Die Spielanteile junger Österreicher bei den heimischen Topvereinen sind nicht gerade hoch.
Immer weniger österreichische Talente bekommen in der Bundesliga Einsatzminuten.
Woran liegt das? Das fragt sich 90minuten im Rahmen dieses Themenschwerpunktes und stellte verschiedensten Stakeholdern folgende Frage: "Sind Österreichs Talente noch gut genug?"
ÖFB-Sportdirektor Peter Schöttel: "Unsere Top-Talente haben das Potenzial"

"Diese Entwicklung beschäftigt uns natürlich intensiv. Die Tendenz war in den vergangenen Jahren bereits erkennbar, und wir haben im Nachwuchsbereich zahlreiche Maßnahmen gesetzt, um dem gezielt entgegenzuwirken.
Ich bin überzeugt, dass unsere Top-Talente, die auch in den Nachwuchs-Nationalteams starke Leistungen zeigen, das Potenzial und die Qualität haben, sich langfristig in ihren Vereinen zu etablieren."
Spielerberater Max Hagmayr: "Müssen uns an der eigenen Nase nehmen"

"Ich würde mir wünschen, dass in der Ausbildung mehr auf das Spielerische Wert gelegt wird und nicht nur auf das Spiel gegen den Ball. Aber: Schon in der Vergangenheit hat es wellenförmige Entwicklungen gegeben. Es hat ja jeder Klub so seine Akademie und dann liegt es an ihnen selbst, ob sie genügend gute Spieler herausbringen. Ich bin der Meinung, dass die Spieler aus den eigenen Kaderschmieden Vorrang haben sollten. Wenn die insgesamt nicht gut sind, dann gibt es ein Problem. Natürlich drängen viele Talente aus aller Welt nach Europa und der eine oder andere bringt genetische Vorteile mit sich. Sie sind zuweilen schneller und größer. Und diese Spieler von weit weg kosten weniger als eine Akademie und das ist zu einem Geschäftsmodell geworden. Dazu sind sie oft hungriger, weil wenn es funktioniert, können sie ihre gesamte Familie ernähren.
Vielleicht müssen wir uns da in dem Zusammenhang schon auch an der eigenen Nase nehmen, weil unsere Spieler etwas zu verwöhnt sind. Ich nehme mich bzw. uns Spielerberater nicht raus, weil wir den Spielern sehr viel abnehmen."
Ex-Teamtorhüter und Canal+-Experte Robert Almer: "Bei vielen jungen Spielern fehlt oft das richtige Mindset"

"Am Ende geht’s um zwei Dinge: Qualität und Mindset. Kein Trainer lässt jemanden draußen, der wirklich bereit ist, alles reinzuwerfen und die Qualität mitbringt. Also ja – es ist auch ein Qualitätsthema. Aber bei vielen jungen Spielern fehlt oft das richtige Mindset: die Bereitschaft, jeden Tag an sich zu arbeiten, Widerstände zu akzeptieren und sich durchzubeißen.
Und gleichzeitig darf man die wirtschaftliche Seite nicht vergessen – Leihverträge, Kosten, Verkaufspotenzial. Da spielen viele Faktoren mit. Aber wenn ein junger Spieler wirklich liefert, wird ihn jeder Trainer normalerweise bringen."
Ried-Geschäftsführer Wolfgang Fiala: "Das sollte uns allen ein deutliches Warnsignal sein"

"Den Vereinen kann man nicht vorwerfen, dass sie ihre besten Spieler einsetzen. Wir verfügen zweifellos über talentierte Akteure, doch es sind schlicht zu wenige. Und wo keine Breite ist, entsteht weniger Spitze. Zudem stellt sich die Frage, welchen Anreiz ein Klub hat, auf den Österreichertopf zu setzen, wenn er einen um ein Vielfaches an Geld transferieren kann.
Selbstverständlich kann man auch über die Rolle der Akademien sprechen, doch die eigentlichen Probleme beginnen bereits in einem sehr frühen Entwicklungsstadium. Ich war kürzlich in Norwegen und konnte mir dort ansehen, welche Ansätze man dort erfolgreich umsetzt. In erster Linie ist dort das Umfeld der Kinder so gestaltet, dass sie sich natürlich und regelmäßig bewegen können. Außerdem findet keine frühzeitige Selektion im Alter von zehn oder zwölf Jahren statt; stattdessen dürfen die Kinder im Verein spielen und verschiedene Sportarten ausprobieren.
Unsere Gesellschaft wird immer älter, also müssen wir in Zukunft wirklich jedes Kind bewegungsfreundlich erziehen. Wenn die generelle Bewegungsfreude größer wird, wird das Allgemeinniveau im Spitzensport auch wieder steigen.
Einzelmaßnahmen werden allerdings nicht ausreichen, um die Situation grundlegend zu verändern. Derzeit gibt es in den Top-5-Ligen zu wenige Leistungsträger, die nach dem Jahr 2000 geboren wurden. Das sollte uns allen ein deutliches Warnsignal sein."
Austria-Akademieleiter Manuel Takacs: "Spieler, die raufkommen, sind nicht fertig"

"Ja, Österreichs Talente sind gut genug. Das haben Salzburg, Rapid und Sturm in der letztjährigen Youth-League-Saison mit positiven Spielleistungen gezeigt. Auch den ÖFB-Nachwuchsauswahlen gelingen immer wieder gute Spielleistungen mit positiven individuellen Performances. Ich glaube, dass es ganz wichtig ist, die klubinternen Talente zum richtigen Zeitpunkt den nächsten Step gehen zu lassen und in der ersten Mannschaft die gleiche Anpassungszeit zu geben, wie jedem Legionär, den man verpflichtet. Wenn Spieler beispielsweise aus der U18 oder der zweiten Mannschaft in die erste Mannschaft kommen, sind sie noch nicht fertig. Diesen letzten Step in das höchste Level müssen sie noch gehen. Dabei brauchen sie Unterstützung und Vertrauen.
Das Ligensystem in Österreich ist definitiv nicht förderlich für die Integration junger Österreicher, weil die Trainer stets unter Druck stehen. Es freut mich sehr, dass es uns als Aufsteiger gelingt, in der 2. Liga mit einem sehr hohen Anteil an eigenen Akademiespielern eine gute Figur abzugeben. Die 2. Liga ist eine gute Plattform, um eigenen Akademiespielern auf hohem Niveau den Step in die Bundesliga zu ermöglichen.
Die Arbeit mit unseren eigenen Talenten bereitet mir sehr viel Freude. Dennoch stimmt es mich das eine oder andere Mal nachdenklich, wenn es in Vertragsgesprächen mit eigenen Talenten und deren Umfeld (Berater und Eltern) zu Forderungen kommt, die überzogen sind. Hierbei wird es auch wichtig sein, dass das Umfeld und der Spieler erkennen, was passend ist, um sich nicht schon vorher die Tür zuzumachen."
Austria-Profi Reinhold Ranftl: "Das Liga-Format ist nicht förderlich"

"Österreichs Talente sind auf jeden Fall gut genug. Aber das Liga-Format in Österreich ist nicht förderlich für junge Spieler. Es geht gefühlt ab Runde eins um alles. Wenn du als Top-Verein nicht von Anfang an oben dabei bist, ist der Druck sehr groß. Dann als Verein auf junge Spieler zu setzen, ist sehr schwer. Es liegt an der Bundesliga, das Format so zu adaptieren, dass österreichische Talente wieder mehr Chancen bekommen können.
Ich bin in der Trainerausbildung und sehe, wie gut schon bei den Kleinsten in der U9 gearbeitet wird. Wenn ich das mit meiner Ausbildung vergleiche, ist das ein Wahnsinn!"
Liefering-Geschäftsführer Manfred Pamminger: "Mir wird nicht Angst und Bange"

"Von den elf am meisten eingesetzten Spielern bei uns sind nur vier nicht in Österreich geboren. Einen so hohen Anteil an rot-weiß-roter Spielzeit hatten wir noch nie. Allerdings ist für uns nur und ausschließlich die Qualität ausschlaggebend. Wenn wir erkennen, dass eine Position aus der Akademie qualitativ nicht entsprechend zu besetzen ist, holen wir fallweise Spieler aus dem Ausland, die zu unserer Spielidee passen. Derzeit haben wir sehr starke Jahrgänge und das sieht man dann auch am Ende in den Aufstellungen der jeweiligen Teams. Auf jeden Fall wird mir nicht Angst und Bange, wenn ich an die nächsten Generationen denke, weil viel Qualität da ist – das sieht man auch an den Leistungen der Jugendnationalteams.
Ich erinnere an eine Sache: Spieler wie Schlager, Laimer, Sabitzer und wie sie alle heißen, mussten sich im Kampf um Stammplätze auch immer erst gegen Spieler aus dem Ausland durchsetzen. Wenn es möglicherweise dann heißt, dass es aktuell zu viele durchschnittliche Legionäre gibt, dann sollte es für potenzielle Top-Spieler aus Österreich auch nicht so schwer sein, an ihnen vorbeizukommen."
Ex-Nachwuchs- und Sparta Prag-Frauen-Coach Michael Steiner: "Gut, dass man eingesehen hat, dass das der falsche Weg ist"

"Österreich feiert Erfolge und die braucht man nicht kleinreden. Allerdings sehe ich in den Teams wenig außergewöhnliche Spieler. Ich dachte mir immer, dass die Fußballer mit dem Ball umgehen können müssen, aber hierzulande ist man länger einen anderen Weg gegangen. Es ist gut, dass man eingesehen hat, dass das der falsche Weg ist und der ÖFB hat schon etwas geändert. In der aktuellen Ausbildungsphilosophie für die Zehn- bis 14-Jährigen heißt ein Themenfeld "Ich und mein Ball". Das wird Früchte tragen, wie man auch an Portugal sieht, wo ein ähnliches Konzept länger verfolgt wird.
Wichtig finde ich noch anzufügen, dass es nur eine Spielphilosophie gibt: Die, die funktioniert. Diese muss sich nach den Spielerprofilen richten und eine Sache anerkennen: Wir sind eine Mittelklasse-Nation. Das heißt, in manchen Spielen geht es ums Pressing und Kontern, in anderen haben wir viel Ballbesitz. Es ist gut, in beide Richtungen auszubilden."
Technischer Direktor des LASK, Valentin Grubeck: "Rangnick hat Internationalisierung selbst eingeläutet"

"Es wäre natürlich schön, wenn wir die Qualität und Dichte hätten, um das Nationalteam jährlich mit neuen Top-Spielern versorgen zu können. Wenn wir zurückschauen, hat Ralf Rangnick mit Red Bull damals selbst die Internationalisierung eingeläutet. Das hat es den besten österreichischen Talenten, die ja auch in die Red Bull Akademie gewechselt sind, schwerer gemacht. Aktuell haben wir die Dichte an Spielern, die für das Nationalteam relevant sein können, einfach nicht."
Admira-Cheftrainer Thomas Silberberger: "Der Fokus muss anders gelegt werden"

"In der Talente-Entwicklung muss eindeutig der Fokus auf individualisierte, positionelle Fähigkeiten gelegt werden. Trainer im Ausbildungsbereich werden sehr oft über Ergebnisse und tabellarisches Ranking beurteilt, dies ist meiner Meinung nach der falsche Ansatz, wenngleich die Gier auf das Gewinnen wollen ebenso geschult werden muss! Die Schulung der mentalen Bereitschaft für den Profifußball sowie eine entsprechende Arbeitshaltung im Training ist für mich ebenso ein essenzieller Bestandteil der Ausbildung.
"Jeder Klub ist im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten und seiner Zielsetzungen für seine passende Ausrichtung bzw. Struktur verantwortlich. Dass aktuell in Österreich einige Topvereine den Fokus vermehrt auf ausländische Perspektivspieler legen, ist sicherlich Produkt einiger toller Transfers in den vergangenen Jahren, die sich daraus entwickelt haben, ich denke aber dennoch, dass wir über ebenso viele hoffnungsvolle Talente verfügen. Der Sprung des Talents mit entsprechendem Mindset zum nachhaltigen Profi sowie das Vertrauen der sportlich Verantwortlichen in diese Spieler sind die wesentlichsten Faktoren für deren Entwicklungsschritte."
Harald Gärtner, Managing Director of Europe LAFC (Investor Wacker Innsbruck): "Die Besten werden sich durchbeißen"

"Aus Teamchefperspektive sieht man ja, dass der Großteil der Nationalmannschaft im Ausland spielt. Natürlich gilt es, darüber nachzudenken. Wenn ich als Verband oder als Liga einen extremen Wettbewerb zulasse - sowohl für ausländische, als auch inländische Spieler - werden sich die Besten durchbeißen. Das sehen wir auch bei uns im Kader.
Die nächste Frage ist, auf welchem Niveau die Talente in der Akademie Spielzeit sammeln und ob sie damit gut vorbereitet sind. Wenn ich als Verband feststelle: Sie sind vielleicht noch nicht so weit, um direkt in den Profifußball einzusteigen, muss ich hinterfragen, was ich in meiner Talententwicklung verändern kann."