Zu wenige junge Österreicher? Daran liegt's, sagen Spielerberater
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Zu wenige junge Österreicher? Daran liegt's, sagen Spielerberater

Im Bergwerk zeigte der Vogel an, wie viel Luft es noch zum Atmen gibt. Im Fußball sind es die Spielerberater, die schon etwas vor allen anderen wissen, was los ist.

"Wir verkaufen für Summen wie noch nie zuvor, aber international sind wir so schlecht wie lange nicht mehr. Woran liegt das?", diese Frage stellen sich viele im heimischen Fußball.

Ein Grund mag sein, dass der moderne Fußball dazu führt, dass die besten rot-weiß-roten Talente schon früh zu Topklubs wechseln. Den nächsten Schwall sammelt Red Bull Salzburg zusammen, dann folgt der Rest. Das betrifft ja nicht nur Österreich, in Kroatien ist die Sachlage auch nicht großartig anders.

Aber es hat Auswirkungen auf das Nationalteam: Österreichs jüngster Stammspieler im Nationalteam ist Nicolas Seiwald. Der U23-Spieler mit den meisten Einsatzminuten ist Leopold Querfeld. Es handelt sich hierbei um 78 Minuten, 23 Spieler haben mehr Einsatzzeit im Jahr 2025 gesammelt. In der laufenden Quali haben 20 Kicker mehr Einsatzzeit als Querfeld.

Internationaler Vergleich

Serbien wiederum hat schon acht U23-Kicker in der laufenden WM-Quali eingesetzt, Ungarn drei, die Slowakei einen, Tschechien keinen. Stammspieler in dem Alter sind lediglich ein Ungar und ein Tscheche.

Allerdings: Österreich hat den achtältesten Kader aller in der WM-Quali antretenden Nationen.

Wie es dazu kommen konnte, ist vielschichtig. Jeder Trainer wird immer auf die besten Kicker setzen. Kaum einer würde Arnautovic (36 Jahre alt), Alaba (33), Sabitzer (31) oder Lienhart (29) und Laimer (28) auf die Bank setzen, nur um einen jüngeren Kader zu haben. Gut ist das aber nicht, vor allem, wenn man über die Weltmeisterschaft kommendes Jahr hinaus denkt. 90minuten hat diesem Thema unlängst eine ausführliche Analyse gewidmet >>>

Hinweis: Die hier erwähnten Namen sind anonymisiert, um ein möglichst hohes Maß an Offenheit zu erreichen. Die Bezeichnungen sind der besseren Lesbarkeit geschuldet.

Ein Spielerberater bemängelt den grundsätzlichen Umgang mit Sport in unserer Gesellschaft
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Ein Spielerberater bemängelt den grundsätzlichen Umgang mit Sport in unserer Gesellschaft

Die großen Faktoren

Spielerberater Albert A. sieht die Ursachen tief verwurzelt: "Es geht bei diesem Thema schon auch um unsere Wohlstandsgesellschaft und wie die Politik mit unseren Kindern umgeht", ist er überzeugt und nimmt auch die Eltern mit in die Pflicht, "Profifußball ist oftmals nicht erwünscht, ist kein Karriereweg, der auf dem Schirm ist."

Immerhin: Mit der dualen Ausbildung in den Akademien kann das abgefangen werden. Andere Länder, in denen in bürgerlichen Berufen weniger Geld verdient werden kann, haben laut seiner Einschätzung hungrigere Kicker. In Frankreich etwa sei Fußball der Ausweg aus eher schlechten Lebensbedingungen.

Dass im Nationalteam nachdrängende Kicker wie Leopold Querfeld (den Eltern gehört u.a. das Café Landtmann) und Nikolaus Wurmbrand (Vater ist Rechtsanwalt) aus "gutem Hause" kommen, ist eher ein Zufall.

Dass Luka Sučić (23, Kroatien), Amar Dedić (23, Bosnien) oder Mert Müldür (26, Türkei) nicht für Österreich spielen und den Schnitt drücken würden, ist die eine Seite der Medaille. Auf der anderen stehen Raul Florucz (24, Rumänien) oder Kevin Danso (27, Ghana/England). Diese Punkte werden die Klubs aber kaum lösen können. Während A. gesellschaftliche und familiäre Ursachen betont, sehen andere das Problem direkt auf dem Platz – in der Ausbildung selbst.

Mir fallen vielleicht zwei Mannschaften in den obersten Ligen ein, die nicht hauptsächlich auf Pressen und Co. setzen.

Spielerberater B. bemängelt die Ausbildung bei den Vereinen

Lauter Laufathleten

"Ich bin mittlerweile desillusioniert, was in der Ausbildung bei den Topklubs läuft und wenn ich mir diverse Nachwuchsnationalteams ansehe", schüttelt Bernhard B. den Kopf. Sehr wenige Vereine setzen auf spielerische Lösungen, aus seiner Sicht gibt es in den Akademien "die falschen Typen". Damit ist er übrigens nicht alleine, das sehen alle so, mit denen 90minuten gesprochen hat.

"Mir fallen vielleicht zwei Mannschaften in den obersten Ligen ein, die nicht hauptsächlich auf Pressen und Co. setzen", meint er, der sehr viele Nachwuchsspiele beobachtet. Es werde generell zu viel auf das Kollektiv gesetzt, zu wenig auf individuelle Klasse. Und wenn es dann Ballartisten gibt, dann gibt es oftmals nicht das gesamte Package.

Das beginnt für ihn schon beim Scouting und dazu braucht es gar keine Daten: Wer zu klein ist, tut sich sehr schwer. Nicht, dass die Größe das Ausschlaggebende ist – Spanien wurde mit einer Durchschnittsgröße von 1,81 Metern Europameister - aber bei der EM 2024 war Österreich mit 183 Zentimetern das siebtkleinste Team von 24.

Natürlich kann einer, der mit 15 Jahren noch klein ist, später noch in die Höhe schießen und Muskelmasse zulegen. In den Akademien analysieren die Verantwortlichen das aber schon. Sind die Eltern groß, die Wachstumsfugen entwickelt?

Aber die Kombination aus Pressingfußball ohne spielerische Note und den falschen Typen macht es den Trainern der ersten Teams nicht gerade leicht, den eigenen Nachwuchs einzusetzen, so B.. Kein Wunder aus seiner Sicht, dass Österreich eher für Abwehrspieler und Laufmaschinen bekannt ist als für Edelzangler.

Als Rapid 2023 gegen die Fiorentina kickte, waren alle Spieler in der Startelf Österreicher. Das ist nun anders
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Als Rapid 2023 gegen die Fiorentina kickte, waren alle Spieler in der Startelf Österreicher. Das ist nun anders

Wer will Österreicher?

Für ihn fehlen im Nachwuchs durchaus Ex-Profis, die spielerische Lösungen vermitteln können, es gebe zu viele "Pädagogen und Laptoptrainer". Eine streitbare Aussage, aktuell halten sich in der Bundesliga zumindest Profis und die anderen die Waage.

Für Carsten C. tragen diese nämlich eine große Verantwortung, wen sie einsetzen bzw. woher sie Spieler holen. Gegen die Fiorentina waren vor eineinhalb Jahren alle in der Startelf Österreicher. Gegen Posen und Salzburg waren es drei. Unter den Top15 eingesetzten Spielern sind gegenwärtig vier Österreicher, von denen nur Wurmbrand als Aktie durchgeht.

Rapid folgt damit dem Beispiel des SK Sturm, der dem Beispiel von Red Bull Salzburg folgt. Teure Verkäufe stehen hierbei im Fokus. Wobei die Bullen diesen Weg schon wieder verlassen, weil die Kombination "Erfolgsausfall ohne Identifikationsfiguren" eben nicht sonderlich vielversprechend ist.

Ein Ratschlag von C. lautet deshalb: Wer den Profipfad anstrebt, soll mit 18 möglichst viel mit Erwachsenen spielen, "ein Jahr 2. Liga und dann zu Hartberg, Ried und Co. Dort gibt es dann, wenn alles passt, Spielzeit und dann geht es entweder zu einem heimischen Topklub oder ins Ausland." Klingt in der Theorie gut, diesen Weg beschreitet aber kaum ein ÖFB-Talent. Doch nicht nur die individuellen Karrierewege spielen eine Rolle.

Karrieren sind nicht geradlinig. Ich erinnere an Querfeld. Der hat in der U18 so gut wie nie gespielt.

D. weiß aus Erfahrung, dass sich Junge unterschiedlich entwickeln

Stress im Produkt

Für Daniel D. ist das Ligasystem mit ein Grund, warum so wenig junge Österreicher zum Zug kommen: "Der Druck ist sehr hoch, wir wechseln 1 bis 2 Mal pro Klub den Trainer. Das lädt dazu ein, den kurzfristigen Erfolg zu erzwingen – und den meinen viele eben nicht mit jungen Spielern zu erreichen."

Das sei für die Spannung in der Liga gut, aber für den Rest nicht. Letztlich wirft D. noch einige weitere Aspekte mit rein, die eine Rolle spielen. Die persönliche Mentalität, sich durchzubeißen, Rückschläge zu überwinden und im Profibereich anzukommen, braucht man auch. Schließlich spielen die Besten bis zur U18 und finden sich dann, das erste Mal im Erwachsenenfußball, oft auf der Tribüne wieder: "Karrieren sind nicht geradlinig. Ich erinnere an Querfeld. Der hat in der U18 so gut wie nie gespielt."

Andere sind eben Nachzügler in der körperlichen Entwicklung. Und dann werden schon viele Kinder sehr früh ausgeschlossen, weil sie mit 12, 13 noch zu klein sind, aber der Klub will gewinnen. Wenigstens die Ergebnisorientierung hat der ÖFB mittlerweile bis zur U12 abgeschafft. Aber auch das alleine wird nichts ändern. "Man kann nicht an einer Schraube drehen und es wird besser."

Es ist eher ein langfristiger Ansatz, der hierbei verfolgt werden muss, wenn man nicht irgendwann wieder Zaungast bei der WM sein will. Der Vogel ist zwar noch nicht umgekippt, aber er beginnt schlechter Luft zu bekommen.


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