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Gerhard Polsterer: „Jeder Bundesligaverein braucht eine Frauenmannschaft“

Als Vorsitzender des Frauenfußballausschusses in Niederösterreich weiß Gerhard Polsterer um die Probleme im heimischen Frauenfußball. Im Interview mit 90minuten.at spricht er über die größten Herausforderungen und nötige Maßnahmen. Von Stefan Berndl.

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90minuten.at: Viktoria Schnaderbeck meinte bei uns im Interview, dass in Österreich die Liga zu unausgeglichen ist und zu wenig Konkurrenz da ist. Dass deshalb viele ins Ausland gehen. Wie kann man da als Verband entgegenwirken?

Gerhard Polsterer: Ein einfaches Statement: Jeder Bundesligaverein braucht eine Frauenmannschaft. Mehr brauche ich dazu nicht sagen. Wenn wir das schaffen, dass jeder Bundesligaverein mit einer Frauenmannschaft ausgestattet wird, haben wir in ein paar Jahren die selbe Qualität. Wir werden zwar in der Breite ein wenig verlieren, weil sich die Bundesligavereine natürlich die qualitativ besten Spielerinnen holen, aber das soll ja der Sinn und Zweck sein. Dann haben wir auch die Problematik von den Spielstätten nicht mehr, oder von extrem starken Schwankungen. Und wenn wir diesen Stellenwert ein wenig erhöhen und wenn jedes Bundesligateam eine Frauenmannschaft hat, dann wird auch die Qualität im österreichischen Frauenfußball deutlich höher.

90minuten.at: Haben es dann nicht kleinere Vereine noch schwerer, eine Frauenmannschaft zu betreiben?

Gerhard Polsterer: Ja, vielleicht, weil die besten Spielerinnen weggenommen werden. Aber man muss einmal überlegen, dass der Kader irgendwann einmal voll ist. Die Qualität steigert sich, aber mehr wie 30 Spielerinnen können die Top-Vereine auch nicht haben. Und die anderen Spielerinnen bleiben ja in der Breite. Wenn ich nicht schaue, dass ich im Unterbau eine Mädchenmannschaft habe, wie bei den Burschen, dann funktioniert es ohnehin nicht.

 

90minuten.at: Für den Nachwuchs gibt auch die Leistungszentren. Da wurde erst ein neues Modell präsentiert Wie sieht dieses aus?

Gerhard Polsterer: Die Ausbildungszentren des Landesverbands, die derzeit betrieben werden, werden komplett umgestellt. Die Breite wird größer, die Spitze schmäler. Wir reduzieren die Hauptkader. Jetzt gibt es nur mehr sechs. Früher hatten wir zwölf. Aber dafür steigert sich die Anzahl der Vorkader. Was für die Mädchen und Frauen ganz wichtig ist, ist die Grundvoraussetzung, dass in jedem Hauptkader mindestens drei Mädchen spielen müssen. Das muss das Ziel sein. Somit haben wir, bei sechs Hauptkadern, 18 Spielerinnen. Ob das heuer schon funktionieren wird, weiß ich nicht. Nächstes Jahr müsste es dann funktionieren. In den Vorkadern müssen sie dann schauen, dass sie genügend Mädchen haben.

 

90minuten.at: Inwieweit hat sich die Anzahl der Spielerinnen in Niederösterreich in den letzten Jahren verändert?

Gerhard Polsterer: In den letzten Jahren sind sie schon angestiegen, aber ich glaube wir sind jetzt an einem Punkt, wo wir ein wenig stehen bleiben.

"Wenn ich schon eine Frauenmannschaft habe, dann muss ich die hegen und pflegen. Wenn man sie nur nebenbei herlaufen lässt, darf man sich nicht wundern." - Gerhard Polsterer

90minuten.at: Bedingt durch die vielen Mannschaftsauflösungen?

Gerhard Polsterer: Genau. Es ist das Problem, dass manche Spielerinnen in ein gewisses Alter kommen und dann aufhören. Und was ich schon bemerke: Alte Frauenmannschaften gibt es fast nicht mehr. Heute bestehen die Teams aus Spielerinnen zwischen 15 und 25 Jahren. Viel älter ist fast keine Spielerin mehr. Das sind dann fast nur mehr die Stammspielerinnen, die schon länger beim Verein sind.

 

90minuten.at: Wie schon angesprochen sind es künftig neun Vereine weniger. Inwieweit ist das ein Alarmsignal?

Gerhard Polsterer: Natürlich bereitet das Sorgen, das ist ganz klar. Es sind ja zum Teil renommierte Vereine. Etwa Neulengbach 1b. Oder Hollabrunn und Furth, die beide eigentlich Stammvereine in der Landesliga waren. Aber da sind wir wieder da, was ich vorher gesagt habe: Wenn ich nicht zeitgerecht auf den Nachwuchs schaue, werde ich Probleme bekommen. Bei Hollabrunn habe ich es ohnehin nicht verstanden, weil die das HOFF (Anmerkung; Hollabrunner Oberstufen Frauen-Fußball) gleich daneben haben, wo Spielerinnen ausgebildet werden. Da hat die Kommunikation zwischen HOFF und Verein nicht funktioniert. Das Endergebnis sieht man. Die Vereine müssen sich auch selbst bei der Nase nehmen. Aber nicht nur die Funktionäre, die mit den Mädchen arbeiten. Das sind eh meistens Enthusiasten und Einzelkämpfer. Sondern die Vereine selbst. Wenn ich schon eine Frauenmannschaft habe, dann muss ich die hegen und pflegen. Wenn man sie nur nebenbei herlaufen lässt, darf man sich nicht wundern.

"Es wäre anzudenken und wichtig, wenn die ÖFB Frauenliga und die zweite Liga eigenständig geführt werden würden." - Gerhard Polsterer

90minuten.at: Wie beurteilen Sie die aktuelle Entwicklung bei Neulengbach und St. Pölten?

Gerhard Polsterer: Ich kann St. Pölten in gewisser Weise verstehen. Wenn sie so weitermachen werden sie aber bald konkurrenzlos dastehen. Ob das dann noch so Spaß macht, weiß ich nicht.

 

90minuten.at: Bei Neulengbach war das ja im Prinzip die Jahre zuvor nichts Anderes.

Ja, da brauchen wir nicht weit zurückdenken, das war damals nicht anders. Man darf ihnen aber auch keinen Vorwurf machen. Wenn das Geld da ist, wäre man ja blöd, es nicht zu nutzen. Jetzt merken sie es, jetzt sind die Geldmittel weg.

 

90minuten.at: Was könnte der ÖFB – abgesehen von einem Hauptsponsor für die Liga – noch machen, um dem Frauenfußball zu helfen?

Gerhard Polsterer: Es wäre anzudenken und wichtig, wenn die ÖFB Frauenliga und die zweite Liga eigenständig geführt werden würden. Die müssten mitreden können. Das wäre auch ein Ziel. Diese Europameisterschaft ist ja ein Riesenfortschritt, aber warten wir, was nach der Euro passiert. Ob der Frauenfußball dann wieder in der Versenkung verschwindet wie vorher. Oder ob sich die Medien dann weiterhin dafür interessieren. Ich war ja total überrascht, wie wir plötzlich in den Zeitungen einen Seitenbericht über Frauenfußball hatten. Das gab es ja vorher nicht wirklich. Natürlich wird es nachlassen. Diesen Boom, den wir derzeit haben, das wird natürlich nicht mehr sein. Aber vielleicht besteht die Möglichkeit, dass Teamspiele weiter übertragen werden. Vielleicht finden sich auch Sponsoren, die sagen, wir springen auf den Zug auf.

 

90minuten.at: Ist die Chance im Moment so groß wie selten zuvor, die Probleme im heimischen Frauenfußball anzugehen?

Ja, genau. Jetzt müssen wir das schnappen und diesen Hype, den das Nationalteam auslöst, positiv für den Frauenfußball nutzen. Jetzt müssen wir die Firmen anbohren, Medienberichterstattung bekommen und mehr.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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