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Gerhard Polsterer: "Jeder Bundesligaverein braucht eine Frauenmannschaft"

Als Vorsitzender des Frauenfußballausschusses in Niederösterreich weiß Gerhard Polsterer um die Probleme im heimischen Frauenfußball. Im Interview mit 90minuten.at spricht er über die größten Herausforderungen und nötige Maßnahmen. Von Stefan Berndl.

Interview Gerhard Polsterer:  Seite 1 - Seite 2

 

 

90minuten.at: Welchen Stellenwert hat der Frauenfußball beim niederösterreichischen Verband?

Gerhard Polsterer: Der Stellenwert wird immer besser. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren, Jahrzehnten ist der Stellenwert aktuell sehr hoch. Im Verband sowieso, da werden wir alle akzeptiert.

 

90minuten.at: Dennoch gibt es viele Probleme und Herausforderungen. Kommende Saison werden etwa neun Vereine weniger in Niederösterreich aktiv sein. Statt 77 sind es nur noch 69. Viele Teams kämpfen mit Personalproblemen. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?

Gerhard Polsterer: Diese Entwicklung ist natürlich da. Das Problem ist, dass viele nicht schon zeitgerecht schauen, dass ein eigener Nachwuchs vorhanden ist. Bis jetzt ist es Vereinen immer so gegangen, dass junge Mädchen aus den Jugendhauptgruppen geholt wurden oder man hatte einen Stamm von 16, 17 Mädchen. Die kommen aber irgendwann in ein Alter, wo sie nicht mehr spielen. Was bei den Frauen früher ist als bei den Männern. Dann stehen viele Vereine plötzlich da und müssen sich auflösen. Das ist im Herrenbereich nicht so, da kommt ja laufend etwas nach. Wir sind jetzt daran, dass wir den Vereinen klarmachen müssen, dass es ohne eigenen Nachwuchs nicht geht. Das ist ein Ziel bis 2020, dass jeder Verein mit einer Frauenmannschaft auch eine eigene Mädchenmannschaft hat. Ob das Ziel durchführbar ist, wird man sehen, aber man muss einmal irgendwo anfangen.

"Es bedarf sehr viel Überzeugungsarbeit bei den Funktionären, dass die Frauen einen Stellenwert bekommen, der ansatzweise ähnlich ist, wie jener der Männer." - Gerhard Polsterer

90minuten.at: Welche Rolle spielt der finanzielle Aspekt? Was etwa die Sponsoren anbelangt.

Gerhard Polsterer: Nehmen wir das Beispiel Neulengbach: Die waren jahrelang die Vorreiter in der ÖFB-Liga. Dann kommt mit St. Pölten ein zweiter Verein, der finanziell gut gestellt ist. Ich verstehe, dass die Spielerinnen, die dort mehr bekommen, dort hingehen. Das ist ja bei den Herren dasselbe.

 

90minuten.at: Dazu kommt noch die sportliche Herausforderung. Daher suchen ja auch viele Frauen den Weg ins Ausland.

Gerhard Polsterer: Das ist ja auch verständlich. Natürlich muss das Ziel jeder Spielerin sein, ins Ausland zu gehen. Bei den Männern ist es dasselbe. Jeder der die Lunte riecht, geht dorthin. Man braucht sich ja nur das Nationalteam anschauen. Da sind zwei Drittel Legionärinnen. Das zeigt natürlich auch den Stellenwert des österreichischen Fußballs. Wenn so viele im Ausland spielen, dann fehlt bei uns noch etwas die Qualität.

 

90minuten.at: Und bei den Männern wird ja zum Teil in einer zweiten, dritten Klasse mehr verdient, als bei den Frauen in der Bundesliga.

Gerhard Polsterer: Nicht teilweise, immer. Man darf eines nicht vergessen: Es zählt für einen Verein immer nur die Herrenmannschaft. Man kann mit Funktionären reden, wie man will, die Männer sind das Wichtigste. Die Frauenmannschaften zählen für sie nichts. Es bedarf sehr viel Überzeugungsarbeit bei den Funktionären, dass die Frauen einen Stellenwert bekommen, der ansatzweise ähnlich ist, wie jener der Männer. Ich hoffe, dass die Europameisterschaft da ein Umdenken auslösen kann. Bei den Funktionären der Vereine. Dort ist das ganz wichtig. Wenn man eine Gleichstellung von Kampfmannschaft Herren und Frauen im Verein hat, dann hat man gewonnen. Aber wenn man noch die Reserve und den Nachwuchs vorzieht, dann sieht man, welchen Aufholbedarf wir noch haben. Und vom Finanziellen brauchen wir erst gar nicht zu reden. Es gehen ja nicht umsonst so viele nach Deutschland.

"Wenn der ÖFB nicht in das Dilemma kommen will, dass man in der Bundesliga keine Teams mehr hat, muss er sich etwas einfallen lassen." - Gerhard Polsterer

90minuten: Dort sind auch die Strukturen deutlich professioneller.

Gerhard Polsterer: Ja, natürlich. Man braucht sich nur anzuschauen, wie viele Bundesligavereine in Deutschland ein Frauenteam haben und wie viele in Österreich. Außer Wacker Innsbruck und Sturm Graz gibt es keine Frauenmannschaft, die in den Verein integriert ist. St. Pölten ist ja ein eigener Verein.

 

90minuten.ar: Nun gibt es auch die Forderung an den ÖFB, dass man für die Bundesliga einen zentralen Hauptsponsor einrichtet. Was halten Sie davon?

Gerhard Polsterer: Ohne wird es nicht mehr gehen. Denn man darf nicht vergessen, welche Aufwendungen die Mannschaften haben. Die fahren nach Tirol, nach Kärnten. Das muss ja der Verein aufbringen. Man sieht es auch bei Neulengbach. Wenn die Erfolge ausbleiben, bleibt auch das Geld aus. Das ist nun mal so. Wenn der ÖFB nicht in das Dilemma kommen will, dass man in der Bundesliga keine Teams mehr hat, muss er sich etwas einfallen lassen. Ich glaube, dass es ohne einen zentralen Hauptsponsor nicht gehen wird.

 

90minuten.at: Was kann der niederösterreichische Verband tun, um das zu erreichen?

Gerhard Polsterer: Wir können bei unseren Sitzungen in der Frauenkommission sehr wohl immer darauf hinweisen und das machen wir eh. Was ich so mitbekomme, ist der ÖFB nicht abgeneigt. Man muss nur schauen, wo das Geld herkommt. Das muss beim ÖFB in den Gremien dann bearbeitet werden.

 

90minuten.at: Inwiefern haben Sie in den letzten Monaten, durch die Erfolge der Frauen-Nationalmannschaft, einen Aufschwung gemerkt?

Gerhard Polsterer: Ich glaube, seitdem es im ORF diese Einschaltungen und Berichte gibt, dass die Aufmerksamkeit um einiges gesteigert worden ist. Jetzt wird es so intensiv beworben, dass man gar nicht darüber hinwegschauen kann. Wenn wir bei der Europameisterschaft halbwegs gut abschneiden und vielleicht sogar die Gruppenphase überstehen, kann das ein enormer Boom werden. Und man merkt schon, dass von den Medien auch Interesse da ist, wenn etwa eine Viktoria Schnaderbeck bei Willkommen Österreich sitzt.

 

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