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Gilbert Prilasnig: „Es geht nicht darum, dass wir Weltmeister werden“

Den Homeless World Cup gibt es bereits seit 2003, er hat seinen Ursprung in Graz. Seit 2004 ist Ex-Fußballprofi Gilbert Prilasnig Teamchef der österreichischen Auswahl. Heuer geht es nach Oslo. Im Vorfeld des Turniers stand Prilasnig 90minuten.at Rede und Antwort. Das Gespräch führte Stefan Berndl.

Interview Gilbert Prilasnig: Seite 1Seite 2 - Seite 3

 

90minuten.at:  Die Spieler dürfen lediglich einmal am World Cup teilnehmen, es gibt also jedes Jahr ein neues Team. Wie schwer ist es, wenn man jedes Jahr aufs Neue ein funktionierendes Team formen muss?

Prilasnig: Das ist eigentlich die Herausforderung. Und das ist auch das Schöne, dass ich jedes Jahr versuchen muss, eine neue Mannschaft zu formen. Was ja auch im realen Trainerleben fast zum täglichen Brot gehört, weil die Trainer ja sehr schnell ihren Job verlieren und dann wieder wo anders beginnen. Auch das bereitet mich gut auf eine spätere Trainerkarriere vor. Es ist eine gewisse Herausforderung, man muss oft bei null anfangen. Aber ich denke, dass mich das auch in meiner Trainerarbeit weiterbringt.

Gilbert Prilasnig mit Torwart Khaled Saleh, Kapitän Patrick Bayer und Dietger Frank bei der Verabschiedung des Teams.

90minuten.at: Worauf legen Sie dann im Umgang und bei der Arbeit mit den Spielern besonderen Wert?

Prilasnig: Unser Schwerpunkt liegt, auch schon bei der Auswahl, darauf, dass wir sie darauf vorbereiten, dass wir in Oslo zehn Tage zusammen sein werden und das auf engstem Raum. Weil das natur- und auch erfahrungsgemäß viele Spannungen in der Gruppe mit sich bringt. Und jedes Jahr, wenn in der Zwischenrunde die ersten schmerzhaften Niederlagen gekommen sind, wo dann klar war, dass wir wieder nicht Weltmeister werden. Dann hat es begonnen mit gegenseitigen Schuldzuweisungen, dann sind die Spannungen richtig an die Oberfläche gekommen. Und da bauen wir schon seit vielen Jahren vor. Es geht nicht darum, dass wir Weltmeister werden. Wir haben keine Siegesprämie. Natürlich wollen wir gewinnen. Aber es ist fast nicht mehr realistisch, auch wie sich der Homeless World Cup sportlich entwickelt hat. Da gibt es Nationen, die haben ganz andere Ressourcen an Spielern, die wir hier in Österreich - aufgrund unseres Lebensstandards - zum Glück nicht haben. Daher liegt der Schwerpunkt ganz klar darauf, dass wir beim Homeless World Cup eine schöne Zeit in der Gruppe erleben wollen. Unabhängig davon, wie die Ergebnisse sein werden. Und das ist keine einfache Arbeit, das zu vermitteln (lacht). 

 

90minuten.at: Im Kader finden sich vor allem Spieler aus Wien, Niederösterreich und der Steiermark. War es eine bewusste Entscheidung, sich auf den Osten Österreichs zu beschränken?

Prilasnig: Theoretisch ist es überhaupt nicht auf den östlichen Raum beschränkt, praktisch aber sehr wohl. Wir hatten erst zweimal jeweils einen Spieler aus Vorarlberg im Team. Einmal 2008, in Melbourne. Und 2009 in Mailand. Wir hatten auch schon vor vielen Jahren einmal ein Sichtungstraining in Innsbruck veranstaltet. Aber gerade der Kontakt zum Westen - auch vielleicht aufgrund der Entfernung - der klappt nicht richtig. Aber das langfristige Ziel des Projekts "Goal" ist auch, die sozialen Einrichtungen in ganz Österreich zu vernetzen. Nicht nur im Osten, was ja schon gut gelungen ist, sondern auch bis in den Westen.

"Vereinzelte Krisen, das gehört eigentlich zum täglichen Brot beim Homeless World Cup und kommt ab Mitte der Woche wie das Amen im Gebet." - Gilbert Prilasnig

90minuten.at: Wie häufig haben Sie Kontakt mit der Mannschaft, wie oft wird trainiert?

Prilasnig: Wir haben ein Sichtungstraining in Wien, eines in Graz. Wo alle aus dem Osten kommen, die sich dafür interessieren. Der Westen ist da wie gesagt noch nicht so integriert, wie wir uns das wünschen würden. Dann gibt es ein Trainingslager und ein bis zwei Vorbereitungsturniere. Und dann ist auch schon der Homeless World Cup. Das sind dann etwa sieben Trainingstage und vier Turniertage. Das ist die Vorbereitung. Und der Homeless World Cup dauert acht Tage.

 

90minuten.at: Seit kurzem ist auch eine Mentalbetreuerin mit an Bord. Welche Rolle spielt der mentale Aspekt?

Prilasnig: Das war für uns ein Glücksfall, dass sich kürzlich eine Mentalbetreuerin bei uns gemeldet hat und bei uns mitarbeiten wollte. Weil sie das Projekt interessiert, da wir dafür ja keine finanziellen Ressourcen zur Verfügung haben. Der Großteil der Arbeit, auch meine, passiert ehrenamtlich. Das ist ja nicht nur bei uns, sondern auch im Profifußball ist das bereits angekommen, dass der mentale Aspekt eine sehr wichtige Rolle einnimmt. Beim Homeless World Cup ist das ein echter Glücksfall für uns, weil die größte Herausforderung darin besteht, die Spieler nach dem Turnier noch nachzubetreuen. Denn nicht in jeder Einrichtung ist die Betreuung so intensiv gewährleistet, wie das vielleicht für einzelne Spieler nach dem Turnier nötig wäre. Nach dem Homeless World Cup kann oft ein emotionales Tief entstehen, vor allem bei den Teilnehmern. Und da können wir jetzt auf unsere Mentalbetreuerin zurückgreifen. 

 

Teambesprechung beim Vorbereitungsturnier in Polen.

90minuten.at: Wie oft kam es wirklich schon vor, dass ein Spieler während eines Turniers eine Krise durchmachte?

Prilasnig: Das kommt laufend vor, vor allem bei den anderen Teams. Da habe ich das schon öfter erlebt. Wir persönlich hatten natürlich schon kleinere Krisen, aber in meinen 14 Jahren war bei uns noch nichts dabei, was extreme Auswirkungen gehabt hätte. Aber so vereinzelte Krisen, das gehört eigentlich zum täglichen Brot beim Homeless World Cup und kommt ab Mitte der Woche wie das Amen im Gebet.

 

90minuten.at: Sie haben Betreuung der Spieler nach dem Turnier bereits angesprochen. Wie viel bekommen Sie selbst von den ehemaligen Spielern mit, wie es denen ergeht?

Prilasnig: Meine Aufgabe ist eigentlich nach dem Homeless World Cup zu Ende und die Spieler werden dann in erster Linie von dem Projekt "Goal" weiter betreut. Die Spielnachbetreuung leistet da in erster Linie Thomas Jäger. Er bleibt mit den Einrichtungen, in die die Spieler dann wieder zurückkehren, und auch den Betreuern dort in Kontakt. 

 

90minuten.at: Der Kader wurde erst kürzlich von 14 auf acht Spieler reduziert. Wie ist es für jene Spieler, die kurz vor dem Turnier dann doch nicht mitfahren können?

Prilasnig: Es ist meistens so, dass dieser Aussiebungsprozess ein sehr natürlicher ist. Weil etwa gewisse persönliche Geschichten dazu führen, dass ein einzelner Spieler nicht teilnehmen kann. Vielleicht bekommt er einen Job, macht eine Ausbildung, hat doch keine Lust. Dieses Jahr war es auch so, dass die Aussiebung nicht von mir vorgenommen wurde, sondern auf natürliche Art und Weise passierte.

 

>>> Seite 3 - Gilbert Prilasnig: "Ich glaube, dass ich im Trainer-Geschäft jetzt schon einiges gelernt und verstanden habe."

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