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Wilfried Schmaus: „Wir spielen in der Bedeutungslosigkeit des Zuschauerinteresses“

Die Frauen des SKN St. Pölten haben Neulengbach längst den Rang abgelaufen. Präsident Wilfried Schmaus äußert sich im Interview mit 90minuten.at über den Frauenfußball in Österreich und warum ein starker Verein im Rücken nicht automatisch Erfolg garantiert. Von Stefan Berndl.

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90minuten.at: Täuschen somit die Erfolge der Nationalmannschaft über die vorhandenen Probleme hinweg?

Wilfried Schmaus: Ich würde sagen, der Erfolg verdunkelt ziemlich alles, was hinter dem Nationalteam notwendig wäre. Wir haben 14 Spielerinnen, die im Ausland, vor allem in Deutschland, spielen. Dann gibt es noch einige, wenige Spielerinnen aus Österreich. Von den drei Torfrauen sind zwei aus Österreich. Von den Feldspielerinnen sind ab Sommer hingegen fast nur mehr welche von uns. Alles andere sind Legionärinnen. Im Sommer geht wieder eine junge Spielerin von uns. Wenn es das Ziel des Frauenzentrums ist, unseren Nachwuchs für die deutsche Liga auszubilden, haben wir den Zwischenschritt in der österreichischen Liga nicht ganz im Griff.

 

90minuten.at: Ist uns da Deutschland so weit voraus?

Wilfried Schmaus: Das, was ich möglicherweise den anderen Vereinen als St. Pölten an Spielerinnen wegnehme, ist bei uns eben Turbine Potsdam, oder ein anderer deutscher Verein. Dort kann sie sich weiterentwickeln und besser werden. Wegen dem Geld gehen die nicht nach Deutschland, sondern wirklich um Fußball zu spielen. Da kann man nicht sagen, es lockt das Geld.

 

90minuten.at: Neulengbach hatte zuletzt große Probleme, stand laut eigener Aussage kurz vor dem Ende. Der ehemalige Sportliche Leiter, Alexander Achterberg, erhob auch Vorwürfe gegen St. Pölten. Wie beurteilen Sie die Lage beim Konkurrenten?

Wilfried Schmaus: Sie waren zwölf Jahre hintereinander Meister, zehn Jahre Cupsieger. Die Entwicklung des Frauenfußballs hat sich vielleicht etwas verändert, sie waren in den zwölf Jahren fast konkurrenzlos. Aus welchen Gründen auch immer. Ob es aus finanziellen Gründen war, oder weil sie den Status als Ligaprimus hatten. Diesen Wandel wird vielleicht irgendwer ein wenig übersehen haben. Was ist denn der Reiz für eine Spielerin? Nehmen wir das Beispiel Dominika Skorvankova: Sie ist jetzt von Sand zu Bayern gewechselt. Vor ein paar Jahren kam sie von Bratislava nach Neulengbach. Ich hatte zur selben Zeit Kontakt mit ihr. Ihre Begründung, wieso sie nach Neulengbach kam: Weil sie dort Champions League spielen kann. Dieses Goody, sich international duellieren zu können, hat jetzt einerseits St. Pölten und seit vorigem Jahr Sturm Graz. Und damit tut man sich leichter, wenn man Spielerinnen anspricht. Dieses Goody ist in Neulengbach weggefallen.

"Neulengbach ist nicht so schlecht, wie sie alle darstellen." - Wilfried Schmaus über den Ligakonkurrenten

90minuten.at: Sind die Probleme von Neulengbach nicht im Grunde für die ganze Liga negativ? Wenn ein weiterer Konkurrent möglicherweise wegfällt?

Wilfried Schmaus: In den letzten zwei Jahre war ohnehin bereits Sturm Graz Zweiter. Vielleicht kommt jetzt dafür Landhaus. Wobei Neulengbach noch immer nicht so schlecht ist, wie sie alle darstellen. Das ärgert mich immer: Sie haben im Frühjahr schon Schwierigkeiten gehabt, mit zwei Teams zu spielen, weil so viele Spielerinnen weggegangen sind. Und da muss ich auch eines klarstellen: Wir haben keine Spielerin zwangsverpflichtet. Sie sind in freier Vereinbarung zu uns gekommen. Wir trainieren zum Beispiel sechs Mal in der Woche. Wir spielen in der Champions League. Das sind schon Sachen, die die Spielerinnen interessieren. Und wir spielen etwa heuer auch in der Vorbereitung gegen die Meister aus Deutschland, Tschechien, Slowakei und Ungarn.

 

90minuten.at: Wie beurteilen Sie die Entwicklung in den unteren Ligen, wo viele Vereine Jahr für Jahr den Betrieb einstellen?

Wilfried Schmaus: Ich bin 2008 zu diesem Projekt gekommen in Spratzern. Da hatten wir ein Team mit 15, 16 Spielerinnen und sind gerade in die Landesliga aufgestiegen. Meine erste Forderung war, dass wir zwei Teams brauchen. Wir müssen mit zwei Teams spielen, weil immer jemand ausfällt. Und dann steht man plötzlich mit acht, neun Leuten da. Mit einem zweiten Team kann man sich zumindest bis zur nächsten Transferzeit retten. Und wenn dann die falschen drei, vier Spielerinnen auf Wiedersehen sagen, dann lösen sich die Vereine auf. Das ist leider der Frauenfußball. Ich weiß nicht, wie man es lösen kann.  In Niederösterreich ist es eh noch positiver. Da wird jetzt versucht, dass in jedem LAZ zumindest drei Mädchen Fußball spielen sollen.

90minuten.at: Welche Rolle spielt ein Bundesliga-Herrenverein im Rücken, der die nötigen Strukturen bietet?

Wilfried Schmaus: Es kommt immer darauf an, wie der Bereich Männer den Frauenfußball unterstützt, ihn begleitet und ihm hilft. Da spielt auch immer die Philosophie des Vereins eine Rolle. Die Austria bemüht sich jetzt etwa stärker bei Landhaus. Aber klar: Ab dem Zeitpunkt, wo man professionelle Unterstützung bekommt, tut man sich logischerweise in vielen Bereichen leichter. Bei uns geht es um die Infrastruktur. Da wird die Frauenmannschaft im Konzept des Vereins mitgedacht. Das ist natürlich schon angenehm. Wir waren auch bei der Ausschreibung des neuen Ausrüsters ein Teil des Vertrags. Das wird auch vom Verein mittlerweile anerkannt und genutzt. 

 

90minuten.at: Ein starker Verein im Rücken ist also keine Garantie dafür, dass das Team Erfolg hat?

Wilfried Schmaus: Wenn ich vom Mutterverein keinen Euro bekomme, werde ich mich nicht weiterentwickeln können. Nur, weil man ein Frauenteam hat, heißt das nicht, dass man auch die Qualität hat. Wenn ich aber sage, man muss vom geplanten Budget einen gewissen Prozentanteil nachweislich in den Frauenfußball investieren, dann ist das etwas anderes. Nur das Lippenbekenntnis alleine wird aber nicht reichen.  

 

Vielen Dank für das Gespräch!