiden Jahren sicherte sich Sturm Graz jeweils den Vizemeistertitel und qualifizierte sich für die Champions League. Ist da – gerade im Hinblick auf St. Pölten – noch mehr möglich?

Karner: Ich denke, dass es ein enormer Anreiz ist, dem Ligakrösus St. Pölten so lange wie möglich Paroli zu bieten. Wir arbeiten mit unseren Mitteln so wie es möglich ist. Dass hier budgetär Welten aufeinander treffen ist auch logisch, aber das ist in Österreichs Bundesliga mit Salzburg, in der deutschen Bundesliga mit Bayern München das gleiche. Aber das spornt an. Und wir versuchen das Maximale herauszuholen. Das Ziel ist natürlich den ersten Platz zu holen. Man kann jetzt auch im Nationalteam deutlich spüren, was mit Leidenschaft, Teamspirit und einem guten Betreuerstab alles möglich ist. Aktuell sind wir von St. Pölten noch weit weg, aber für eine Überraschung sind wir sicher gut.

 

90minuten.at: Bei den meisten Bundesliga-Teams bei den Frauen ist eine Aufwandsentschädigung für die Spielerinnen bereits das Höchste der Gefühle, der Großteil spielt völlig umsonst. Wie sieht das bei Ihrem Team aus?

Karner: Wenn man den Aufwand und die finanzielle Entschädigung sieht, dann muss man sagen, dass das ein absoluter Amateurbereich ist, den wir haben. Die Mädchen und Frauen kommen eineinhalb, zwei Stunden zum Training, untertags müssen sie noch arbeiten. Ich habe großen Respekt davor, was sie auf sich nehmen. Wir sind einfach nicht in der Lage irgendeinen Profi zu engagieren. Aber wir möchten das Ganze bestmöglich für uns adaptieren. Wir betreuen und trainieren mit den Spielerinnen da auch ganz individuell. Beruf und Training, beziehungsweise Studium und Schule müssen so geplant werden, damit wir für jede Spielerin das Maximum herausholen.

"Es wäre wünschenswert, wenn in Zukunft jene Vereine, die in der Bundesliga spielen und vor allem auch Traditionsvereine da mitziehen." - Mario Karner

90minuten.at: Sturm Graz ist das einzige Bundesliga-Team, dessen Frauenmannschaft auch in den Verein integriert ist. St. Pölten ist, so die Aussage von Präsident Schmaus, eigenständig und unabhängig vom SKN. Weshalb glauben Sie, ist dem so, dass kaum ein Bundesliga-Team der Herren auch auf den Frauenfußball setzt?

Karner: Ich kann nicht beurteilen, wie die großen Klubs denken, da bin ich zu weit weg. Wir haben uns als Ziel gesetzt da wirklich ein Vorreiter zu sein. Wir wollen den anderen Großklubs zeigen, was alles möglich ist. Und unser Weg gibt uns ja auch recht. Wir sind stolz darauf, was wir in den letzten Jahren erreicht und geleistet haben. Es wäre wünschenswert, wenn in Zukunft jene Vereine, die in der Bundesliga spielen und vor allem auch Traditionsvereine da mitziehen. Die Austria ist eh auf einem guten Weg mit der Kooperation mit Landhaus. Die gehen das so an wie wir, sehr strategisch. 

 

90minuten.at: Bei den meisten Klubs sieht es aber eher düster aus.

Karner: Mit dem aktuellen Hype gilt es Rapid, Salzburg, LASK und andere davon zu überzeugen: Gebt den Frauen einfach eine Chance. Wichtig ist - gerade, wenn man an die Frauen-Bundesliga denkt - dass eine Nachhaltigkeit da ist. Große Vereine haben natürlich die nötige Infrastruktur zu bieten. Es sollte einfach Ziel sein, auch seitens des ÖFB, hier nachhaltig zu arbeiten und Vereine zu überzeugen, hier auch zu investieren. Beziehungsweise Leute zu finden, die sich dem annehmen. Wir sind absolut überzeugt davon, sind ein Team, das seit Jahren zusammenarbeitet. Kontinuität war immer ein wichtiges Schlagwort bei uns. Es müssen dann also auch bei den großen Klubs Leute am Werk sein, die voll vom Mädchen- und Frauenfußball überzeugt sind. Es hilft auch nichts, wenn jemand sagt, dass alle Bundesligateams eine Frauenmannschaft haben. Dann wird es zwar gemacht, aber weil es gemacht werden muss und nicht weil man es machen möchte. Das ist dann auch nicht der richtige Weg.

Das Spiel gegen Zürich lockte fast 2.000 Zuschauer an. Die Grazerinnen bezahlten Lehrgeld.

90minuten.at: Es sollen also nicht nur Lippenbekenntnisse gegenüber dem Frauenfußball sein. 

Karner: Nein, genau. Da sollte man so strategisch vorgehen, dass man jene Leute ins Boot holt, die vom Frauenfußball überzeugt sind. Bei uns sieht man das ganz klar, vom Präsidenten Christian Jauk über die Geschäftsführung bis zu den Mitarbeitern, dass alle stolz auf das sind, was wir erreicht haben. Die Marke Sturm Graz zieht. Wir hatten etwa ein Champions League Spiel gegen Zürich, haben das erste Mal international gespielt und dabei 1.835 Zuschauer. Das war Vereinsrekord, das gab es noch nie in den letzten 30 Jahren, in dem es den Frauenfußball in Österreich gibt. Auf das sind wir dann schon stolz. Da ist sicher auch anzusetzen, diesen Hype aus den Niederlanden mitzunehmen und strategische Schritte zu setzen. Damit wir etwa mehr Zuschauer zu den Spielen bringen. Der Schnitt ist aktuell zwischen 100 und 300 Leuten, mehr haben wir ja nicht. Unser Topspiel ist gegen LUV Graz, da haben wir immer 400 bis 500 Leute. Das ist natürlich das Grazer Derby. Alles andere bewegt sich in deutlich niedrigeren Bereichen. Da liegt es auch an der Liga für Attraktivität zu sorgen.

 

90minuten.at: Noch einmal zurück zum Thema Integration in den Verein Sturm Graz. Inwieweit hat die Frauenabteilung bei gewissen Themen auch Mitspracherecht, wie sieht die Zusammenarbeit mit dem Verein aus? 

Karner: Wenn man sich das Organigramm anschaut: Da ist der Präsident, dann der ganze Vorstand, die beiden Geschäftsführer und dann ist schon meine Position. Wo ich nach oben hin die ganze Koordination mache. Aber man muss schon eines sagen: Wir sind die Frauenabteilung, wir arbeiten für uns. Wir freuen uns natürlich, wenn die Männer einen tollen Start aktuell hinlegen und versuchen den Schwung auch bei uns zu nutzen. Mit den Profis selbst haben wir in Wahrheit aber nicht so viel zu tun. Das ist eine eigene Mannschaft, die haben eigene Ziele. Wir genauso. Wir trainieren auch nicht am gleichen Platz. Wir haben unser Trainingszentrum etwas außerhalb von Graz, das ist die ehemalige Hannes-Kartnig-Akademie, wo die Frauen und die Amateure trainieren. Die Spiele werden dann im Trainingszentrum in Messendorf ausgetragen.

 

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