Taktik

Canadis Flankenfokus wird für die Spitze nicht reichen

In Teil 2 der großen Rapid-Analyse von 90minuten.at widmen wir uns dem Flankenspiel von Damir Canadi, das auch auf lange Sicht nicht zum Erfolg führen wird.

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Funktioniert es mit neuen, anderen Spielern besser?

Es wird jetzt argumentiert, dass mit einem anderen Spielermaterial auch Rapid diese Spielweise erlernen könnte. Abgesehen davon, dass Rapid dadurch seine jungen Spieler, die für den Verein eine Wertanlage darstellen, verschwenden würde, dazu außerdem noch Geld für Neuzugänge ausgegeben müsste, sind die Erfolgschancen für Canadis Masterplan im Endeffekt nicht besonders hoch.

 

Bestes Beispiel West Bromwich Albion

Eine Mannschaft, die den Flankenfokus nämlich in den letzten Jahren perfektioniert hat und in diesem Zusammenhang als gutes Beispiel gilt, ist West Bromwich Albion unter ihrem Trainer Tony Pulis. Seine markante Spielweise wird treffenderweise „Pulisball“ genannt. Kaum eine Mannschaft setzt so systematisch auf Flanken und Standards wie Tony Pulis, der zudem den gesamten Kader auf diese Spielweise abgestimmt hat. WBA gelingt mit dieser Spielweise auch immer wieder die Sensation, wie zuletzt beim 3:1 Sieg gegen Arsenal. Diese Saison sind sie auf dem sehr guten 9. Platz in der Premier League und werden wohl die beste Platzierung der Klubgeschichte erreichen. Doch zu mehr wird es wohl nicht reichen. Denn auch WBA schafft es nicht, die Rate der Flankenkonversion so sehr zu erhöhen wie Canadi es von Rapid zu erwarten scheint und das obwohl Pulis genau weiß was er tut und dafür den Klub fast nach Belieben umstrukturieren durfte.

 

West Bromwich kommt auf eine Flanken-Torrate von 1,75% oder ein Tor alle drei Spiele. Diese Quote trifft bei 20-25 Flanken pro Spiel zurzeit auch bei Rapid zu, spricht aber klar gegen die langfristigen Pläne von Damir Canadi. Auch wenn es denkbar ist, dass Rapid in den kommenden fünf Spielen, ebenso viele Tore nach Flanken erzielen wird, so ist es mit der Wahrscheinlichkeit nach Flanken wie beim Münzwurf: man kann die ersten fünf Mal Kopf werfen, wenn man jedoch oft genug spielt kommt man immer auf 50% Wahrscheinlichkeit für Kopf und 50% für Zahl. Dieses Phänomen ist auch in der Hinrunde bei Altach eingetreten. Die Tabellenführung unter Canadi beruhte auf eine starke Über-Performance, welche im Laufe der Rückrunde früher oder später eingebrochen wäre.

Interessant ist es zu beobachten, wie Martin Scherb mit einer veränderten Spielanlage versucht, dieser Regression zur Mitte Einhalt zu gebieten. Canadis Spielidee ist also mit einem Topverein, der regelmäßig um den Meistertitel mitspielen will, wohl schlichtweg nicht kompatibel – zu aussichtslos ist seine Flankenstrategie, selbst wenn der gesamte Kader nach seinen Wünschen umgekrempelt werden sollte. Canadi kann man aber zugutehalten, dass die Defensive in 13 Spielen seit dem Rauswurf von Mike Büskens aus dem Spiel heraus nur fünf Tore zugelassen hat. Dafür gab es aber gleich zwölf Gegentore (10 Freistöße, eine Ecke, ein Elfer) nach Standards, was bei 13 erzielten Treffern ein Torverhältnis von 13:17 ergibt.

 

 

Eines der vielleicht letzten Kapitel von Canadi in der tipico Bundesliga – die Heatmap gegen SKN St. Pölten - zeigt einen enormen Flügelfokus ebenso wie ein schwaches Spiel über die Mitte.

Ein weiteres gutes Beispiel für eine misslungene Flankenstrategie ist David Moyes der mit einer ähnlichen Spielidee bei Manchester United grandios gescheitert ist.

Manchester United unter Moyes gegen Fulham. 54 Flanken – 0 Tore

An dieser Stelle sei erwähnt, dass die propagierten Aussagen zur Menschenführung Canadis nicht überprüfbar und damit keine Erwähnung finden können in dieser Analyse. Dass das Verhältnis Trainer-Spieler eminent wichtig ist, wurde bereits erwähnt und steht außer Frage. Ein großer Fachmann wird erst dadurch groß, dass er sein Wissen auch vermitteln kann.

 

Die große Rapid-Krise

Teil 1: Rapid und Canadi: Trainerbestellungen und der Zwang nach Narrativen.

Teil 2 (dieser Artikel): Canadis Flankenfokus wird für die Spitze nicht reichen

Teil 3 (erscheint am Mittwoch, 5.4): Rapid braucht mehr Positionsspiel. So schnell wie möglich.

Über den Autor: Momo Akhondi

Momo Akhondi ist neben seiner Tätigkeit bei 90minuten.at auch Analyst beim deutschen Taktik-Portal Spielverlagerung.de und arbeitet mit Bundesligatrainern aus Österreich und Deutschland zusammen.

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