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Andreas Schicker: „Ich muss die Spieler finden, die mit Sturm etwas erreichen wollen“

Seit November ist Andreas Schicker als Chefscout und Videoanalyst beim SK Sturm tätig. Der erst 32-Jährige Ex-Kicker und Sportdirektor vom SC Wiener Neustadt will damit den nächsten Karriereschritt machen.

Das Gespräch führte Jürgen Pucher

 

Andreas Schicker ist noch neu beim SK Sturm. Und er musste mehr oder weniger mitten drinnen beginnen. Er kam in einer turbulenten Phase zum Klub. Ein Trainerwechsel stand am Programm. Roman Mählich ersetzte Heiko Vogel auf der Bank in Liebenau und Schicker arbeitet so wieder mit einem alten Bekannten zusammen. Sportchef Günter Kreissl komplettiert das Wiener Neustädter Ehemaligentreffen in Graz-Messendorf. In vertrautem Umfeld musste sich der Steirer in seinen ersten Wochen dem großen Ziel des Klubs unterordnen. Alle Kraft gilt dem Erreichen der Meisterrunde, deswegen hat er vor Weihnachten hauptsächlich die jeweils nächsten Gegner analysiert. „Ich weiß wie Roman tickt und welche Infos er braucht“, erklärt der Neuzugang in Graz. In Zukunft soll aber die Rolle des Chefscouts die Hauptaufgabe von Schicker sein. Wie er diese Rolle anlegen will, welche Möglichkeiten ein Klub wie Sturm hat und wieso der Scout oft auch im Moment leben muss, erzählt er im 90Minuten.at-Jahresgespräch.

90minuten.at: Sie waren bei Wiener Neustadt Sportdirektor und sind jetzt als Videoanalyst und Chefscout zum SK Sturm gekommen. Klingt zunächst einmal ein wenig nach Abstieg in der Hierarchie. Vom Chef zum Mitarbeiter der sportlichen Leitung.

Andreas Schicker: Sicher war es so, dass ich in Wiener Neustadt bei sportlichen Belangen die Letztentscheidung in Abstimmung mit dem Vorstand getroffen habe. Ich habe aber bei meinem alten Klub Analyse und Scouting schon mitbetreut, deswegen ist mir diese Art der Tätigkeit durchaus vertraut. Damit, dass ich eine Reihe zurückgegangen bin, damit habe ich überhaupt kein Problem.

 

90minuten.at: Hat dieser Schritt etwas damit zu tun, dass in der zweiten Liga in Österreich die Perspektive nicht wirklich gegeben ist?

Schicker: Ja, durchaus. Das sportliche Niveau ist im Vergleich zur letzten Saison gesunken und Dinge wie die Aufmerksamkeit oder das Bild, das diese Liga nach außen abgibt, sehe ich sehr kritisch. Und ich glaube, das wird noch schlimmer werden, wenn nicht etwas passiert. Ohne breite TV-Übertragung ist sie für potenzielle Sponsoren einfach nicht sehr attraktiv. Zugleich ist Sturm ein großer Verein, der für mich eine Chance für den nächsten Schritt darstellt. Insbesondere in der Konstellation mit Günter Kreissl und Roman Mählich, die hier die sportliche Verantwortung haben.

 

90minuten.at: Ihr kennt euch alle drei sehr gut aus früherer Zusammenarbeit. Ab wann gab es denn schon Kontakt zu Sturm wegen einer möglichen Verpflichtung?

Schicker: Günter Kreissl hat mich im Sommer 2018 das erste Mal konkret gefragt, ob ich mir das vorstellen kann. Damals konnte ich aber Wiener Neustadt einfach nicht im Stich lassen. Es gab die Relegation und den Rechtsstreit mit St. Pölten. Kein Spieler hat einen Vertrag gehabt und ich wollte es zu einem Punkt bringen, wo ich sagen konnte: so kann ich das übergeben. Im Austausch war ich mit Kreissl aber eigentlich ständig und in der Länderspielpause im Oktober haben wir dann das erste Mal ganz konkret über den Wechsel gesprochen. Wir haben uns geeinigt, dass ich nach Ende der Herbstsaison bei Sturm anfangen werde. Mit der Verpflichtung von Roman Mählich hat das aber alles nichts zu tun gehabt.

 

"Sturm hat außerdem in der Offensive viel Qualität. Im Laufe der Zeit wird das mehr und mehr zur Geltung kommen. Aber zunächst heißt es hinten keine Tore zu bekommen." - Andreas Schicker

90minuten.at: Die Tätigkeit in Graz hat vor ein paar Wochen begonnen. Was sind Ihre Aufgabengebiete?

Schicker: Jetzt zu Beginn liegt der Schwerpunkt auf der Videoanalyse für die nächsten Gegner, gemeinsam mit Paul Pajduch. Ich habe früher schon mit Mählich zusammengearbeitet. Ich weiß genau, welche Szenen er will und wo seine Schwerpunkte liegen. Deswegen war das ein logischer Einstieg für meine Arbeit, weil er auch gerade erst hier begonnen hat und diese Unterstützung gut brauchen kann.

 

90minuten.at: Worauf legt der Trainer Roman Mählich besonderen Wert?

Schicker: Das hängt viel vom jeweiligen Gegner ab. Seine große Stärke in meinen Augen ist, dass er die wesentlichen Informationen an die Mannschaft weitergeben kann. Er bringt im Training und bei Besprechungen das auf den Punkt, was das wichtigste ist. Man sieht nach den ersten Spielen, dass die Mannschaft das auch sofort umsetzen konnte.

 

90minuten.at: Sie haben sicher auch das eine oder andere Spiel von Sturm unter Heiko Vogel gesehen. Wo liegen die Unterschiede zwischen damals und heute?

Schicker: Das ist ohnehin nicht zu übersehen. Wir stehen defensiv stabiler und ich glaube, es war dringend notwendig das als ersten Schritt zu machen. Das ist die Basis einer jeden erfolgreichen Mannschaft. Sturm hat außerdem in der Offensive viel Qualität. Im Laufe der Zeit wird das mehr und mehr zur Geltung kommen. Aber zunächst heißt es hinten keine Tore zu bekommen. Es wird aber nicht immer nur 5-4-1 sein, im Ballbesitz haben wir in den Spielen unter Roman teilweise schon ein 3-4-3 gespielt.

 

90minuten.at: Ist das so einfach? Das Umschalten von tief stehen, reagieren, auf Spiel gestalten und offensive Ausrichtung?

Schicker: Das ist ein Prozess und es wird uns helfen, dass es bald eine längere Vorbereitung gibt, wo der Wettbewerbsdruck weg ist und in Testpielen neue Sachen probiert werden können. Mählich hat außerdem schon damals bei Wiener Neustadt bewiesen, dass er das kann. Man muss nur die Ballbesitzwerte der Mannschaft anschauen. Zu Beginn seiner Tätigkeit in Wiener Neustadt waren die bei etwa 40 Prozent, im Frühjahr meistens bei über 60 Prozent. Ich bin überzeugt, das Spiel von Sturm wird genauso im Laufe der Zeit flexibler und offensiver werden.

 

90minuten.at: Der zweite Bereich, für den Sie verpflichtet worden sind, ist das Scouting. Was ist in diesem Bereich in nächster Zeit geplant?

Schicker: Zunächst einmal hängen Videoanalyse und Scouting natürlich zusammen. Man kann zwar nicht auf alles zugleich schauen, aber was wir in der Gegneranalyse sehen, verwenden wir, wenn es passt, genauso für unsere Scoutingaktivitäten. Wenn ich grundsätzlich das mannschaftstaktische Verhalten beobachte, sehe ich die Szenen so oft, dass auffällige Einzelspieler ebenso in Erinnerung bleiben. Langfristig wird meine Hauptaufgabe im Scouting sein. Wir werden jetzt in der Winterpause eine detailliertere Planung vornehmen, am Beginn meiner Arbeit in Graz waren aber die Spiele bis Weihnachten im Vordergrund.

 

90minuten.at: Seit Imre Szabics mit Franco Foda zum ÖFB gewechselt ist, war der Posten des Chefscouts bei Sturm nicht besetzt. Wer hat diese Arbeit in dieser Zeit gemacht und wo steigen Sie da jetzt ein?

Schicker: Viel hat Sportdirektor Kreissl in dieser Zeit abgedeckt. Aber auch Leute wie Samir Muratovic oder Bruno Friesenbichler waren immer wieder für das Scouting im Einsatz und werden es weiterhin sein. Es gibt mit Didi Schilcher zusätzlich einen Scout für die 6-14-Jährigen. Mein Fokus wird sicher mehr auf potenziellen Spielern für die erste Mannschaft liegen. Ich bin jetzt am Anfang dabei, mir ein Bild über die vorhandenen Daten und Unterlagen zu machen und das alles für mich zu ordnen. Zugleich werden ständig unzählige Spieler von Agenturen und Beratern angeboten, die ich mir anschauen muss. Alle Erkenntnisse, die für uns interessant sind, kommen in eine Datenbank, die ich aufbaue und weiterentwickle.

 

Auf Seite 2 des Interviews erklärt Andreas Schicker, wo die Scouting-Schwerpunkte liegen, wie man sich gegen übermächtige Red Bull-Konkurrenz behaupten kann und warum er als Scout doch oft eher im Moment als langfristig denken muss.

 

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