[Exklusiv] So will die SV Ried den Bundesliga-Klubs das Leben schwer machen (2)
Im Grunddurchgang 55 Prozent mehr Punkte, daheim ungeschlagen und das trotz vieler Abgänge im Sommer. SV Ried-Sportvorstand Wolfang Fiala erklärt im ausführlichen 90minuten.at-Interview, wie die Rieder den Weg weiter gehen wollen.
Für uns ist vom Europacup bis zur 2. Liga aktuell noch alles drinnen, so realistisch muss man sein. Trotzdem brauchen wir eine Planung.
In Wahrheit muss sich jeder Club, der nicht z.B. Manchester City heißt, der Realität stellen, dass Spieler den Club verlassen werden und zu größeren Clubs wechseln, wenn ihre Leistung und ihre Performance dementsprechend ist.
90miunuten.at:Wie gestaltet sich der Scoutingprozess?
Fiala: Auch der Scoutingprozess ist bei uns klar definiert. Thomas Reifeltshammer und ich haben unsere Zielmärkte von der 2. Liga über die Regionalligen bis in diverse andere Ligen. Aufgrund der genannten Positionsprofile und der Kaderstruktur werden diese Zielmärkte auf passende Spieler untersucht. Hier gibt es auch diverse Plattformen, welche wir dafür nutzen, um den Filterprozess einfach zu gestalten. Wenn man keine Struktur und Positionsprofile hat, dann hat du einen potentiell unendlichen Spielermarkt zur Auswahl, weil vom 17-jährigen Afrikaner bis zum 35-jährigen Österreicher alle Spieler irgendwie interessant sein könnten. Auf diese Filter bzw. Eingrenzungen aufbauend gibt es dann Scoutingbesprechungen mit dem Trainerteam und uns. Dort sprechen wir dann über bestimmte Spieler, wo anschließend auch Aufgaben und Arbeitspakete verteilt werden. Ich persönlich habe außerdem einige Vertraute, mit denen ich hier zusammenarbeite, die sich gut auskennen und viele Spieler beobachten. So bekommt man dann ein Gesamtbild von Spielern. Aber nochmal - Basis in der Kaderplanung und im Scouting sind Kaderstruktur und Positionsprofile. Wenn uns Spieler XY verlässt, ist klar wie reagiert werden muss, da gibt es dann kein “von-bis alles möglich, schauen wir mal”.
90minuten.at: Gibt es bei euch eine allgemeine Spielidee bzw. Ausbildungsidee?
Fiala: Ich arbeite mit ein paar Experten aktuell an einem Ausbildungskonzept bzw. Spielkonzept, in dem ganz viele Bereiche abgedeckt werden. Es gibt dabei zwei große Themenbereiche, “Spielen & Gewinnen” sowie “Ausbilden & Unterhalten”, wo der ganze Verein involviert sein soll. Bei “Spielen & Gewinnen” ist die Spielidee dabei sowie das Ausbildungskonzept, welches wir umsetzen wollen. Ich merke hier auch, wie wertvoll es im offenen Spiel Fußball ist, wenn es Klarheit über unser Selbstverständnis gibt. Das von der Profiabteilung bis ganz runter durchgängig zu machen, hat mit zwei Dingen zu tun. Zum einen mit einer extremen Kompetenz bei wenigen Personen, die Entscheidungen treffen können und zum anderen mit der Überzeugung bei den Mitarbeitern. Wenn einmal das “Was wollen wir?” und das “Wofür stehen wir?” definiert ist, wird alles andere leichter, weil die Entscheidungen bei Trainer- und Spielerverpflichtungen einfach informierter und klarer sind und es eine Orientierungslinie gibt. Es gibt hier “Ideale”, die sich von der U8 bis zur Profimannschaft wiederfinden sollen. Es gibt drei Ideale - im Ballbesitz, gegen den Ball und zur Haltung/Persönlichkeit der Spieler. Abgeleitet aus diesen Idealen definiert sich das Spielideal, daraus wiederum das Spielerideal - was muss ein Spieler können, was muss ein Trainer können, was muss das Training können. Wenn ich einen gewissen Anspruch an das Ballbesitzspiel habe, dann kann es nicht sein, dass der U15-Trainer bei jedem Fehler eines Spielers, der etwas versucht, reinschreit, sondern dass er diesen ermutigen muss, Probleme zu lösen und auf diesem Weg auch Fehler machen zu dürfen. Durch die Ideale ist das Feedback konstant. Das wird aber noch Zeit brauchen. Wenn wir dieses Konzept hinbekommen, dann haben wir ein Alleinstellungsmerkmal welches uns von den meisten anderen Clubs unterscheidet.
90minuten.at: Wie weit ist man bei der Kaderplanung für die kommende Saison? Wie lange muss man auch zweigleisig planen und wie sehr erschwert der Bundesliga-Modus mit der Punktehalbierung das Leben der Teams in der Qualifikationsgruppe?
Fiala: Der Modus macht die Planung natürlich extrem schwierig. Für uns ist vom Europacup bis zur 2. Liga aktuell noch alles drinnen, so realistisch muss man sein. Trotzdem brauchen wir eine Planung und trotzdem muss man jetzt in diesen Tagen und Wochen schon darüber im Klaren sein, welche Spieler man im Falle welches Falles verpflichten will. Unsere aktuellen Spieler haben zu einem Großteil einen Vertrag, welcher auch in der 2. Liga gültig ist. Wir haben also ein Fundament in beide Richtungen. Es ist aktuell trotzdem schwierig, wenn man mit Spielern redet die jetzt neu kommen sollen, weil man eben noch keine Ahnung hat ob man über Europacup, Bundesliga oder die 2. Liga sprechen kann.
90miuten.at: Das bedeutet ihr vereinbart in den Spielerverträgen auch immer eine Klausel, womit diese auch in der 2. Liga gültig wären?
Fiala: Natürlich. Alles andere wäre unseriös. Was aber natürlich nicht bedeutet, dass jeder Spieler dann auch wirklich bleiben würde.
90minuten.at: Würde man bei einer Qualifikation für die Meistergruppe aufgrund der Planungssicherheit vielleicht auch Spieler bekommen, die man bei einem Abstiegskampf bis zum Schluss nicht (mehr) bekommt?
Fiala: Natürlich wäre die Planung klarer und einfacher, weil man viel früher auf Spieler zugehen könnte. Wir wollen ja grundsätzlich wegkommen von diesen 10 Neuzugängen und 10 Abgängen pro Transfersommer. Es soll eine gewisse Kontinuität und Stabilität im Spielerkader einkehren. Deswegen wollen wir auch primär in die Spitze investieren. Denn wir haben auch eine Akademie und von dort wollen wir auch Spieler integrieren. Das bedeutet, die Spieler die zu diesem 18-Mann-Kader gehören, sollen also wirklich tragende Rollen spielen. Bezüglich möglicher Neuzugänge ist es für uns jetzt nicht so wie bei Real Madrid. Wenn dort Sergio Ramos geht, dann gibt es auf der ganzen Welt wahrscheinlich nur drei Spieler, welche ihn 1:1 ersetzen könnten. In Österreich gibt es für uns oder auch für andere Bundesligavereine einen gewissen Pool an Spielern und aus diesem Pool hat man dann immer eine erste, zweite oder dritte Priorität. Wenn es mit der ersten Priorität nichts wird, gibt es aber immer noch einen Plan dahinter, Stichwort Schattenelf. Das bedeutet übrigens nicht, dass die Spieler zwingend besser oder schlechter sind, sie müssen einfach gut zu uns passen. Der Modus verzögert natürlich vieles, aber das bedeutet nicht, dass wir dadurch keine Spieler mehr bekommen, welche wir auch wollen. Generell habe ich das Gefühl, dass sich im österreichischen Markt sich sehr viel verzögert, eben weil viele Dinge unklar sind. Da wären beispielsweise Lizenzthemen oder der Abstiegskampf in der Bundesliga und 2. Liga.
90minuten.at: Und welchen finanziellen Spielraum hat die SV Ried derzeit was die sportliche Planung bzw. Kaderplanung betrifft?
Fiala: Was ich sagen kann, ist dass wir finanziell gesehen eher konservativ planen. Die Vergangenheit mit den drei Jahren in der 2. Liga hat gezeigt, dass dies letztendlich einfach schlauer ist. Zweitens wollen wir nicht so wie andere Clubs am Ende des Tages oder bei der Lizenzvergabe blöd dastehen, daher ist die Wirtschaftlichkeit die Basis für alles. Zudem brauchen wir noch Reserven, wenn wir im Winter merken, dass wir vielleicht noch eine Verstärkung brauchen. Dann haben wir noch etwas in der Hinterhand, da ist es dann auch nicht schlecht, dass wir im Sommer nicht schon alles rauspulvern.
90minuten.at: Viele Neuverpflichtungen wie Tin Plavotic, Leo Mikic, Philipp Pomer oder zuletzt Josef Weberbauer kamen aus der 2. Liga. Hat man hier den Fokus auf die Verpflichtung von Spielern gesetzt, welche dort vielleicht nicht ganz die Star-Rolle bei ihren Teams innehaben, aber konstant gute Leistungen abliefern?
Fiala: Es geht um zwei Dinge bei der Verpflichtung von solchen Spielern. Das erste ist, über welche Waffen die Spieler verfügen, also was sie außergewöhnlich macht. Das zweite ist, was im Scouting wichtig ist, dass man nach Ausbrüchen sucht. Es geht also nicht darum, Spieler zu verpflichten, die 90 Minuten lang zu 80% etwas gut machen aber nie etwas sehr gut. Es geht darum Spieler zu sehen, welche diese 2-3 Momente im Spiel haben wo man auch weiß, er kann etwas so gut, dass es auch in der Bundesliga funktionieren würde. Dann muss man natürlich schauen, ob das restliche Paket auch bundesligatauglich ist. Beispiele dafür sind Tin Plavotic mit seinem Defensivkopfball oder Leo Mikic mit seinem Dribbling. Hier sieht man in der 2. Liga, dass die Fähigkeiten vorhanden sind, welche auch in der Bundesliga funktionieren. Die Qualität in der 2. Liga, gerade bei den Spitzenteams, ist schon sehr ordentlich. Es wird dort zum Beispiel gut verteidigt. Wenn man dann sieht, wie oft Mikic die Gegenspieler reihenweise ausgetanzt hat, dann weiß man normalerweise Bescheid. Leo habe ich viermal selber beobachtet, es gab auch Halbzeiten, wo man ihn gar nicht gesehen hat. Darauf darf man sich aber nicht fokussieren, sondern muss so etwas auch bewusst ausblenden und einfach nach diesen Ausbrüchen bzw. Waffen suchen, welche ihn zum Unterschiedsspieler in der Bundesliga machen können. Auf solche Spieler kommen wir durch einen Mix aus Scouting und Datenprofile. Wenn ich mir das Datenprofil von Mikic anschaue, dann sieht man, dass er in der 2. Liga in der Kategorie “Carry the ball” enorme Werte hatte. Dieser Wert sagt aus, wie weit er den Ball am Fuß nach vorne tragen kann. Bei der Kreativität lag er weit über dem Ligaschnitt, auch bei “Goal scoring” war er über dem Ligaschnitt. Auf Basis dieser Werte haben wir uns gedacht, dass Mikic ein Spieler sein könnte, der ähnlich wie Marco Grüll ist, technisch natürlich anders und mit etwas weniger Geradlinigkeit. Was wir auch immer schauen, ob es leistungslimitierende Faktoren gibt, mit denen es in der Bundesliga nicht funktionieren würde. Diese haben wir hier nicht entdeckt, auch bei den anderen genannten Spielern nicht. Im letzten Schritt trifft man sich mit dem Spieler, hier kommte das Persönliche dazu, da ist der Werdegang im Kontext auch wichtig. Mikic war etwa vor zwei Jahren noch in der 5. Liga aktiv. Am Ende des Tages ist es wichtig, dass man den Spielern nach der Verpflichtung ein gewisses Vertrauen entgegenbringt. Man wirft sie zwar ins kalte Bundesliga-Wasser, aber schwimmen müssen sie selber. Ich sehe die SVR in der Rolle, den Spielern zwar einen Vertrag geben zu können, aber die Leistung müssen immer die Spieler selber bringen. Und hier können die Spieler eigentlich sehr stolz auf sich sein, wie gut sie sich im ersten Jahr bereits an die Bundesliga adaptiert haben, das ist wirklich bemerkenswert und liegt auch hauptsächlich an den Spielern selbst.
90minuten.at: Im aktuellen Kader gibt es mit Ante Bajic, Tin Plavotic oder Samuel Sahin-Radlinger einige sicher auch für andere Teams interessante Spieler mit Wiederverkaufswert. Kann man solche Spieler auch langfristig halten, oder muss die SV Ried solche Spieler aus wirtschaftlichen Gründen einfach regelmäßig verkaufen?
Fiala: In Wahrheit muss sich jeder Club, der nicht z.B. Manchester City heißt, der Realität stellen, dass Spieler den Club verlassen werden und zu größeren Clubs wechseln, wenn ihre Leistung und ihre Performance dementsprechend ist. Deswegen wollen wir Spieler finden, scouten, verpflichten und auch später rechtzeitig verlängern. Für alle Clubs ist es ein ganz klares Ziel, Transfereinnahmen zu generieren. Es ist zwar unglaublich, was die Sponsoren hier bei der SV Guntamatic Ried leisten und wie loyal sie zum Verein sind, aber das ist leider nach oben begrenzt. Wenn man dann nicht anders Gelder lukrieren kann, stagniert man. Ich nehme solche Begriffe zwar ungern in den Mund, weil es sich dabei um Menschen handelt, aber nehmen wir als Beispiel das Wort “Transferaktie”. Aus Aktien will man eine gewisse Rendite lukrieren und das ist bei Spielern im Endeffekt nicht anders. Man will ihnen eine Bühne und die bestmögliche Betreuung bieten, damit sie performen können. Wenn sie das dann machen, sollte für den Club allerdings auch eine Belohnung herausspringen. Vor allem auch mit dem Hintergedanken, weiterhin in Infrastruktur, medizinische Betreuung, Trainerstab, Software und Hardware zu investieren, um wieder andere Spieler besser zu machen. Es geht jetzt also nicht darum, Transfereinnahmen zu generieren und diese dann sofort wieder rauszuballern oder die Gehälter ansteigen zu lassen. Sondern es geht darum, das Rundherum stetig zu verbessern damit es in Zukunft immer wieder weitere Spieler geben kann, welche sich hier weiterentwickeln können.