Ein Trick, fast schon Weltmeister und trotzdem super Stimmung
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Ein Trick, fast schon Weltmeister und trotzdem super Stimmung

Zwei Fans berichten, wie sie die Fußball-WM 1990 in Italien erlebt haben, warum man vorher schon Weltmeister war und welchen Trick sie angewendet haben, um zu Tickets zu kommen.

"Es war sehr lässig, wir sind damals das erste Mal dem Nationalteam ins Ausland gefolgt. Es war ein extrem freundlicher Umgang vor Ort, es gab Zusammentreffen mit italienischen oder brasilianischen Fans, das ist in Erinnerung geblieben. Nach dem letzten Gruppenspiel gegen die USA und von den Italienern gegen Tschechien haben wir gemeinsam in Florenz gefeiert. Die italienischen Pizzawirte haben uns eingeladen, weil sie sich mit uns gefreut haben."

Als alles begann …

Ein Blick zurück: Mit dem legendären 3:0-Sieg am 15. November 1989 über die damalige DDR und der damit verbundenen Qualifikation war klar: Die Planungen der Fans für die Weltmeisterschaft 1990 in Italien konnten beginnen.

So richtig konkret wurde es dann wenige Wochen später im Dezember, als die WM ausgelost, und das Team von Josef Hickersberger mit Gastgeber Italien, den USA und der Tschechischen Republik in eine Gruppe gezogen wurde.

Für jeden Fan mit Ambitionen, den Fußballsommer ihres Lebens in Italien zu erleben, war somit klar: Wir brauchen Tickets! So auch für Thomas und Hubi, die mit 90minuten anlässlich des Themenschwerpunkts WM 1990 ihre Erinnerungen an die WM 1990 geteilt haben – und auch verraten haben, wie sie an die begehrten Tickets gekommen sind.

Die Taktik ging auf: Zu Mitternacht am Westbahnhof für die Zusage der WM-Tickets
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Die Taktik ging auf: Zu Mitternacht am Westbahnhof für die Zusage der WM-Tickets

Tickets? Zu Mitternacht am Westbahnhof

Viele offizielle Tickets wurden dem ÖFB für die Spiele nicht zugestanden. Rund 4.000 Karten waren es offiziell, vor Ort waren dann doch viel mehr, die über diverse Kanäle zu den begehrten Karten gekommen sind.

"Damals wurden die Tickets noch über eine Postbestellung durchgeführt. Es galt das "First come, First in"-Prinzip und die Reihung wurde nach dem Poststempel vorgenommen", erinnert sich Thomas.

Damit war für die beiden klar: "Wir sind dann an dem bestimmten Tag um kurz vor Mitternacht zum Postamt am Westbahnhof gefahren. Wir haben geglaubt, wir sind besonders gscheit. (lacht) Das waren aber viele andere auch, es waren rund 50 andere Personen dort, viele zu erkennen als Österreich-Fans in rot-weißer Kleidung."

Hubi ergänzt: "Um Mitternacht hat der Postler dann geschrien, dass er jetzt den Stempel auf den nächsten Tag umstellt, und dann haben wir alle unsere schriftliche Bestellung abgegeben."

Die beiden waren unter den ersten 20. Der Trick hatte Erfolg, wenige Wochen später hielten die beiden, die für sich und andere Freunde die Bestellung aufgegeben hatten, die Bestätigung in der Hand.

"Haben geglaubt, wir werden Weltmeister"

Bekanntlich ist die Stimmungslage in Österreich in Sachen Fußball oft klar: Entweder werden "wir" Weltmeister, oder … und so war es auch im Frühjahr vor der WM.

Die Erwartungshaltung war groß: Das Viertelfinale das Minimum-Ziel
Foto © Thomas Fiala
Die Erwartungshaltung war groß: Das Viertelfinale das Minimum-Ziel

"Die Vorbereitung hat alle total geblendet. Das Unentschieden gegen Argentinien und der Sieg gegen die Niederlande hat uns glauben lassen, dass wir Weltmeister werden", erinnert sich Thomas. "Wir waren fix davon überzeugt, dass wir die Gruppenphase überstehen, das Viertelfinale war unser Ziel. Die Stimmung war dementsprechend euphorisch vor dem Turnier."

Ähnlich erinnert sich Hubi: "Wir waren daher sehr positiv gestimmt, und haben geglaubt, wir reißen in Italien alle Bäume aus. Das Ergebnis, wie es dann gekommen ist, wissen wir eh." (lacht)

Gemeinsam Feiern mit Brasilien & Italien

Österreich wurde bekanntlich nicht Weltmeister, hat auch aus sportlicher Sicht keine Bäume ausgerissen. Die Erinnerungen an die Zeit in Italien sind für Hubi dennoch extrem positiv. Denn: Der WM-Flair hat alle in seinen Bann gezogen.

Tausende Fans in rot-weiß-rot in Florenz.
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Tausende Fans in rot-weiß-rot in Florenz.

"Wir waren auf einem Campingplatz neben einer Jugendherberge oberhalb von Florenz. Da waren auch viele Fans aus anderen Ländern, auch viele Österreicher. Dort haben wir auch legendäre Fußballpartien gegen die anderen gespielt", erzählt Hubi.

Auch mit Brasilianern wurde gefeiert. Quasi ein Ritterschlag für österreichische Fußballfans. Und: "Besonders nett war es mit den Fans aus Tschechien, weil die WM erst kurz nach dem Fall des eisernen Vorhangs stattgefunden hat. Die haben ihre Freiheit so richtig genossen."

Gemeinsam Feiern mit brasilianischen Fans in Florenz.
Foto © Thomas Fiala
Gemeinsam Feiern mit brasilianischen Fans in Florenz.

Die Reise wurde auch für kulturelle und kulinarische Abstecher genützt. Pisa, Livorno, Chianti, Siena standen auf dem Programm. Doch eines ist beiden Fans besonders in Erinnerung geblieben: "Am Abend haben wir dann immer irgendwo Fußball geschaut, wenn Österreich gerade nicht gespielt hat. Diese Stimmung war großartig, nach dem Sieg der Italiener gegen Tschechien hat sich ganz Florenz in ein Hupkonzert verwandelt."

Für Thomas war das auch prägend: "Die Begeisterung der italienischen Fans war damals schon sehr beeindruckend. Als wir gegen die USA gewonnen haben und die Italiener gegen Tschechien, sind wir mit dem Auto durch Florenz gefahren, sind am Autodach gesessen mit unserer Trommel. Die Polizei ist vorbeigekommen und hat im Takt auch gehupt und mit uns gefeiert."

Mit dem Auto von Wien nach Florenz zur WM
Foto © Thomas Fiala
Mit dem Auto von Wien nach Florenz zur WM

Besuch beim ÖFB-Quartier

Ein Besuch beim ÖFB-Quartier durfte natürlich auch nicht fehlen. "Wir haben das ÖFB-Team in der Unterkunft besucht. Wobei: Unterkunft ist untertrieben. Das war ein großes Anwesen. Wir haben uns dann mit der Trommel bemerkbar gemacht und dann ist, glaube ich, der Polster zum Zaun gekommen und hat uns aus der Entfernung gegrüßt."

Vor dem Quartier drehte gleichzeitig der ORF. "Wir haben den ORF-Reporter Erich Weiss getroffen. Ich habe ihn dann angesprochen: 'Grüß Sie, Herr Zimmer, können Sie ein Foto von uns machen?'. Er hat dann etwas komisch geschaut und freundlich zu verstehen gegeben, dass er gerade keine Zeit hat."

Das Foto gibt es trotzdem – und erzählt die Geschichte und Stimmung dieser WM 1990 wohl besser als tausend Worte ...

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