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Gernot Zirngast: "Man kann und darf nicht zusehen, wie der ÖFB mit seiner Monopolstellung umgeht"

Im Interview mit 90minuten.at bekräftigt VdF-Vorsitzender Gernot Zirngast die Kritik am neuen Entschädigungssystem des ÖFB.  

Es war nicht zu überhören und zu überlesen: Die VdF hat im Juni heftige Kritik am ÖFB geübt. Kurzfassung: Bei den vorgenommenen Änderungen der Transferbedingungen nutzt der ÖFB seine Monopolstellung aus, agiert wenig transparent und mauert. Die Medienpräsenz, die aufgrund der Aussendung generiert wurde, war groß. Viele Medien haben die Aussendung der VdF übernommen. Doch wie sieht es im Detail wirklich aus? Welche Auswirkungen hat das neue System und wie reagiert eigentlich der ÖFB, der bisher zu den Vorwürfen öffentlich geschwiegen hat? 90minuten.at hat sich bei beiden Institutionen, ÖFB (Generalsekretär Thomas Hollerer) und VdF, einen Termin geben lassen und versucht, Lichts in Dunkel zu bringen. 

 

Von der VdF steht Gernot Zirngast für ein Interview zur Verfügung, der auch zum Termin ein paar reale Fälle mitbringt - also konkrete Auswirkungen des neu organisierten Ausbildungs- und Transferentschädigungssystems:

 

Fall 1: Filip Alt, geb. 2003 ...

... und am 1.7.2017 noch 13 Jahre alt, 5 Jahre LAZ (Ende 30.6.2017), Stammverein in dritter Landesverbandstufe Niederösterreich (Gebietsliga), Wechsel in eine AKA mit 1.7.2017.

 

Wechsel in AKA des Landesverbandes NÖ   

 

Alt

Neu

LAZ

0,00 €

0,00 €

Stammverein

0,00 €

0,00 €

 

0,00 €

0,00 €

 

Vereinswechsel zu Mattersburg und AKA Burgenland

 

 

Alt

Neu

LAZ

1.050,00 €

3.360,00 €

Stammverein

1.100,00 €

1.680,00 €

 

2.150,00 €

5.040,00 €

                                                                                               

Fall 2: Norbert König ...

... seit 3.4.2017, 25 Jahre alt, hatte Vertrag bei einem Bundesligaverein seit Jänner 2016, der am 31.5.2017 geendet hat. Er ist nun arbeitslos gemeldet und war LAZ- und Akademie-Spieler. Er wechselt jetzt als Nichtamateur (oder Amateur – es macht KEINEN Unterschied) in die Regionalliga.

ALT: € 0,--     NEU: € 17.040,--

 

"Ein Wechsel innerhalb der Bundesliga oder ins Ausland wäre aufgrund seines Alters kostenfrei! In die Regionalliga kostet er seit 1.5.2017 unter Missachtung von BOSMAN eine Ausbildungsentschädigung", so Zirngast.

 

Fall 3: Markus Rein...

... seit 27.6.2017, 19 Jahre alt und mit zwei Jahren LAZ-Ausbildung in der Hauptstufe (3. Und 4. Jahr mit 13 und 14) wechselt nach Auslauf seines Vertrages als Profispieler in der 2. Bundesliga (weil er kein neues Vertragsangebot erhalten hat) in die Landesliga. Er bleibt dort Nichtamateur (im Endeffekt ist es aber egal – auch wenn er als reiner Amateurspieler wechselt ändert sich für ihn punkto Ausbildungsentschädigung nichts).

 

ALT: € 0,--     NEU: € 6.200,--

 

"Bei einem Wechsel innerhalb der Bundesliga würde trotz keines neuen Vertragsangebotes eine Ausbildungsentschädigung anfallen – bei einem Wechsel ins Ausland nicht, da er kein Vertragsangebot erhalten hat und nur dann eine Entschädigung möglich wäre", meint Zirngast.

 

Fazit von Gernot Zirngast: "Speziell junge Spieler, die von einem LAZ in eine Akademie eines Bundesligavereines wechseln und Nichtamateure werden durch das neue Transfersystem extrem benachteiligt und einer Willkür ausgesetzt. Die Freigabe mit 28 Jahren für Amateure (!) ist eine Nebelgranate! Vergleich andere Sportarten in Österreich: Basketball bis 22; Handball, Eishockey bis 23. Vergleich international: Überall üblich Ausbildungsentschädigungen nur bis 23 fällig. Der Berechnungszeitraum ist auch eine Umgehung des FIFA-Regulatives, in dem steht dass die Ausbildung nur in den Jahren von 12-21 berechnet werden darf, in Ö von 9-23 Jahren. Es scheint sich im Endeffekt um eine Finanzierung der Landesverbände durch die Talente (Geschäfte auf dem Rücken der Kinder) und deren Eltern zu handeln. Diese massive Teuerung kann sich auch sportlich extrem negativ auswirken, wenn Talente aufgrund zu hoher Kosten nicht mehr von Bundesligavereinen für ihre Akademien verpflichtet werden. Im Gegenzug dazu fällt auf, dass junge Spieler zu einer Landesverbands-Akademie in ihrem Bundesland ohne Zahlungen wechseln können. Zudem wird nach einer AKA-Ausbildung nicht darauf Bezug genommen, ob der Spieler ab der Regionalliga abwärts künftig als Amateur oder Nichtamateur agiert. Die Ausbildungsentschädigung bleibt immer gleich."

90minuten.at: Der ÖFB hat die Transferbedingungen neu gestaltet, was von der VdF heftig kritisiert wurde. War die VdF im Vorfeld nicht eingebunden, um sich einzubringen?

Gernot Zirngast: Das Thema der Neugestaltung liegt schon seit Jahren auf dem Tisch und die VdF hat sich dazu vor langer Zeit und im Anfangsstadium sehr wohl äußern dürfen und ihre Vorstellungen dargestellt. Auch in direkten Gesprächen mit ÖFB-Vertretern. In letzter Zeit gab es keine Einladung mehr zu derartigen Meinungsäußerungen – geschweige denn Einladungen zu entsprechenden Meetings, um offene Fragen zwischen uns auszudiskutieren. Wir haben jedoch sehr wohl stets auf die von uns kritisierten Punkte mehrfach auf verschieden Art und Weise hingewiesen und hätten uns erwartet, dass der ÖFB mit einem geplanten Entwurf auf uns zukommt und unsere Meinung dazu einfordert. Dies ist leider nicht geschehen und wir sind gleich mit dem fertigen Regulativ konfrontiert worden.

 

90minuten.at: Der neue ÖFB-Generaldirektor Thomas Hollerer gilt als jemand, der bisher sehr offen mit anderen Institutionen kommuniziert hat. Warum denken Sie, ist dies in diesem Fall nicht geschehen?

Zirngast: Diese Frage kann nur er selbst beantworten. Wir hatten jedenfalls auch das Gefühl, dass sich die Kommunikation zwischen VdF und ÖFB mit dem neuen Generalsekretär verbessert. Es gab Gespräche zu allgemeinen Themen rund um den Fußball, Einladungen zur Teilnahme an unseren Diskussionen und im Dezember ein Treffen mit ihm und dem Präsidenten. Im Nachhinein scheint das nur der Versuch gewesen zu sein, unser Gefühl zu bestärken. Wirklich einbinden – vor allem zu Themen die die Spieler betreffen – will man uns augenscheinlich nach wie vor nicht.

 

"Vereine bekamen auf Anfrage bei ihren Landesverbänden keine Hilfestellung bei der Berechnung und Festsetzung der neuen Entschädigung" - Gernot Zirngast

90minuten.at: Welches Feedback haben Sie vom ÖFB bisher nach Veröffentlichung der Kritik bekommen?

Zirngast: Erstmals gar keines. Es gab bisher keine Stellungnahme des ÖFB zu unserer Sichtweise mit Ausnahme eines, für uns völlig unverständlichen, Schreibens an unserer Muttergewerkschaft Younion, die mit der Sachlage gar nicht vertraut ist. Der Grund und der Zweck dafür liegen im Dunklen.  Dazu muss man auch wissen, dass wir vom ÖFB immer nur in Fragmenten und auf Nachfrage informiert wurden. Wir haben vor der Veröffentlichung unserer Kritik einen Termin eingefordert, um unsere Sicht der Dinge vorzubringen. Der hat leider nichts gebracht, weil man nicht inhaltlich mit uns diskutieren wollte, sondern seitens des ÖFB nur auf die (vermeintliche) Zusammenarbeit bei den arbeitslosen Spielern und die Unterstützung der Bruno-Gala hingewiesen hat. Danach wurde von uns noch Präsident Windtner schriftlich informiert, dass wir es bedauern, dass man die Chance einer Zusammenarbeit zu Spielerthemen, seitens des ÖFB nach den Annäherungen im Vorfeld gerade bei so einem wichtigen Thema vergibt. Auch hier gab es bisher keine Antwort.

 

90minuten.at: Welches Feedback haben Sie von betroffenen Fußballern und Vereinen bisher bekommen?

Zirngast: Ein Katastrophales! Vereine bekamen auf Anfrage bei ihren Landesverbänden keine Hilfestellung bei der Berechnung und Festsetzung der neuen Entschädigung. Es gab kein nachvollziehbares Procedere für eine klare Bestimmung der Höhe der Zahlungen und dadurch kursierten viele unterschiedliche Zahlen zum gleichen Transfer eines Spielers. Manche Verbände haben dazu LAZ-Beiträge rückverrechnet und dadurch Diskussionen mit den betroffenen Eltern ausgelöst. Bundesligavereine haben zu Unrecht Zahlungen für Spieler verlangt, die jeder Grundlage entbehrten. Und viele Vereinsvertreter und vor allem vertragslose Spieler haben sich uns gegenüber negativ zu den neuen Bestimmungen geäußert.

 

90minuten.at: Letztes Jahr ist auch erstmals in der Öffentlichkeit die Idee aufgekommen, dass die Vereine selbst eine eigene Interessensvertretung brauchen. Wäre die VdF dafür offen?

Zirngast: Ich kann dieses Anliegen der Vereine absolut nachvollziehen, verstehen und unterstütze das auch. Wir sehen uns selbst oft und in letzter Zeit vermehrt mit Hilferufen von Funktionären konfrontiert, die sich darüber beschweren, dass der Verband über ihre Köpfe hinweg entscheidet und keine Hilfestellungen bietet. Wir helfen ihnen oftmals auch – vor allem wenn der betroffene Spieler Mitglied ist oder wird. Aber wir sind eine Vertretung der Spieler, müssen und wollen das auch bleiben.

 

90minuten.at: Wie geht es jetzt weiter? Welche Maßnahmen könnte die VdF hier noch setzen, um den Druck zu erhöhen?

Zirngast: Vorweg muss man festhalten, dass sich das neue Regulativ für reine Amateurspieler, die nie in einer LAZ- oder AKA-Ausbildung gestanden sind, verbessert hat. Für Nichtamateure gibt es unzulässige Verschlechterungen und betreffend Ausbildung der Talente eine unglaubliche Kostenexplosion. Wir werden das weiterhin öffentlich thematisieren und warten auf die Möglichkeit, bei den Nichtamateuren auch rechtlich etwas unternehmen zu können. Letztendlich ist aber auch die Politik gefragt. Man kann und darf nicht zusehen, wie der ÖFB mit seiner Monopolstellung umgeht, Spielerrechte ignoriert, Förderungen kassiert und keine transparente Darstellung dazu liefert. Und wir werden das Thema einer notwendigen unabhängigen Nachwuchsberatung für Talente und deren Eltern wieder verstärkt thematisieren, das ÖFB und Bundesliga vor Jahren nicht unterstützen wollten. Jetzt wissen wir warum.

 

Thomas Hollerer im 90minuten.at-Interview zu den VdF-Vorwürfen

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