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Thomas Wirnsberger: „Viele hätten am liebsten gesehen, dass wir zugesperrt hätten“

Thomas Wirnsberger ist seit einem Jahr Obmann in Neulengbach, seit wenigen Wochen auch für die Frauen zuständig. Im Interview mit 90minuten.at äußert er sich zum Beinahe-Ende des Frauenteams und den Problemen im heimischen Frauenfußball. Von Stefan Berndl.

Interview Thomas Wirnsberger: Seite 1Seite 2

 

90minuten.at: In Niederösterreich sind es künftig neun Vereine weniger. Jedes Jahr gibt es einige Teams, die den Betrieb einstellen müssen. Wie beurteilen Sie das?

Thomas Wirnsberger: In der Landesliga ist das ja ein Wahnsinn, was da für Fahrtwege sind. Dieses Geld muss man ja auch erst einmal aufstellen. Und so viele „Wahnsinnige“ gibt es leider auch nicht mehr, die sich diese Arbeit antun. Vor allem, wenn man dann Geld auch noch reinstecken muss. Die meisten machen das unentgeltlich. Bei den Herren wundert es mich, wenn viele Funktionäre jammern, dass keine Kohle da ist und dann muss man sich nur anschauen, was die Spieler zum Teil kassieren. Das verstehe ich dann nicht.

90minuten.at: Bei den Herren verdienen ja auch zum Teil Spieler in einer zweiten oder dritten Klasse mehr, als die Frauen in der Bundesliga.

Thomas Wirnsberger: Das ist ein Wahnsinn. Das ist traurig, aber wahr. Und das verstehe ich nicht. Da gehört auch mal ein Riegel vorgeschoben. Das ist aber schwer. Es kann ja jeder über den Frauenfußball denken, wie er will. Aber viele Vereine bei den Herren wären froh, wenn ihre Kicker dieses technische und taktische Können hätten. Man benötigt die Frauenbundesliga, denn wo haben denn die meisten Legionärinnen ihre Wurzeln? Beziehungsweise wozu gibt es dann die Akademien und LAZs?.

 

90minuten.at: Wie schwer ist es, für den Frauenfußball Sponsoren zu finden?

Thomas Wirnsberger: Es ist sehr, sehr schwierig. Ich bin eh ein Jahr schon gelaufen, aber mit Gewalt geht auch nichts. Und die Summen, um den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten, sind schon ein Wahnsinn und fast unmöglich. Man darf aber nicht aufgeben. Wir hatten jetzt dieses Glück, einen Sponsor zu finden. Glück kommt aber nicht von alleine, man muss sich einfach Ziele setzen und daran glauben. Wenn es gut läuft, hat man natürlich hunderte Helfer und Schulterklopfer. Als das dann zusammengebrochen ist, haben sehr viele schon Neulengbach abgeschrieben. Viele hätten wohl am liebsten gesehen, dass wir zugesperrt hätten. Das hat mich aber noch zusätzlich motiviert.

"Sie sind schon überlegener, haben die Individualistinnen, die ein Spiel entscheiden können." - Thomas Wirnsberger über den Rivalen St. Pölten

90minuten.at: War der Verein damals auf den Ausstieg des Hauptsponsors nicht vorbereitet?

Thomas Wirnsberger: Für mich ist es schwer, das zu kommentieren. Es hat halt damals alles zusammengepasst. Wenn alles weg ist, bricht das auseinander. St. Pölten hat jetzt mit Simacek natürlich nicht irgendwen als Sponsor. Aber wenn man sich das letzte Cupfinale anschaut: Das endete 0:5. Aber wenn man das gesehen hat, ist das viel zu hoch gewesen. Sie sind schon überlegener, haben die Individualistinnen, die ein Spiel entscheiden können. Aber wenn wir ein Tor geschossen hätten, hätte es ganz anders laufen können. Und wenn wir den Cup gewonnen hätten, würde das Bild wieder anders ausschauen. Dann haben wir erneut die Champions League nicht geschafft, das ist dann natürlich auch eine finanzielle Frage. Weiter runter geht es fast nicht mehr.

 

90minuten.at: Inwiefern haben Sie den Frauenfußball in Österreich und dessen Entwicklung in den letzten Jahren mitverfolgt?

Thomas Wirnsberger: Nicht wirklich.  Ich bin erst vor einem Jahr zum Frauenfußball gekommen. Davor war das war für mich nicht wirklich auf dem Schirm. Das habe ich erst das letzte Jahr mitverfolgt. Es ist aber super, dass sie bei der Europameisterschaft sind. Diesen Hype muss man nun mitnehmen.

"Es kann nicht sein, dass bei den Herren solch große Beträge fließen, während die Frauen nicht mal einen Sponsor haben." - Thomas Wirnsberger

90minuten.at: Merkt man von diesem Hype in der Praxis etwas?

Thomas Wirnsberger: Nein, aktuell noch nicht. Da habe ich noch nicht so viel wahrgenommen. Wir haben aber jetzt schon eine Euphorie im Verein. Die hängt zwar nicht mit der EM zusammen, aber wir wollen die mediale Präsenz natürlich auch mitnehmen. Es ist ja nicht die Welt, was die Vereine wollen. Etwa, dass mehr Unterstützung da ist. Das sind oft einfach nur Lippenbekenntnisse, es wird gerne ausgewichen. Und wenn schon die Bundesliga nicht unterstützt wird, wie schaut es dann erst in den Ligen darunter aus. Es kann nicht sein, dass bei den Herren solch große Beträge fließen, während die Frauen nicht mal einen Sponsor haben.

 

90minuten.at: Inwiefern ist dann jetzt die große Chance mit der EM-Teilnahme etwas zu bewegen?

Thomas Wirnsberger: Geld ist ja nicht alles, aber man braucht halt ein wenig Taschengeld. Ich muss nicht reich sein, aber man muss Grundbedürfnisse erfüllen. Beim Fußball ist es das selbe. Die Infrastruktur rundherum kostet ja schon genug Geld. Eine Fahrt nach Vorarlberg mit dem Bus kostet etwa rund 1.800 Euro. Dann muss man noch dort übernachten, etwas essen. Und man ist insgesamt zwei Tage unterwegs. Mit 4.000 Euro kommt man da wohl nicht durch. Aber da schläft man ohnehin schon in Jugendherbergen. Die Mädchen sind da eh sehr genügsam. Das sind alles Kosten, die man erst aufstellen muss. Und da hat man gerade erst den Spielbetrieb.

 

Vielen Dank für das Gespräch!