Foto: © European Leagues Interviews / 2018

Georg Pangl: "Den Klubs wurde ein Knochen hingeschmissen"

Im Interview mit 90minuten.at spricht European-League-Generalsekretär Georg Pangl über die Auswirkungen der UEFA-Reform und welche Möglichkeiten die Verbände haben, die Schere zwischen Reich und Arm nicht noch größer werden zu lassen.

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90minuten.at: Sie haben auch die Zutrittsliste angesprochen. Wenn man sich die neue Zutrittsliste ansieht, kann man zum Eindruck kommen, dass es mit der Reform insgesamt mehr Startplätze für internationale Bewerbe gibt, aber der Zugang zur Champions League aber auch zur Europa League für Nationen jenseits von Platz 15 quasi unmöglich wird. Täuscht dieser Eindruck?

Georg Pangl: Das sehen Sie richtig. Wenn man wieder auf Österreich blickt: Selbst wenn wir im Ranking 11. oder 12. bleiben, verlieren gegenüber dem aktuellen Status zwei Klubs die Chance, sich für die Europa League zu qualifizieren. Gleichzeitig gibt es aber auch keine Garantie, dass sich künftig auch nur einer von den 5 zumindest für die Europa League 2 qualifiziert. Sollte Österreich im Ranking, was ich natürlich nicht hoffe, einmal wieder zurückrutschen und eventuell aus den Top 15 fallen, dann sind alle, ich wiederhole alle Klubs – bis auf den Meister, wenn er nicht in die Champions League kommt - aus der „normalen“ Europa League ausgeschlossen und haben nur noch eine Chance auf die Europa League 2. Das ist skandalös und wurde bis jetzt noch nirgends erwähnt. Die European Leagues hat man bewusst erst in der letzten Sitzung vor der Entscheidung in die Arbeitsgruppe eingeladen, wo wir dann keinen Einfluss mehr hatten. Wir wollen den Zustand herbeiführen wie vor der letzten Reform, wo nur zwei bis drei Klubs der großen Nationen fix für die Champions-League-Gruppenphase qualifiziert waren. Das würde zufolge haben, dass sich wieder zumindest 6 weitere Klubs aus kleineren Nationen für die  Champions League qualifizieren können.

 

90minuten.at: Vor ein paar Monaten waren Sie voller Hoffnung, dass Aleksander Čeferin ein Uefa-Präsident auch für die kleineren Nationen ist. Hat er Sie enttäuscht?

Georg Pangl: Mit der UEFA gibt es eine Regierungsbehörde und Wettbewerbsorganisator in einer Organisation, deren Hauptaufgabe es ist, das Aufgehen der Schere zu verhindern. Das passiert aber nicht, man könnte sagen, das ist Klientelpolitik zu Gunsten der großen Klubs. Wir haben in der Vergangenheit sehr stark auf Aleksandar Čeferin gesetzt und ich halte sehr viel von ihm und seiner pragmatischen und direkten Art. Sein Job ist kein einfacher, aber es wird Zeit, dass er langsam auch bei dem Thema Competitive Balance liefert. Das war auch eines seiner Hauptanliegen. Er muss sich jetzt dem Thema annehmen, mit Entscheidungen wie zuletzt wird es nicht zu lösen sein.

 

"Für einen Klub wie Wacker Innsbruck oder etwa Hartberg, oder Klubs, die sich nicht für einen internationalen Bewerb qualifizieren, wären das rund 600.000 bis 800.000 Euro pro Jahr, zweckgebunden für Infrastruktur."

90minuten.at: Welchen Vorschlag machen die European Leagues?

Georg Pangl: Unser Ziel ist, die Solidaritätsquote von 7,3 % auf mindestens 20% zu erhöhen. Die großen Klubs werden damit keine Freude haben, das ist uns klar. Wir wollen aber von den zwei Milliarden Euro der Champions League einen entsprechenden Teil für die Solidaritätszahlungen umschichten, damit die Schere nicht noch weiter auseinandergeht. Das wäre ein erster Schritt in Richtung Competitive Balance.

 

90minuten.at: Was hätte dies für Auswirkungen, Beispielsweise für österreichische Klubs, nenen Sie uns bitte konkrete Zahlen?

Georg Pangl: Statt den aktuellen 130 Millionen Euro hätte man nach Adam Riese rund 600 Millionen Euro zur Verfügung. Was hieße das für Österreich? Die Solidaritätszahlungen für alle OEFBL-Klubs betrugen im letzten Spieljahr exakt 957.050 Euro. Gemäß unserem Modell, sprich Erhöhung der Solidaritätszahlungen insgesamt auf mind. 20%, würde Österreich wie auch die restlichen Länder das ca. 8- bis 10-fache dieser aktuellen Zahlungen erhalten. Für einen Klub wie Wacker Innsbruck oder etwa Hartberg, oder Klubs, die sich nicht für einen internationalen Bewerb qualifizieren, wären das rund  600.000 bis 800.000 Euro pro Jahr, zweckgebunden für Infrastruktur. Das ist schon eine schöne Summe, wenn man die Budgets der Klubs ansieht. Je nach Land würden diese Zahlungen dann entsprechend variiren.

 

90minuten.at: Interessanterweise hat sich ÖFB-Präsident Leo Windtner ziemlich positiv zur Reform geäußert. Verstehen Sie diesen Optimismus?

Georg Pangl: Ich verstehe absolut nicht, dass Leo Windtner diesen Eindruck  vermittelt hat, vor allem, wenn man weiss, dass wie zuvor erklärt, unsere Klubs in der „normalen“ Europa League definitiv zwei Qualifikationsplätze verlieren werden. Aber genau das ist jetzt unsere Aufgabe, die Verbände hier aufzuklären, dass nicht nur der Zugang zur Champions League sondern auch jener zur Europa League durch diese Reform extrem erschwert wird. Viele Verbände haben es einfach noch nicht begriffen, dass ihre Klubs von der Europa League ausgeschlossen werden. Insgesamt werden zwar um 16 Klubs mehr dabei sein, es wird aber noch stärker zwischen Reich und Arm getrennt. Die beiden Top-Bewerbe werden praktisch abgekapselt. Man kann es auch so beschreiben: Den Klubs und Verbänden wird ein Knochen hingeschmissen, um davon abzulenken, dass die Champions League und Europa League noch exklusiver werden.

 

90minuten.at: Wie gehen Sie jetzt weiter vor?

Georg Pangl: Wir werden jetzt durch intensiveren Kontakt zu den 55 Nationalverbänden, die Sachlage aufklären und auf die Auswirkungen des aktuell beschlossenen Modells bzw. auf die anstehende Aenderung der Einnahmenverteilung hinweisen. Es wird auch notwendig sein,verstärkt die Klubs und besonders jene, die nicht von der European Club Association vertreten werden – und das ist die grosse Mehrzahl - über die Ligen und auch direkt zu informieren. Wir werden also viel miteinander reden, aufklären und lobbyieren. Wir gehen davon aus, dass die Verbände und Klubs das positiv bewerten werden.

 

90minuten.at: Und wenn das auch nicht helfen sollte?

Georg Pangl: Wir wollen die Klubs und die UEFA über ihre Mitgliedsverbände im Dialog auf die drohenden Konsequenzen hinweisen und entsprechende Aenderungen erreichen. Wenn das nicht in absehbarer Zeit möglich ist, ist nicht auszuschliessen, dass sich die eine oder andere Liga aus reinem Selbstschutz rechtliche Schritte vorbehält.

Danke für das Gespräch!

 

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