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"Wie viele junge Österreicher haben wir?" - Christian Ebenbauer und Peter Schöttel im Doppelinterview [Exklusiv] (2)

Das Nationalteam performt gut, Österreichs Liga ist Top10 in Europa, die Transfererlöse sprudeln. Das war gut zwei Jahrzehnten noch ganz anders - braucht es da den Österreicher-Topf noch? Im exklusiven - und ersten - Doppelinterview diskutieren ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel und Bundesliga-Vorstandsvorsitzender Christian Ebenbauer bei 90minuten.at die Förderungseinrichtung.

90minuten.at. Es ist ja jetzt nicht so, dass 100.000 Sponsoren den kleineren Vereinen die Türen einrennen. Da könnte man eigentlich von Seiten des ÖFB argumentieren, dass man mehr darauf schaut, wer das Geld braucht.

Schöttel: Wir versuchen dort zu lenken, wo wir mehr eingreifen können. Das ist natürlich der Akademie- und Nachwuchsbereich. Es gibt keine Akademie, bei der nicht zumindest 80 Prozent Österreicher spielen. Man kann andenken, in diesem Bereich noch weiter in Richtung Förderung der Österreicher zu steuern.

Ebenbauer: Das ist eine Frage der Solidarität. Der Österreicher-Topf ist eine Bonifikation im Sinne von Fördern statt Fordern. Die Klubs der höchsten Spielklasse sagen: Wir wollen mit einem bestimmten Geldbetrag aus unseren Gesamteinnahmen österreichische Nachwuchsarbeit fördern. Um genau zu sein: Für die nächste Saison sind es 3,4 Millionen Euro, die von der höchsten an die zweithöchste Spielklasse gehen. Wie das Geld verteilt wird, ist an Bedingungen geknüpft. Da gibt es den Fixanteil, den Punkteanteil, den Österreicher-Topf und den Lizenzbonus. Es geht darum, wie viel Solidarität es von der höchsten für die zweithöchste Spielklasse gibt. Diese Frage zieht sich durch die gesamte Fußballpyramide: Wie viel Solidarität gibt es von den Champions-League-Klubs für die Europa-League-Klubs, für die Conference-League-Klubs und für alle Klubs, die nicht teilnehmen. In der höchsten Spielklasse gibt's derzeit 10 Prozent, die an die zweite Liga gehen. Bei der UEFA sind es 4,5 Prozent an die nicht-teilnehmenden Klubs.

"Der Vorteil auf der rechtlichen Seite her ist, dass der Österreicher-Topf ein Förderprogramm ist. Europaweit fällt der hohe Prozentsatz an Österreichern auf." - Christian Ebenbauer

90minuten.at: Vor dem Hintergrund, dass sich ein großer Teil der Vereine einig ist, dass heimische Spieler teuer sind und Bundesligisten deshalb Alternativen wählen: Wie ist die gestrige Erhöhung des Zuschusses an die 2. Liga um 200.000 Euro (Zweckgebunden Ö-Topf) zu verstehen? Ist das nicht ein Tropfen auf den heißen Stein? Polemisch gefragt: Lagern die Bundesligisten die Ausbildungsverantwortung in Zukunft in die 2. Liga aus?

Ebenbauer: Das ist ja auch ein wesentlicher Punkt der Fußballpyramide. Über den Jugendfußball und Breitenfußball geht die Entwicklung in den Spitzenfußball und dort in die höchste Leistungsstufe. Bei uns hat die zweite Liga eine Drehscheibenfunktion, dort soll ein 18-jähriger Fußballer, der aus einer Akademie kommt, spielen und danach im besten Fall in die höchste Spielklasse aufsteigen, dort dann noch ein, zwei Jahre spielen, bevor es weitergeht. Das ist die Idee. Die Finanzierung hat mehrere Stufen. Da kommt ein wesentlicher Punkt dazu, den wir noch nicht gehabt haben: Die Ausbildungsentschädigung. Die FIFA hat ein System, das meines Wissens seit über zehn Jahren nicht mehr angepasst wurde, was natürlich ein Vorteil für große Klubs ist. Ich halte die Ausbildungsentschädigung für ein gutes Tool, um die kleineren Vereine für ihre Ausbildungsarbeit zu belohnen, nur gibt es hier aus meiner Sicht Anpassungsbedarf in den Regelungen. Wir versuchen es auf allen Linien. Egal ob es jetzt über Solidarität ist, über die Ausbildungsentschädigung, oder die Entwicklung der Ligen selbst. Das Thema ist aber klarerweise komplex, denn natürlich haben alle Klubs vorrangig ein Interesse daran, selbst sportlich erfolgreich zu sein und Einnahmen zu generieren.

 

90minuten.at: Ist die Förderung in anderen Ländern ein Thema?

Schöttel: Mich haben bisher keine anderen Verbände darauf angesprochen.

Ebenbauer: Bei uns sehr intensiv. Es gibt viele Anfragen und Gespräche. Der Vorteil auf der rechtlichen Seite her ist, dass der Österreicher-Topf ein Förderprogramm ist. Europaweit fällt der hohe Prozentsatz an Österreichern auf, auch wenn wir heuer wieder einen leichten Rückgang haben, der aber zu einem großen Teil relativ leicht erklärbar ist: Admira ist ab-, Austria Lustenau aufgestiegen. Das hat umgekehrt in der 2. Liga zu einem Anstieg geführt.

 

90minuten.at: Wie erklären sich denn die anderen Länder, dass sie jetzt von Österreich geschlagen werden? Es fällt ja auf, wenn Sturm, Salzburg & Co jetzt regelmäßig international mitspielen. Findet ein Austausch mit anderen Verbänden statt?

Schöttel: De facto nicht. Zu diesem Thema ist die Liga der Ansprechpartner für die anderen Ligen.

 

90minuten.at: Kommen wir zur Diskussion um das Ligaformat. Die hat der Teamchef aufgebracht, im Interview mit den Kollegen wurde dabei auch die Talenteförderung als Grund genannt.

Schöttel: Wir haben aus meiner Sicht eine gut funktionierende Konstruktion. Ich bin ja quasi Zeitzeuge, habe in den unterschiedlichsten Ligenformaten gespielt. Ich habe in einer 16er-Liga begonnen, dann kamen zwei Zwölferligen mit oberem, mittleren und unterem Play-Off, dann gab es lange die Zehnerligen. Das hatte alles seine Begründung und darauf will ich hinaus: Die Aussage von Ralf, die er im Kurier-Interview getätigt hat, ist seine persönliche Meinung, diese hat er schon vor Jahren in anderer Funktion kommuniziert. Das kann man natürlich in die Überlegungen aufnehmen, aber das Thema Ligenformat war zuletzt in unseren Gesprächen kein Thema. Die Argumentation ist aber durchaus schlüssig: Wenn weniger Vereine im Abstiegsstrudel stecken, ermöglicht das theoretisch auch mehr Mut bei den Vereinen. Man muss dieses Thema als Gesamtkonstrukt sehen. Die Vereine müssen über die passende Infrastruktur verfügen und viele weitere Kriterien und Rahmenbedingungen erfüllen. Die Liga muss funktionieren, es muss Spannung gewährleistet sein. Ich persönlich finde es top, wenn die besten Teams in Österreich viermal gegeneinander spielen. Das würde wegfallen bei 16 Vereinen. Das Argument, dass mehr Vereine mehr Spielmöglichkeiten für österreichische Spieler zu vergeben haben, ist wie gesagt nachvollziehbar.

"Ich finde es bemerkenswert, wie professionell es in der 2. Liga zugeht, wenn so wie heuer alle vier zweiten Mannschaften der Bundesligisten gegen den Abstieg spielen und zwei auch tatsächlich absteigen müssen." - Peter Schöttel

90minuten.at: Was sagt die Bundesliga?

Ebenbauer: Der Teamchef ist Fachmann und es ist somit legitim, sich in alle Richtungen Gedanken zu machen. Mir ist eine Sache wichtig. Es kommt immer wieder das Argument: Wenn man in der höchsten Liga mehr Klubs hat, werden mehr junge Österreicher eingesetzt.“ Jetzt wurden zweimal mehr junge Österreicher im Finaldurchgang als im Grunddurchgang eingesetzt.

Schöttel: Das finde ich spannend.

Ebenbauer: Das sind nackte Zahlen. Es sind sowohl heuer als auch vergangene Saison im Finaldurchgang jeweils um zwei Prozentpunkte mehr junge Österreicher eingesetzt worden als im Grunddurchgang. Das ist für mich aus sportlicher Sicht ein wesentlicher Punkt, dass es funktioniert. Zweitens hängt es wieder mit der Pyramide des österreichischen Weges zusammen. Wie viele junge Österreicher haben wir? In der Klubkonferenz, vor allem mit der 2. Liga, heißt es: Es gibt keine mehr, weil die alle in der Bundesliga spielen. An erster Stelle steht das Sportliche, dann kommt das Wirtschaftliche und das Infrastrukturelle. Was ist in Österreich möglich? Darum sind wir 2016 zu diesem Ligenformat gekommen. Jetzt kommen wir natürlich dazu, dass sich die zweite Liga in den letzten Jahren sportlich sehr gut entwickelt hat. Aber die Diskussion ist aus meiner Sicht noch immer zu kurz gegriffen, weil es auch die dritte und vierte Spielklasse betrifft. Der Übergang vom Profi- zum Amateursport oder umgekehrt ist in jedem Land die schwierigste Schnittstelle.

Schöttel: Ich finde es bemerkenswert, wie professionell es in der 2. Liga zugeht, wenn so wie heuer alle vier zweiten Mannschaften der Bundesligisten gegen den Abstieg spielen und zwei auch tatsächlich absteigen müssen.

 

90minuten.at: Ein Schlusswort?

Ebenbauer: Wir sind Teil der „European Leagues“, um uns mit anderen über ihre Wege auszutauschen. Ich war schon sehr oft bei den Schweizern eingeladen, egal ob es mediale Rechte, das Ligenformat oder andere Themen betrifft. Dort tauscht man sich gerne mit uns aus, jetzt stellen sie ihr Format ebenfalls um. Wenn man sich international ansieht, in welche Richtung Ligen in unserer Größe gehen, entwickelt sich vieles in Richtung unseres Modells. Denn eine Verbreiterung ist immer auch ein Qualitätsverlust.

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