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Offensiv- und Abwehrpressing als Schlüssel zum Erfolg der ÖFB-Frauen

Österreich hat die Sensation geschafft und steht nun im EM-Halbfinale. Ausschlaggebend dafür war erneut das variable Pressing, welches das spanische Ballbesitzspiel vor große Probleme stellte und letztlich zum 0:0-Endstand nach 120 Minuten führte. Eine Taktikanalyse von Alex Belinger.

Teamchef Dominik Thalhammer setzte gegen Spanien erneut auf eine Hybridformation aus 4-4-2 und 5-4-1. Für das Viertelfinale standen ihm alle Spieler in bester Verfassung zur Verfügung und so war die Wahl der Startelf keine leichte. Thalhammer ließ Virginia Kirchberger auf der Bank und begann stattdessen mit Kapitänin Viktoria Schnaderbeck in der Innenverteidigung, eine Entscheidung, welche er mit Schnaderbecks Stärken in Ballbesitz begründete. Ansonsten gab es keine Veränderung gegenüber dem Island-Spiel. Spanien spielte mit einer 4-2-3-1-Grundformation.

Pressing weiterhin der Schlüssel zum Erfolg

Österreich war erneut klarer Außenseiter und die Partie zeigte große Ähnlichkeiten zum Spiel gegen die individuell überlegenen Französinnen in der Gruppenphase. Es wurde im Pressing variiert, Großteils aber in einem 5-4-1-Abwehrpressing verteidigt. Die Ballbesitzzahlen waren sehr gering, wie schon Frankreich fand aber auch Spanien kein passendes Rezept gegen den österreichischen Defensivverbund.

Österreich presste mal sehr hoch, mal sehr tief. Bei gegnerischem Ballbesitz in der gegnerischen Hälfte formierte sich Österreich in einem 4-4-2, in dem Nicole Billa und Nina Burger die erste Pressingreihe bildeten. Österreich presste den spanischen Spielaufbau sehr aggressiv, lief auch die Torfrau des Öfteren in hohem Tempo an und zwang sie zu langen Bällen. Die Spanierinnen präsentierten sich als ballsicher und auch unter Druck recht kombinationsstark, verloren aber dennoch einige Bälle oder mussten unkontrollierte lange Bälle spielen.

"Österreich konnte durch die Flexibilität der Spielerinnen sehr schön den Druck aufrecht erhalten."

Im Offensivpressing der Österreicherinnen war zunächst Mal die Intensität mit der die ballführenden Spielerinnen angelaufen wurden sehr beeindruckend, vor allem Lisa Feiersinger fällt hierbei besonders auf. Die Zuordnung im 4-4-2-Pressing gegen das spanische 4-2-3-1 war recht simpel, was den Spielern die Orientierung erleichterte. Passoptionen wurden nicht direkt zugestellt, sondern zunächst offen gelassen und dann nach Zuspiel mit hohem Tempo gepresst.

Vereinzelt konnten die recht pressingresistenten Spanierinnen solche Drucksituationen auflösen, Österreich blieb aber oft im Pressing drinnen und konnte durch die Flexibilität der Spielerinnen sehr schön den Druck aufrechterhalten. Interessant war hierbei etwa wie weit die Flügelspielerinnen Makas oder Feiersinger situativ ballnah einrückten und Billa oder Burger kurz tiefere Positionierungen einnahmen, um den Sechserraum zu versperren.

Pressingsituation im 4-4-2. Feiersinger (#18) ist extrem weit eingerückt und gewinnt im Verbund mit Puntigam den Ball.

Probleme gab es nur vereinzelt durch das Nachrücken der hinteren Spielerinnen im hohen Pressing. Da die Stürmerinnen und Flügelspielerinnen so aggressiv pressten, musste auch dementsprechend schnell nachgeschobenen werden, um die Kompaktheit aufrechtzuerhalten und sich öffnende Räume zu schließen. Dies passierte teilweise zu langsam, konnte wegen des hohen Drucks auf den Spielaufbau aber nur selten wirklich genutzt werden.

Vertikal und horizontal kompaktes Abwehrpressing im 5-4-1.

 

(Tieferes) Mittelfeldpressing gab es hingegen kaum zu sehen. Österreich presste sehr hoch am Übergang zwischen zweiten und dritten Drittel oder ließ sich gleich ganz weit ins Abwehrpressing zurückfallen. Im Abwehrpressing wurde aus dem 4-4-2 ein 5-4-1, bei dem Puntigam als halblinke Innenverteidigerin agierte und Billa dafür ihre Position im Mittelfeld einnahm. Dieses 5-4-1 war vertikal extrem kompakt, was im Abwehrpressing sogar ein Problem sein kann (Arsene Wenger lässt grüßen), da es gerne mal an Druck auf den Ball mangelt. Durch die Fünferkette ist dies aber etwas weniger ein Problem, da trotz der flachen Staffelung nach Spielverlagerungen schneller gepresst werden kann als mit einer Viererkette.

 

>>> Seite 2: Spanien tut sich gegen Österreichs Abwehrbollwerk schwer

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