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Helmut Köglberger: Spieler, Vorbild, Mensch [Porträt]

Er erfuhr Armut und Rassismus am eigenen Leibe und kämpfte sich dennoch nach oben, bis er als erster dunkelheutiger Teamspieler Österreichs und Jahrhundert-Kicker des LASK in die Geschichte einging. Eine untypische und umso interessantere Geschichte eines außergewöhnlichen Spielers.

+ + 90minuten.at PLUS - Eine Reportage von Simon Fuchs + +

 

Eine unbeschwerte Zeit kann man Helmut Köglbergers Jugend kaum nennen. Am 12. Jänner 1946 kommt er in Steyr als Sohn einer Magd und eines schwarzen US-amerikanischen Soldaten zur Welt. Über letzteren erfährt er zeit seines Lebens nur wenig von seiner Mutter. Diese leidet als Mutter eines Kindes von einem Besatzungssoldaten schon davor unter den Anfeindungen der ländlichen Bevölkerung im reaktionären Nachkriegsösterreich, was sie dazu veranlasst, ihren Sohn wegzugeben. „Sie hat mir nichts gesagt. Das war sehr schade für mich und hat auch zum Bruch geführt. Man möchte ja wissen, woher man kommt“, erklärt Köglberger später dem ‚Ballesterer‘. Der junge Helmut findet bei seiner Großmutter, einer Dienstbotin auf einem Bauernhof in Sierning ein neues Zuhause und wächst in ärmlichen Verhältnissen auf. 

 

Eine Kindheit im Zeichen des Fußballs

Dort, im Osten Oberösterreichs stößt er leider nicht nur auf Wohlwollen in der bäuerlichen Gesellschaft, immerhin passt er als schwarzes und außerdem uneheliches Kind eines amerikanischen Soldaten so gar nicht in deren klassisch gewachsene Strukturen. „Die Bauern waren von mir nicht gerade begeistert. Es war ja nicht so, dass nach dem Krieg die vielen Nazis sofort ihre Einstellung geändert hätten“, erzählt Köglberger dem Standard. Dennoch ist er als junger Bursche gut in das Dorfleben integriert, was nicht zuletzt dem Fußball zu verdanken ist, denn wenn „Heli“, wie er seit jungen Jahren von seinen Altersgenossen genannt wird, nicht gerade der Großmutter am Hof helfen muss, kickt er auf dem Platz der katholischen Arbeiterjugend. Dort findet er sofort Anschluss, die gemeinsame Leidenschaft für das runde Leder verbindet und lässt zwischen den Buben Freundschaften entstehen, die später mitunter bis ins hohe Alter gepflegt werden. 

"Da hat es schon Uh-Uh-Uh gemacht. Das war schon ein bisserl unter der Gürtellinie." - Helmut Köglberger

Mit zehn Jahren beginnt er beim SV Sierning zu spielen. Auch wenn die Zeiten von professionellem Jugend-Scouting zur damaligen Zeit noch in weiter Ferne liegen, zieht er mit seiner Schnelligkeit und Beweglichkeit rasch das Aufsehen der Amateure Steyr auf sich. Der dortige Jugendleiter Sepp Wolf holt Köglberger im Alter von 14 Jahren in die zehn Kilometer entfernte Stadt zum Regionalligisten, wo bereits zwei Jahre später das Debüt für die Kampfmannschaft folgen wird. Die Unterstützung vonseiten des Vereins ist von Anfang an spürbar, denn neben den Kosten für die Handelsschule kommt der Klub auch für ein Fahrrad auf, das es dem Spieler ermöglicht, den täglichen Weg zur Schule und zum Training von Sierning nach Steyr zu bewältigen.

Dort, fern vom gewohnt provinziellen Umfeld und den Freunden aus seinem Heimatdorf muss sich Köglberger, stetig mit Alltagsrassismus konfrontiert, seinen Status erst erarbeiten. Doch in der Mannschaft ist er von Anfang an akzeptiert und entwickelt sich binnen kurzer Zeit zum Topstürmer und Lokalmatador. Noch als Jugendlicher schießt er in der Regionalliga ein Tor nach dem anderen und reist zeitgleich mit dem Nachwuchs-Nationalteam durch Europa. Kaum verwunderlich, dass die spielerischen Qualitäten des pfeilschnellen Offensivspielers nicht unentdeckt bleiben – Helmut Köglberger geht 1964 im Alter von 18 Jahren nach Linz und wechselt zum LASK. (abseits.at)

 

Aufstieg zum Star

Für den jungen Kicker beginnt damit ein neues Kapitel seiner Karriere. Köglberger, der bis dahin als Ausnahmetalent in Steyr am Platz stets hervorgestochen war, muss sich schlagartig im Profi-Fußball beweisen. Auch hier weiß er mit Treffern zu überzeugen und spielt sich in die Gunst des Linzer Publikums. Doch die Hinrunde verläuft durchwachsen, im Winter wird Coach Karl Schlechta entlassen und durch den ruppigen Tschechen František Bufka ersetzt. Dieser unterzieht seine Spieler einem körperlich fordernden Trainingsprogramm, um so dem damals tonangebenden und in erster Linie spielerisch überlegenen Wiener Fußball mithilfe stärkerer Physis Paroli zu bieten. Das Unterfangen gelingt, die Linzer krönen sich am letzten Spieltag zum österreichischen Meister 1965, holen im Anschluss sogar den Cuptitel und brechen damit die von Tag eins an dagewesene Wiener Dominanz – der LASK ist der erste, nicht aus der Hauptstadt stammende Verein, der die österreichische Meisterschaft für sich entscheiden kann.

"Die Bauern waren von mir nicht gerade begeistert. Es war ja nicht so, dass nach dem Krieg die vielen Nazis sofort ihre Einstellung geändert hätten" - Helmut Köglberger

Helmut Köglberger spielt weitere vier Jahre bei den Athletikern, schießt Tor um Tor und wird als erster schwarzer Spieler im rot-weiß-roten Dress auch im A-Nationalteam zur festen Größe. Insgesamt verbucht er 28 Einsätze, schießt dabei sechs Tore und trägt auch die Kapitänsschleife. Das Highlight ist ein Spiel gegen Brasilien am 1. Mai 1974 in São Paulo. Vor 120.000 Zuschauern erreicht Österreich ein 0:0. Die „schwarze Perle“, wie er bald bejubelt wird, ist unter den gegnerischen Verteidigern gefürchtet, hat mit wachsendem Erfolg aber nach wie vor mit rassistischen Anfeindungen zu kämpfen. So ist er mitunter diffamierenden Affenlauten oder, von den gegnerischen Rängen geworfenen Bananen ausgesetzt, wovon er sich am Platz jedoch nicht verunsichern ließ: „Da hat es schon Uh-Uh-Uh gemacht. Das war schon ein bisserl unter der Gürtellinie, aber das ist heute nicht mehr so tragisch“, so Köglberger im Interview mit dem ‚Ballesterer‘.

 

Wien, Erfolg, Rückkehr

1968 wagt er den Schritt zur Wiener Austria. Ein richtiger, wie sich später herausstellt. In der Hauptstadt steigt der Stürmerstar schnell zum Fanliebling auf, wird in seiner Premierensaison gleich Torschützenkönig und erhält den bronzenen Schuh als Europas drittbester Torschütze 1968/69. Insgesamt erzielt er 202 Treffer in 301 Spielen und avanciert zum absoluten Leistungsträger der Violetten. Allerdings wird er immer wieder von Verletzungen geplagt, diverse Wechsel ins Ausland zerschlagen sich und nach sechseinhalb Jahren verlässt er die Veilchen in der Winterpause, um zum LASK zurückzukehren.

Angekommen bei seinem Herzensverein knüpft die „schwarze Perle“ an seine erste Ära bei den Linzern an, der Klub selbst kann die sportlichen Erfolge der Sechziger Jahre jedoch nicht wiederholen und steigt zwischenzeitlich sogar ab, nur um in der Folgesaison direkt wieder in die Erstklassigkeit zurückzukehren. Im Juni 1981 zwingt ein Muskelfaserriss den damals 35-Jährigen, die Fußballschuhe an den Nagel zu hängen. 

 

Etwas zurückgeben

Nach der Karriere übt Köglberger fortan mehrere Berufe aus, ist auch Fußballtrainer. Darüber hinaus ist er zwischenzeitlich bei den Steyr-Werken und der oberösterreichischen Landesregierung angestellt. 1966 heiratet er seine Frau Christine, mit der er drei Söhne hat und bis zu ihrem Tod zusammen ist. Mit einem seiner Söhne gründete er in Kenia die Fußballakademie Acakoro, die vorwiegend Kindern aus Slums den Zugang zu Bildung, medizinischer Versorgung und natürlich dem Fußballsport ermöglichen soll. Außerdem betreibt er eine Krabbelstube in Oberbairing.

Allerdings machen ihm gesundheitliche Probleme zu schaffen: Nur ein Jahr nach seinem Karriereende bricht er zusammen und erleidet epileptische Anfälle. Die Ärzte finden einen (gutartigen) orangengroßen Tumor in seinem Kopf und entfernen ihn. Später muss ihm nach einem Herzinfarkt ein Defibrillator eingesetzt werden. Schließlich verstirbt Helmut Köglberger am 23. September 2018, zehn Jahre nach seiner Wahl zum Jahrhundertspieler des LASK.

Köglberger war zweifellos eine besondere Persönlichkeit. Die aus seiner Sicht oberste Tugend war der Respekt. Dass dieser nicht selbstverständlich von jedem erbracht wird, musste der Kicker aus Sierning früh und oft genug am eigenen Leibe erfahren. Er selbst achtete nichtsdestotrotz stets auf einen fairen Umgang mit seinen Mitmenschen, so erhielt er im Laufe seiner gesamten Profi-Karriere nicht eine einzige rote Karte. In vielerlei Hinsicht galt Helmut Köglberger als Vorbild einer ganzen Generation: Er bewies, dass jede und jeder die eigenen Träume trotz noch so vieler Widrigkeiten verwirklichen kann und ebnete den Weg für zahlreiche weitere Kinder, die es, geeint durch den Fußball aus schwierigen Verhältnissen nach oben schafften.

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