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Andreas Schicker: „Ich muss die Spieler finden, die mit Sturm etwas erreichen wollen“ (2)

Seit November ist Andreas Schicker als Chefscout und Videoanalyst beim SK Sturm tätig. Der erst 32-Jährige Ex-Kicker und Sportdirektor vom SC Wiener Neustadt will damit den nächsten Karriereschritt machen.

90minuten.at: Wo liegen die Schwerpunkte in der Scoutingplanung? Wo will man sich umschauen? Und wonach?

Schicker: Der österreichische Markt ist, auch durch die vielen Begegnungen in einer Saison, mehr oder weniger durchgängig bekannt. Auch in der zweiten Liga bin ich durch meine Tätigkeit dort gut aufgestellt. Der heimische Markt ist für uns jedenfalls der interessanteste. Es gibt nur beschränkt Plätze für ausländische Spieler und es ist außerdem eine Budgetfrage, ob ich von Portugal über Brasilien und so weiter überall hinfliegen kann. Die neuesten Softwarelösungen sind aber mittlerweile sehr gut und damit kann man sich schon im Büro von sehr vielen Dingen ein gutes Bild machen. Das persönliche Gespräch kann dadurch aber nicht ersetzt werden, wo es darum geht, ob ein Spieler auch charakterlich in die Mannschaft passt.

 

90minuten.at: Gibt es konkrete Transferpläne schon für die nächste Übertrittszeit in der Winterpause?

Schicker: Man muss immer vorbereitet sein. Es hängt natürlich auch davon ab, ob jemand den Verein verlässt. Meine Aufgabe ist es, der sportlichen Leitung dann die vorhandenen Möglichkeiten auf den Tisch zu legen. Die Mannschaft, die da ist, ist aber intakt und es gibt keine dringende Notwendigkeit etwas zu machen.

 

90minuten.at: Wie sieht es mit einem strategischen Gesamtkonzept aus? Welche Spieler braucht Sturm? Wie will der Klub längerfristig spielen und auftreten? Unter Heiko Vogel war etwa ein Spielertyp wie Philipp Hosiner eher gefragt, als im System von Roman Mählich. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?

Schicker: Es macht für mich als Scout natürlich einen Unterschied, wenn ich weiß, der Trainer spielt zum Beispiel immer 4-4-2. Ich brauche dann andere Spieler als für ein 3-4-3, wo die Außenpositionen weniger gefragt sind. Aber ein guter Spieler funktioniert bei jedem Trainer und bei jedem System.

 

90minuten.at: Jetzt hat Roman Mählich einen Vertrag bis 2020. Günter Kreissl hat schon mehrmals gesagt, dass er sich nicht nur auf einen Typ Trainer oder eine Spielweise für den Klub festlegen will. Es kann also sein, dass nach 2020 wieder alles neu sein wird. Macht das die Arbeit nicht schwierig?

Schicker: Ja, das ist nun einmal so im Fußball der heutigen Zeit. Und nein, es ist nicht einfach. Als Scout musst du dich eben in den Moment hineinversetzen, was derzeit gerade gespielt wird.

 

90minuten.at: Dann bleibt aber ein gewisses Risiko, dass in eineinhalb Jahren mit einem neuen Trainer einige Spieler nicht mehr ins Konzept passen.

Schicker: Ja, wie gesagt, es ist nicht einfach. Ich denke aber, bei Sturm ist man in letzter Zeit mit den Transfers ganz gut gefahren. Es ist eine Philosophiefrage. Wenn ich zu Red Bull Salzburg schaue, die umfangreich und auch sehr früh scouten, die wissen genau welche Parameter wichtig sind und dementsprechend werden Spieler geholt. Da ist dann egal welcher Trainer kommt, weil der muss auch in dieses Profil passen. Das ist eben ein anderes Niveau und ein anderer finanzieller Hintergrund.

 

90minuten.at: Wie kann sich ein Klub wie Sturm gegen übermächtige Konkurrenz wie Red Bull positionieren?

Schicker: Das wichtigste ist Struktur und eine große Auswahl an Möglichkeiten. Dann ist man in einer Stresssituation vorbereitet und vor allem flexibel.

 

"Günter Kreissl hat immer wieder Spieler überzeugt, um weniger Geld zu Sturm zu kommen oder hier zu bleiben, weil es sportlich eine andere Perspektive gibt." - Andreas Schicker

90minuten.at: Wenn es aber um ein und denselben Spieler geht und Red Bull und Sturm wollen diesen Spieler, ist der kleine Klub dann nicht immer der Verlierer?

Schicker: Es ist nicht immer so. Es kommt sehr darauf an, welche Persönlichkeit ein Spieler hat. Speziell Günter Kreissl hat immer wieder Spieler überzeugt, um weniger Geld zu Sturm zu kommen oder hier zu bleiben, weil es sportlich eine andere Perspektive gibt. Aber natürlich ist das Geld bei vielen ein dominanter Fraktor.

 

90minuten.at: Wie sinnvoll sehen Sie eine Variante, ein Kooprationsteam in der zweiten Liga zu haben, wo die Spieler an das Bundesliganiveau herangeführt werden? Und könnten das auch die eigenen Amateure sein?

Schicker: Sehr sinnvoll, weil ich das aus Wiener Neustadt kenne und gesehen habe, was es den Spielern bringt. Vor allem dann, wenn es eine gute Mischung in dieser Kooperationsmannschaft gibt, wo sich junge Spieler neben arrivierten Leuten profilieren müssen. Die eigenen Amateure in die zweite Liga zu bringen ist eine Kostenfrage, aber grundsätzlich junge Spieler in der zweiten Liga vorzubereiten macht Sinn.

 

90minuten.at: Durch das neue Ligaformat ist aktuell das Erreichen der ersten sechs Plätze das kurzfristige Ziel. Aber mittel- oder langfristig gedacht, wo kann sich Ihrer Meinung nach ein Klub wie Sturm in der Liga positionieren? Was soll und darf der Anspruch sein?

Schicker: Die Mannschaft hat letzte Saison gezeigt, was möglich ist. Wenn ich länger nach vor schaue, sollte ein Platz zwischen Zweiter und Vierter schon immer das Ziel des SK Sturm sein. Das auch mit Spielern, die vielleicht wieder mehr aus dem eigenen Nachwuchs kommen und es muss außerdem ein Ziel sein, dass nicht wie letzten Sommer die Leute reihenweise den Klub verlassen, wenn es eine gute Saison gegeben hat. Es sollen Spieler hier arbeiten, die Sturm als ihren Verein sehen, wo sie auch etwas erreichen können.

 

90minuten.at: Gibt es heutzutage noch viele Spieler, die so funktionieren?

Schicker: Sie sind eher die Ausnahme, aber es gibt sie und eines meiner Ziele muss sein, die zu finden. Wir werden aber immer wieder akzeptieren müssen, dass Spieler bei anderen Klubs mehr verdienen können. Um der Entwicklung vorzubeugen, die es aktuell gibt, wo Leute teilweise für gar nicht besonders viel mehr Geld trotzdem immer gleich einen Wechsel anstreben, ist auch das Thema von längerfristigen Verträgen ein wichtiges. Die Berater haben mittlerweile aber eine gewisse Macht in dem Geschäft, die es den Klubs nicht immer leicht macht.

 

90minuten.at: Stichwort Langfristigkeit. Sie sagen, Scouting und Videoanalyse beim Sturm ist ein nächster Schritt in der Karriere. Was ist der übernächste für Andreas Schicker? Ist Trainer ein Thema?

Schicker: Ich habe gerade die A-Lizenz als Trainer gemacht. Ich sehe mich aber eher in dem Bereich, wo ich bisher war und jetzt bin. Nicht, dass ich mir Trainer gar nicht vorstellen kann, aber die Vielseitigkeit der Tätigkeit im Sportmanagement interessiert mich mehr. Sportdirektor in Wiener Neustadt klingt super, in Wirklichkeit heißt Sportdirektor in der zweiten Liga aber Wohnungen suchen, Auswärtsfahrten organisieren oder Ansprechpartner für was auch immer für die Spieler sein. Teammanager oder Pressesprecher gibt es da nicht. Das alles zu kennen ist ein Mehrwert und hilft mir jetzt.

 

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