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Goran Djuricin: "Für mich ist Zoki Barisic einer der stärksten Trainer in Österreich"

Goran Djuricin scheut das kalte Wasser nicht. Wenn der SK Rapid Wien anruft, sagt man seiner Meinung nach nicht "Nein". Im Interview mit 90minuten.at spricht er über die turbulente Anfangszeit, Vergleiche mit Zoran Barisic und wann er "seine" Rapid sehen wird. Das Gespräch führte Georg Sander

Interview Goran Djuricin - Seite 1 - Seite 2 - Seite 3

 

90minuten.at: Der Name Zoran Barisic fällt sehr oft, wenn es um Sie geht. Es fallen auf und neben dem Feld viele Parallelen auf. Wie sehen Sie das?

Djuricin: Für mich ist „Zoki“ Barisic einer der stärksten Trainer in Österreich, wenn nicht der stärkste. So wie Rapid unter ihm Fußball gespielt hat, war sensationell. Red Bull Salzburg war in den letzten Jahren über eine Saison halt unschlagbar. Mich macht der Vergleich glücklich, weil wir wollen dorthin. Mit den vielen Verletzten war es schwierig, dorthin zu kommen und kreativ zu sein. Wenn ich erreiche, was Zoki erreicht hat, bin ich sehr froh.

90minuten.at: Vor einem Jahr wollte Rapid den Barisic-Fußball offensichtlich nicht mehr. Hat man ein Jahr Entwicklung verloren?

Djuricin: Es ist ja nicht so, dass ich genau das Gleiche will wie er. Ich glaube, dass ich ähnlich bin. Ich eifere ihm nicht nach. Ich bin, wie ich bin und anscheinend bin ich Barisic ähnlich. Es ist aber nicht zu hundert Prozent das Gleiche! Wenn eine Mannschaft drei Mal Vizemeister wurde und in der Europa League-Gruppenphase Erster war, spricht man eigentlich schon von einem Erfolg. Noch einmal: Wenn ich dorthin komme, bin ich sehr glücklich.

90minuten.at: Sie müssen übrigens Salzburg gar nicht schlagen. Der von Ihnen erwähnte Peter Stöger schaffte den Titel mit zwei Punkten gegen Red Bull. Ein Barisic-Problem waren ja gegen kleinere Vereine liegen gelassene Punkte.

(Kurze Pause, Djuricin geht nicht darauf ein)

"Jeder schaut zu ihm auf, jeder hat ihn gern. Er muss jetzt auch den jungen Spielern was mitgeben." - Goran Djuricin über Steffen Hofmann

90minuten.at: Die Vereins- und Spielphilosophie ist wichtig. Sie sind neu, der Sportdirektor ist neu. Wie werden Spieler verpflichtet?

Djuricin: Ich bin ja noch nicht lange bei Rapid, der Fredy (Anm.: Sportdirektor Bickel) hat mich aber immer involviert, hat immer nachgefragt. Die eine oder andere Sache macht er selber. Das ist kein Problem für mich. Wir reden über fast alles. Es wäre nicht gut, wenn er 90 Prozent selber macht und ich nichts davon wüsste. Das wird’s aber bei keinem Verein spielen.

90minuten.at: Dazu passend: Viele Neuzugänge der letzten Monate zündeten aus verschiedenen Gründen nicht – Traustason, Mocinic, Schösswendter. Viele Junge übernehmen Verantwortung. Barisic hat die Harmonisierung zwischen Nachwuchs und Kampfmannschaft eigentlich erst begonnen. Muss man da nicht mehr in diese Richtung gehen?

Djuricin: Das machen wir eh. Spieler wie Schaub, Thurnwald, Wöber, Szanto, die kommen aus dem Nachwuchs. Wir sind eh dort, wo Nachwuchsspieler immer wieder zu Stammspielern werden. Wenn man aber international spielen will, ist das nicht genug. Man bekommt dann einen Topspieler wie Schaub. Der ist oder war international top bzw. hat das schon gezeigt. Aber man bekommt nicht jedes Jahr fünf Topspieler (Anm.: aus dem eigenen Nachwuchs) und dann muss man Transfers tätigen.

90minuten.at: Da wird Steffen Hofmann als Talentemanager wichtig.

Djuricin: Jeder schaut zu ihm auf, jeder hat ihn gern. Er muss jetzt auch den jungen Spielern was mitgeben.

90minuten.at: Noch einmal zur Philosophie: Wie viel gestandene, möglicherweise zugekaufte, Spieler braucht es bei Rapid, wie viele Eigengewächse? Da spielt ja auch die Wirtschaftlichkeit mit rein, denn Eigengewächse kann ich gewinnbringend veräußern.

Djuricin: Es gibt keine Rechnung, nach der prozentual so und so viele da sein müssen oder sollten. Das ist immer Jahrgangsabhängig. Es gibt Jahrgänge, da ist niemand dabei und es gibt solche, da sind gleich zwei dabei. Wenn wir jedes Jahr einen in die Kampfmannschaft kriegen und der in ein, zwei Jahren Stammspieler ist, haben wir schon viel erreicht.

90minuten.at: Wie viele Erfahrene braucht es am Feld?

Djuricin: Wenn man in jeder Linie einen gestanden Spieler zwischen 25 und 27 Jahren hat, ist das sicher leichter. Aber es muss nicht nur das Alter passen, sondern auch die Qualität und die Rolle, die er übernimmt. Wenn der 23 Jahre alt ist und coacht und sehr viele Spiel intus hat, kann er auch helfen wie ein 27-Jähriger.

90minuten.at: Wie intensiv müssen diese „G'standenen“ coachen? Es gibt verschiedene Meinungen, wie intensiv von der Seitenlinie aus während des Matches Anweisungen gegeben werden können.

Djuricin: Der Nebenmann hört dich zu hundert Prozent, den Trainer hörst du zu 80 Prozent nicht. Der Nebenmann kann, soll und muss coachen. Er coacht den Vordermann. Der Innenverteidiger wird den Stürmer nicht anschreien können, das wird nicht funktionieren. Es ist ganz wichtig. Ich sage immer, dass sich der rechte Verteidiger den rechten Mittelfeldspieler zurück holen muss. Man will ja nicht in Unterzahl stehen. Aber man kann nicht immer jedes Kommando hören. 80 Prozent kommen aber beim Spieler an.

90minuten.at: Wie nah am Matchplan sollen die Spieler sein? Ich höre heraus, dass die Kicker doch einiges an Eigenverantwortung tragen.

Djuricin: Ich kann ihnen nur Optionen geben oder einen Weg, wie wir es machen wollen. Wichtig ist, wie sie sich selber verhalten. Man kann nicht jede Spielsituation im Training simulieren, weil der Fußball so komplex ist. Man kann so angreifen, aber wenn der Gegner sich komplett anders verhält, dann stehen wir da und sehen, dass es nicht so geht, wie wir es geübt haben. Es werden Prinzipien geübt. Etwa Raumdeckung: Der nächste attackiert. Wenn es nicht so läuft und wir in Unterzahl sind, wissen wir, dass die Mitte geschlossen wird, der nächste attackiert, fallen lassen. Das muss die Mannschaft trainieren und umsetzen.

90minuten.at: Wie hoch muss die taktische Variabilität im Spiel selbst sein? Frauenteamchef Dominik Thalhammers Erfolgsteam kann zwischen bis zu vier Systemen switchen.

Djuricin: Der Spielverlauf ist wichtig. Ich kann ihnen vorgeben, dass wir die ersten 20 Minuten vorne attackieren. Ein gutes Beispiel aber war mein erstes Spiel gegen Altach. Wir wollten komplett weit vorne attackieren, aber Altach hat uns sehr weit hinein rein gedrückt. Es wurde nicht nach Plan gearbeitet, das war nicht beabsichtigt – trotzdem haben wir 3:0 gewonnen. Oft funktioniert der Spielplan nicht und man gewinnt, umgekehrt hält man sich manchmal gar nicht an den Spielplan, es passieren typische Fehler und man verliert. Das ist das Komplexe am Fußball.

90minuten.at: Gewisse Dinge – wo attackiere ich, wie mache ich die Angriffe – das müssen die Spieler irgendwann selber können?

Djuricin: Nach genug Spielen. Deswegen ist mir die Besprechung so wichtig. Nicht alle verstehen alles gleich.

90minuten.at: Defensive sehr durchstrukturiert, in der Offensive lassen Sie viele Freiheiten, 50 Prozent sagten sie. Muss man da mehr über die Offensive sprechen mit der Mannschaft?

Djuricin: Die 50 Prozent sind ja ungefähr. Ich kann die ganze Woche Flügelspiel trainieren, dann spielt der Gegner überraschenderweise mit einer Fünferkette und doppelt die Flügel. Wenn ich dann nach den Vorschriften gehe, renne ich mit dem Kopf durch die Wand. Darum sage ich: Aufpassen mit den Vorgaben. Noch einmal: So leicht ist Fußball nicht. Ich rede da ja von den letzten 40 Metern.

90minuten.at: Können Sie das schnell adaptieren?

Djuricin: Ich schaffe das ab und zu. Das hatten wir noch nicht so oft. Es ist ja das Schwierige oder Gute am Fußball, wenn man etwas im Spiel ändern kann. Wenn man das kann, hat man ein hohes Niveau. Dort will ich hin.

 

Wir danken für das Gespräch!

 

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