Foto: © EPFL März

Georg Pangl: "Wir wollen die kleineren Klubs ermutigen, die Champions League nicht kampflos aufzugeben"

Der ehemalige Bundesliga-Vorstand Georg Pangl, aktuell Generalsekretär der European Professional Football Leagues (EPFL), im ausführlichen Interview mit 90minuten.at über die Auswirkungen der Champions-League-Reform auf Fußball-Europa und die daraus resultierende Strategie, der negativen Entwicklung entgegenzuwirken.

Georg Pangl hat im österreichischen und internationalen Fußball schon viel erlebt - und viele Positionen bekleidet. Bis Anfang 2014 war der Vorstand der österreichischen Bundesliga, aktuell kümmert er sich als Generalsekretär der European Professional Football Leagues, um die Entwicklung des europäischen Ligenfußballs. Die zuletzt verhandelte Champions League Reform ist dabei bekanntlich auf wenig Gegenliebe bei den mittleren und kleineren Ländern gestoßen. Einzelne Länder haben damals in einer ersten Reaktion bereits mit einem Austritt aus der UEFA gedroht. Für Pangl liegt der Schlüssel zum Erfolg jedoch in der konstruktiven Zusammenarbeit. Wie diese aussehen soll, hat er im ausführlichen Interview mit 90minuten.at erklärt.

 

90minuten.at: Auf die 32 Klubs der Champions League werden mehr als 2 Mrd. Euro verteilt, die 48 Klubs der Europa League erhalten immerhin 504 Mio. Euro und jene 500 Klubs, die international nicht vertreten sind, teilen sich 128 Mio. Euro. Oder anders formuliert: Der Sieger der Champions League bekommt mehr Geld aus dem Topf als die 500 Klubs, die nicht qualifiziert sind. Was sagt das über das Gleichgewicht im europäischen Fußball aus?

Georg Pangl: Die Zahlen sprechen für sich. Praktisch mit der Einführung der Champions League ist langsam und lange Zeit unbemerkt ein gewisses Ungleichgewicht im Europäischen Klubfußball gewachsen. D.h. die Schere ist im wirtschaftlichen wie auch im sportlichen Bereich weiter auseinander gegangen. Die Einnahmen sind laufend durch die TV-Verträge gestiegen, wobei die großen Klubs hier natürlich die Treiber waren. Somit gab es dadurch in den letzten 20 Jahren ein kontinuierliches und zuletzt ein extremes Wachstum der Top-Klubs. Wenn man die Finalspiele der vergangenen zehn Jahre  genau betrachtet, sieht man nur mehr dieselben Klubs, da die großen Klubs ihr Startgeld clever investiert haben, und mittlerweile globale Marken geworden sind. Die haben das Geschäft früh verstanden, da merkt man eine gewisse Handschrift. Der Gedanke der Solidarität hat dabei in den letzten Jahren gelitten, doch diese Solidarität ist wichtiger denn je.

90minuten.at: Maximal sechs Klubs aus den Ländern, die in der Uefa-5-Jahreswertung, zwischen Platz 11 und 55 liegen, spielen in der Champions League.  Wie gefährlich ist diese Entwicklung?

Georg Pangl: Das ist leider auch so wie vorher schon erwähnt eine gewachsene Entwicklung und schlecht für die Zukunft des Fußballs. Vor mehr als 25 Jahren mit der Einführung war der Grundgedanke ein anderer: Die Meister der jeweiligen Länder spielen in der Champions League.  Aufgrund des Drucks der großen Vereine hat sich dann aber die Spitze so verdichtet, dass  der zweite, dritte oder mittlerweile auch vierte der Meisterschaft der ganz großen Nationen in der Champions League mitspielt bzw. sogar gesetzt ist. Das ist sicherlich bis zu einem gewissen Grad berechtigt, aber aus Sicht der mittleren und kleineren Ländern wurde eine Linie überschritten. Es ist einfach zu konzentriert an der Spitze auf Kosten von mehr als 40 Verbänden. Sogar der Präsident der Spanischen Liga (La Liga) sagt mittlerweile: Er will gar keinen vierten Startplatz in der Champions League, weil dieser eine weitere Verzerrung seiner Liga mit sich bringt.

 

90minuten.at: Damit ist er mit seiner Meinung aber eher alleine, wenn man die anderen großen Nationen ansieht ..

Georg Pangl: Er bricht die negativen Auswirkungen runter für sein Land. Grundsätzlich sind wir als Europäische Ligen aber auch der Meinung, dass vier Fixplätze für die Topnationen zu viel sind. Das geht zu sehr auf Kosten der kleineren Länder. Wir werden uns daher mit allen Stakeholdern, besonders mit der UEFA, über den Zyklus für die Jahre 2021 bis 2024 unterhalten, damit wir  Änderungen im Sinne der Entwicklung des Europäischen Fußballs herbeiführen können.

 

90minuten.at: Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Der Zyklus 2018 bis 2021 ist in Stein gemeißelt?

Georg Pangl: Für den nächsten Zyklus von 2018 bis 2021 wollen wir noch versuchen, die  Solidaritätszahlungen bestmöglich zu Gunsten der kleineren Länder zu verschieben. Der Rahmen und die Struktur stehen aber fest, der Verkaufsprozess der TV-Rechte wurden auf dieser Basis inzwischen abgeschlossen.

 

90minuten.at: Jetzt mal ganz direkt gefragt: Brauchen die Top 5 Ligen überhaupt den Rest?

Georg Pangl: Dazu sage ich ein klares Ja. Wenn man sich zurückerinnert, war es in den vergangenen Jahren  ein Thema, als  Vertreter der Top-Klubs aus München, Barcelona oder Madrid Statements abgegeben haben oder auch deren englischen Kollegen sich teils öffentlich getroffen und über eine mögliche eigene Super Liga diskutiert haben. In weiterer Folge wurde auch deswegen die Reform so beschlossen, wie wir sie jetzt kennen. Eines müsste dann für die großen Klubs gelten und von FIFA und UEFA auch konsequent durchgezogen werden: Wenn man sich lossagt vom organisierten Fußball, kann es auch keinen Zugriff mehr auf die Spieler der kleineren Länder geben. Die DFL und ihre Klubs holen aus Ländern wie Österreich, Schweiz, Tschechien & Co. die besten Spieler, von denen wieder die besten von den Klubs der Premier League gekauft werden.  Ich glaube, dass aufgrund der jüngsten Entwicklung für die großen Klubs die Überlegungen einer eigenen Liga vom Tisch sind. Es sind zum Teil auch neue Köpfe am Werk und man kann zuversichtlich sein, weil bereits positive Signale nach Gesprächen erfolgt sind.

 

90minuten.at: Das heißt, aus Ihrer Sicht ist mehr Verantwortungsgefühl bei den Großen zu spüren. Ich entgegne, dass man sich leicht tut, derartig zu agieren, wenn man gerade die aktuelle Reform beschlossen hat, die vor allem die großen Klubs bevorzugt ..

Georg Pangl: Ich gehe davon aus, dass eine Zusammenarbeit unerlässlich ist und dieses Verantwortungsgefühl ernst gemeint ist, obwohl die Reform den Klubs in die Hände spielt. Es gibt genug Zahlen und Argumente, dass man das Thema im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung des Europäischen Fußballs ernst nimmt.

 

>>> Seite 2 - Pangl: "15 Klubs schieben die Spieler hin und her"

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