"Sturm hat außerdem in der Offensive viel Qualität. Im Laufe der Zeit wird das mehr und mehr zur Geltung kommen. Aber zunächst heißt es hinten keine Tore zu bekommen."
90minuten.at: Die Tätigkeit in Graz hat vor ein paar Wochen begonnen. Was sind Ihre Aufgabengebiete?
Schicker: Jetzt zu Beginn liegt der Schwerpunkt auf der Videoanalyse für die nächsten Gegner, gemeinsam mit Paul Pajduch. Ich habe früher schon mit Mählich zusammengearbeitet. Ich weiß genau, welche Szenen er will und wo seine Schwerpunkte liegen. Deswegen war das ein logischer Einstieg für meine Arbeit, weil er auch gerade erst hier begonnen hat und diese Unterstützung gut brauchen kann.
90minuten.at: Worauf legt der Trainer Roman Mählich besonderen Wert?
Schicker: Das hängt viel vom jeweiligen Gegner ab. Seine große Stärke in meinen Augen ist, dass er die wesentlichen Informationen an die Mannschaft weitergeben kann. Er bringt im Training und bei Besprechungen das auf den Punkt, was das wichtigste ist. Man sieht nach den ersten Spielen, dass die Mannschaft das auch sofort umsetzen konnte.
90minuten.at: Sie haben sicher auch das eine oder andere Spiel von Sturm unter Heiko Vogel gesehen. Wo liegen die Unterschiede zwischen damals und heute?
Schicker: Das ist ohnehin nicht zu übersehen. Wir stehen defensiv stabiler und ich glaube, es war dringend notwendig das als ersten Schritt zu machen. Das ist die Basis einer jeden erfolgreichen Mannschaft. Sturm hat außerdem in der Offensive viel Qualität. Im Laufe der Zeit wird das mehr und mehr zur Geltung kommen. Aber zunächst heißt es hinten keine Tore zu bekommen. Es wird aber nicht immer nur 5-4-1 sein, im Ballbesitz haben wir in den Spielen unter Roman teilweise schon ein 3-4-3 gespielt.
90minuten.at: Ist das so einfach? Das Umschalten von tief stehen, reagieren, auf Spiel gestalten und offensive Ausrichtung?
Schicker: Das ist ein Prozess und es wird uns helfen, dass es bald eine längere Vorbereitung gibt, wo der Wettbewerbsdruck weg ist und in Testpielen neue Sachen probiert werden können. Mählich hat außerdem schon damals bei Wiener Neustadt bewiesen, dass er das kann. Man muss nur die Ballbesitzwerte der Mannschaft anschauen. Zu Beginn seiner Tätigkeit in Wiener Neustadt waren die bei etwa 40 Prozent, im Frühjahr meistens bei über 60 Prozent. Ich bin überzeugt, das Spiel von Sturm wird genauso im Laufe der Zeit flexibler und offensiver werden.
90minuten.at: Der zweite Bereich, für den Sie verpflichtet worden sind, ist das Scouting. Was ist in diesem Bereich in nächster Zeit geplant?
Schicker: Zunächst einmal hängen Videoanalyse und Scouting natürlich zusammen. Man kann zwar nicht auf alles zugleich schauen, aber was wir in der Gegneranalyse sehen, verwenden wir, wenn es passt, genauso für unsere Scoutingaktivitäten. Wenn ich grundsätzlich das mannschaftstaktische Verhalten beobachte, sehe ich die Szenen so oft, dass auffällige Einzelspieler ebenso in Erinnerung bleiben. Langfristig wird meine Hauptaufgabe im Scouting sein. Wir werden jetzt in der Winterpause eine detailliertere Planung vornehmen, am Beginn meiner Arbeit in Graz waren aber die Spiele bis Weihnachten im Vordergrund.
90minuten.at: Seit Imre Szabics mit Franco Foda zum ÖFB gewechselt ist, war der Posten des Chefscouts bei Sturm nicht besetzt. Wer hat diese Arbeit in dieser Zeit gemacht und wo steigen Sie da jetzt ein?
Schicker: Viel hat Sportdirektor Kreissl in dieser Zeit abgedeckt. Aber auch Leute wie Samir Muratovic oder Bruno Friesenbichler waren immer wieder für das Scouting im Einsatz und werden es weiterhin sein. Es gibt mit Didi Schilcher zusätzlich einen Scout für die 6-14-Jährigen. Mein Fokus wird sicher mehr auf potenziellen Spielern für die erste Mannschaft liegen. Ich bin jetzt am Anfang dabei, mir ein Bild über die vorhandenen Daten und Unterlagen zu machen und das alles für mich zu ordnen. Zugleich werden ständig unzählige Spieler von Agenturen und Beratern angeboten, die ich mir anschauen muss. Alle Erkenntnisse, die für uns interessant sind, kommen in eine Datenbank, die ich aufbaue und weiterentwickle.
Auf Seite 2 des Interviews erklärt Andreas Schicker, wo die Scouting-Schwerpunkte liegen, wie man sich gegen übermächtige Red Bull-Konkurrenz behaupten kann und warum er als Scout doch oft eher im Moment als langfristig denken muss.