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Wer bekommt wie viel Geld? Ein Faktencheck zum Österreicher-Topf [Exklusiv]

Zahlen auf den Tisch: Immer mehr Vereine verzichten auf das Geld aus dem Österreichertopf. Um welche Summen es dabei geht und wie sie zustande kommen, ist aber oft nur zum Teil bekannt. 90minuten.at hat jetzt exklusiv nachrecherchiert.

+ + 90minuten.at PLUS - Ein Faktencheck von Daniel Sauer + +

 

Eine weitere Bundesligasaison wandert in die Geschichtsbücher, die allgemeine Aufmerksamkeit gilt seit einigen Wochen dem geöffneten Transferfenster. Auch österreichische Fußballfans sind inzwischen an die hohen Summen gewöhnt, die in dieser Zeit durch die Medien geistern: 17,2 Millionen für Rasmus Højlund, 30 Millionen für Karim Adeyemi, immerhin noch 6 Millionen für Yusuf Demir - bei einigen Vereinen klingelt die Kassa jährlich und mit großer Verlässlichkeit. Auch eingekauft wird teils für großes Geld, immer öfter im Ausland. 

Das hat Konsequenzen: 58,56 Prozent aller Bundesliga-Spielminuten der Saison 2022/23 wurden von Österreichern, der Rest von Legionären absolviert. Wie 90minuten.at bereits im Dezember berichtete, sinkt diese Zahl seit einigen Jahren konstant und zuletzt sogar drastisch. 2019/20 betrug der österreichische Minuten-Anteil noch 71 Prozent. Dabei gäbe es mit dem "Österreicher-Topf" schon seit langem ein Fördermodell, das Einsatzminuten von ÖFB-Spielern finanziell honoriert. In der Kaderplanung sitzen Sportdirektoren damit vor einer Kosten-Nutzen Rechnung. Das Problem: Mehr und mehr von ihnen sehen größere Vorteile in der Verpflichtung und Entwicklung ausländischer Talente.

 

Wie viel Geld ist drinnen?

Diskussionen über den Österreicher-Topf werden nicht mit offenen Karten geführt, das ist auch gar nicht möglich. Abgesehen von Spielminuten, die von der Bundesliga in einer groben Statistik zusammengefasst werden, sind alle Zahlen dazu kolportiert. Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer erklärte im Interview mit 90minuten.at: "Dazu braucht es die Zustimmung der Klubs und der Vertragspartner. Es gibt insbesondere im TV-Vertrag eine Vertraulichkeitsklausel bezüglich der Summe". Vor einigen Monaten berichtete die 'APA' von einem Gesamtvolumen in Höhe von 6,1 Millionen Euro, die Bundesliga wollte diese Zahl auf Nachfrage weder bestätigen noch dementieren. Zusammen setzt sich dieser Betrag aus 20 Prozent der zentralen TV-Einnahmen, sowie einem kleineren Förderbetrag des ÖFB - "Zur Förderung des österreichischen Spitzenfußballs im Rahmen der höchsten Spielklasse und zur Stärkung der zukünftigen und gegenwärtigen Nationalmannschaften", wie es seitens der Liga heißt. 

Mit dem LASK, Sturm Graz, Austria Klagenfurt, Austria Lustenau und Red Bull Salzburg fallen sieben Teams aus der Wertung, sie haben die Legionärs-Begrenzung nicht eingehalten. Die Zahl der "Aussteiger" erhöhte sich in den letzten Jahren stark. Die verbleibende Summe der Minuten wird weiter nach Alter geteilt: Die absolvierten Minuten von U22-Spielern (Stichtag für die Saison 22/23 war der 1.1.2001) zählen in der Endabrechnung vierfach. Final steht Rapid Wien an der Spitze, Platz zwei geht an den WAC, der vermehrt auf junge Spieler setzt. 

Hätten alle Bundesligisten die Kriterien erfüllt läge der Rapid-Anteil um knapp 300.000 Euro niedriger. Nachdem die Hütteldorfer ebenfalls bereits auf einen Ausstieg schielen und die Tendenz auch bei Austria Wien und dem WAC in diese Richtung gehen könnte, bliebe in den kommenden Jahren mehr Geld für die verbleibenden Vereine. In einem hypothetischen Österreicher-Topf mit nur mehr vier Vereinen hätte Altach 2022/23 immerhin schon 1,8 Millionen Euro erhalten. 

Eine Erhöhung der Topf-Dotierung ist bis zum Ende der TV-Rechte-Periode 2026 nicht vorgesehen. Das bestätigte die Bundesliga 90minuten.at bereits vor einigen Monaten. In einem Statement war die Rede von einer "finanziellen Umverteilung zugunsten jener Klubs, die stärker auf heimische Spieler setzen".

 

Immer weniger Österreicher im Einsatz

Die Bundesliga sieht sich jedenfalls mit einer absteigenden Entwicklung konfrontiert. Auch für die kommende Saison zeichnet sich aktuell keine Änderung ab. 

Ein Teil des starken Abfalls in der Saison 2022/23 lässt sich mit der sportlichen Entwicklung begründen: Mit der Admira musste eine Mannschaft mit hoher Österreicher-Quote den Gang in die 2. Liga antreten. Im Gegenzug stieg die Austria Lustenau auf, bei den Vorarlbergern spielt bekanntlich eine Kooperation mit dem französischen Verein Clermont Foot eine wichtige Rolle. Der Verein erfüllte die Anforderungen des Österreicher-Topfes 2022/23 bei keinem Saisonspiel.

Um sich für eine Ausschüttung aus dem Topf zu qualifizieren, gilt für jeden Spieltag eine sechs-Legionäre-Grenze für den Kader. 12 der 18 Spieler müssen Österreicher sein. Die Definition eines Österreichers ist dabei nicht immer klar nachvollziehbar - einige Beispiele: Atdhe Nuhiu war Nationalspieler des Kosovo, hält aber auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Seine Minuten zählen. Dank seiner Einbürgerung im Jahr 2021 gilt auch WSG-Torhüter Ferdinand Oswald als Österreicher.

 

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"Wir bekommen die Rückmeldung, dass Vermittler von der vierfachen Minuten-Bewertung bei U22-Spielern wissen und das automatisch zu ihren Forderungen dazurechnen." - Christian Ebenbauer

Eine Staatsbürgerschaft ist aber kein zwingendes Kriterium. Auch Spieler, die vor Vollendung ihres 18. Lebensjahres zum ersten Mal in Österreich registriert wurden und unter die U22-Grenze fallen, werden nicht als Legionäre gewertet. Was nicht in den öffentlich einsehbaren Richtlinien zu lesen ist: Die betroffenen Spieler zählen zwar auf dem Spielbericht als Österreicher, ihre Minuten werden in der Abrechnung allerdings nicht berücksichtigt. Das erklärt die Bundesliga auf Nachfrage von 90minuten.at. Beispiele dafür wären gleich mehrere Spieler von Red Bull Salzburg - Roko Šimić, Luka Sučić, Amar Dedić, Benjamin Šeško und Maurits Kjærgaard. Auch WSG-Neuzugang Adam Stejskal zählt zu dieser Gruppe. Spielt er in der kommenden Saison statt Oswald, fallen die Tiroler zwar nicht aus dem Topf, verlieren aber Minuten. 

Dass mit der U22-Regelung die Jugend gefördert werden soll, ist schlüssig - sie bringt aber auch Probleme mit sich: "Wir bekommen von einigen Klubs die Rückmeldung, dass Vermittler die vierfach bewerteten Minuten bei U22-Spielern automatisch auf den Vertrag aufschlagen", erklärte Christian Ebenbauer gegenüber 90minuten.at. Dies sei nicht im Sinn der Sache. Die Abrechnung erfolgt jedenfalls in drei Abschnitten - werden die Kriterien in einem nicht erfüllt, wird für diesen Zeitraum auch nichts ausgezahlt.
 
In der Meistergruppe gibt es jedenfalls bereits eine klare Tendenz gegen den Österreicher-Topf, RB Salzburg sticht dabei aber nicht so stark heraus, wie oft angenommen.

Für einen Großteil der Vereine wird der Österreicher-Topf zum Auslaufmodell, wie schnell es gehen kann, zeigt die vergangene Saison. Über die ersten sieben Saisonspiele standen bei Sturm Graz nie mehr als sieben Legionäre im Kader. In den letzten sechs waren es nie weniger als neun. Auch Rapid kam in der zweiten Saisonhälfte in Grenznähe, blieb aufgrund der inkonstanten Fitness von Nicolas Kühn, Ferdy Druijf & Co letztendlich aber im sicheren Bereich. Für die Hütteldorfer fallen in der kommenden Saison die Vierfach-Minuten von Niklas Hedl und Martin Moormann aus der Wertung, statt 15.980 bringen die beiden "nur" mehr 3.995 Minuten ein. Die Wiener Austria nominierte in 25 Ligaspielen die maximale Anzahl von sechs Legionären. 

Die nächsten Aussteiger stehen also bereits parat. Immerhin verschiebt sich für die kommenden Saison nichts durch den Abstieg der SV Ried, auch Blau-Weiß Linz sollte die Topf-Kriterien erfüllen. Während sich einige über einen immer größer werdenden Teil vom Kuchen freuen dürfen, sollten sich andere langsam aber sicher Gedanken über eine mögliche Schmerzgrenze machen. Denkbar wäre, dass man den Österreicher-Topf mit dem neuen TV-Vertrag umgestaltet - wie viele Vereine 2026 noch teilnehmen ist fraglich. 

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