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Rapid braucht mehr Positionsspiel. Und das so schnell wie möglich

Was Rapid nach dem Abgang von Barisic letzte Saison gebraucht hätte, wäre der nächste Schritt in Sachen Ballbesitzfußball gewesen. Eine Taktik-Analyse von Momo Akhondi

Die große Rapid-Analyse in drei Teilen: Rapid ist in der wohl schwersten Krise der vergangenen Jahre. Statt Meistertitel und Europa League kämpft der Klub mit Damir Canadi darum, nicht in den Abstiegssumpf hineingezogen zu werden.

90minuten.at analysiert die Rapid-Krise in drei Teilen:

Teil 1: Rapid und Canadi: Trainerbestellungen und der Zwang nach Narrativen.

Teil 2: Canadis Flankenfokus wird für die Spitze nicht reichen

Teil 3 (dieser Artikel): Rapid braucht mehr Positionsspiel. So schnell wie möglich.

 

Wenn es um das Spiel mit dem Ball geht, hat das Wort „Positionsspiel“ in den letzten Jahren stark an Popularität gewonnen. Das sogenannte „Juego de Posicion“ ist in aller Munde und auch wenn nicht jede Mannschaft auf ein komplettes Positionsspiel setzt, so hat jede offensiv erfolgreiche Mannschaft – ob bewusst oder nicht – Grundprinzipien des Positionsspiels in ihrem Spiel implementiert.

 

FC Chelsea und Conte

Bestes Beispiel hierfür ist der FC Chelsea unter Antonio Conte, der kein Positionsspiel im herkömmlichen Sinne praktizieren lässt, jedoch verschiedene Offensivprinzipien, wie die Nutzung der Halbräume, einstudierte Tiefenläufe über den dritten Mann und nicht zuletzt die Feldbesetzung beim ersten Ballvortrag aus dem Positionsspiels übernommen hat. Conte spielt sozusagen seine ganz eigene, personalisierte Variante des Positionsspiels.

Österreich bei der Euro 2016

ÖFB-Team und Koller

Ein weiteres interessantes Beispiel in diesem Zusammenhang ist die österreichische Nationalmannschaft unter Marcel Koller. In der äußerst erfolgreichen EM-Qualifikation konnte man in den Angriffen des Nationalteams immer wieder Spielzüge sehen, welche den Grundprinzipien des spanischen Positionsspiels entsprachen. Wurden diese – vor allem gegen Ungarn in Frankreich – wiederum weniger gut umgesetzt, war auch die Offensivperfomance des ÖFB-Teams augenmerklich schlechter. Ob dem Nationalteam auch tatsächlich bewusst war, wieso sie phasenweise so durchschlagskräftig in der Offensive agierte, ist eine andere Sache.

 

Es kann jedoch festgehalten werden: man muss kein Verfechter des spanischen „Juego de Posicion“ sein, um mit seiner Mannschaft gewisse Grundprinzipien umzusetzen.

 

Im Positionsspiel nach Vorbild des spanischen „Juego de Posicion“ ist das primäre Ziel der ballführenden Mannschaft, den Gegner und nicht den Ball zu bewegen. Der Gegner soll aus seiner defensiven Ausgangsstruktur herausgelockt werden, um damit wichtige Räume freizugeben. Selbstverständlich hat jeder Gegner, der zum Allianz-Stadion anreist, einen eigens angefertigten Defensivplan im Gepäck. Die meisten Teams wollen dabei ihr Zentrum dicht machen und dann über Konter und Standards zum Erfolg kommen. Im Rahmen des Positionsspiels wird bei solch einer Ausgangslage versucht, dem Gegner die Ausführung seines Defensivplans so schwer wie möglich zu machen und ihn bestenfalls in Situationen zu zwingen, welche dieser ursprünglich vermeiden wollte.

 

Initialer Ballvortrag und Canadi

Ein gutes Beispiel hierfür ist eben jener initiale Ballvortrag, der unter Damir Canadi bislang so viele Probleme bereitet hat. Zwei einfache aber sehr effektive Beispiele aus den Grundprinzipien des Positionsspiels unterstreichen dieses Problem gut:

Rapids Problem im Spielaufbau: der erste Pass geht vom Halbverteidiger direkt auf die Außen, der Gegner kann seine Formation beibehalten und geschlossen aus der Formation heraus rausrücken bzw. sich schlichtweg im Block fallen lassen.

Eine Lösung im Sinne des Positionsspiels würde vorsehen, dass man stattdessen versucht, den Gegner aus seiner Defensivformation heraus zu zwingen, um ihn damit nachhaltig in seiner Struktur zu destabilisieren. Im ersten Fall wird ein „Anlock“-Pass auf einen der Sechser gespielt, der den Gegner automatisch zu einer Reaktion zwingt. Der Gegner zieht sich zusammen und möchte den Raum um den Ballführenden Sechser engmachen. Dieser entzieht sich dem Druck mit einem Pass aus dem Ballungsraum heraus. Der Ball ist in beiden Situationen vom Halbverteidiger zum Außenverteidiger gekommen. Im Beispiel des Positionsspiels jedoch über einen dritten Spieler. Das macht schlussendlich einen großen Unterschied aus und zeigt die Grundidee des Positionsspiels gut.

Weiteres klassisches Beispiel im Positionsspiel: Der Ball auf den Außenverteidiger wird zwar sofort gespielt. Damit wird aber beim Gegner bewusst eine Pressing- „Falle“ aktiviert. Der Gegner soll aus seiner Formation heraus und versuchen den Außenverteidiger zu stellen, womit die Mitte freigeben wird. Der ballführende Außenverteidiger spielt jedoch postwendend zurück zum Halbverteidiger, der somit ein geöffnetes Zentrum vor sich hat.

Spielzüge wie diese sind im Positionsspiel fest verankert und nehmen einen hohen Stellenwert ein, um den Gegner nach eigenen Belieben zu verschieben und in weiterer Folge die geöffneten Räume zu bespielen. Die Positionsstruktur und die Zonenbesetzung werden dabei so gewählt, dass bei Ballverlust die ballnahen Räume numerisch jederzeit gut besetzt sind und dadurch die Möglichkeit gegeben ist, den Ball direkt wieder zurückzuerobern – es wird das sogenannte Gegenpressing betrieben.

 

>>> Seite 2 – Ziel bei Ballbesitz: Freispielen zwischen den Linien

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