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Das logische ÖFB-Desaster: „Müssen uns mit Milletich abfinden" [Exklusiv]

Die Bestellung des neuen Teamchefs macht es wieder deutlich: Das ÖFB-Präsidium ist zerstritten wie eh und je. Ist das überraschend? Nein. Es ist ein logisches Desaster unter der Führung von Präsident Gerhard Milletich. Die Unzufriedenheit wächst, Besserung ist nicht in Sicht.

++ 90minuten.at exklusiv von Michael Fiala ++

 

ÖFB-Präsident Gerhard Milletich ist keine sechs Monate im Amt und sieht sich bereits mit dem ersten Scherbenhaufen seiner noch kurzen Amtszeit konfrontiert. Das Präsidium, das schlussendlich den Sanktus zum neuen Teamchef geben soll, ist zerstritten wie eh und je. Die Suche nach einem Nachfolger von Franco Foda wirkt derzeit wie eine Familienaufstellung beim Psychologen.

Um zu verstehen, warum rund um das Länderspiel der ÖFB-Frauen in Wiener Neustadt mit dem wegen Krankheit abgesagten Schöttel-Bericht der Streit wieder einmal an die Öffentlichkeit gelang, hilft zunächst ein Blick in den vergangenen Herbst: Der ÖFB-Wahlausschuss einigte sich am 12. September vergangenen Jahres im zweiten Wahlgang mit einer 7:3-Stimmenmehrheit darauf, Gerhard Milletich für den ÖFB-Präsidenten zu nominieren (>> siehe Artikel hier). Noch wichtiger war aber der Ausgang im ersten Versuch, denn dieser endete mit einem 5:5-Unentschieden. Oder kurz gesagt: Der neue ÖFB-Präsident hat genauso so viele Befürworter wie Gegner in seinem eigenen Präsidium. Im Detail: Für Roland Schmid stimmten im ersten Wahlgang damals Tirol (Geisler), Salzburg (Hübel), Oberösterreich (Götschhofer), Steiermark (Bartosch) sowie die Bundesliga (Thonhauser). Für den 65-Jährigen Fußballfunktionär votierten Wien (Sedlacek), Niederösterreich (Gartner), Kärnten (Mitterdorfer), Vorarlberg (Lumper) sowie Milletichs eigener Heimverband, das Burgenland. Der Wahlausschuss hatte es also rund acht Monate nach seiner Installierung nicht geschafft, einen Kandidaten auf die Beine zu stellen, der die volle Rückendeckung des Präsidiums genießt.

Blickt man nun auf die Recherchen des Profil, die sich auch mit jenen von 90minuten.at decken, so haben sich diese Lager nun auch in Wiener Neustadt das nächste Kapitel dieser Auseinandersetzung geliefert. „Wir haben eine Lagerbildung“, betont der oberösterreichische Vertreter Gerhard Götschhofer, im Zivilberuf Rechtsanwalt, aktuell im profil-Gespräch. Dem nicht genug gibt es auch auf operativer Ebene zwei Lager: Auf der einen Seite ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer, auf der anderen ÖFB-Geschäftsführer Bernhard Neuhold. Die beiden verstehen sich dem Vernehmen nach überhaupt nicht.

 

Von einem Fettnäpfchen ins nächste

Dass die atmosphärischen Störungen seit dem Herbst nicht abgenommen haben, ist auch der Verdienst von ÖFB-Präsident Gerhard Milletich. Der Burgenländer war noch nicht einmal offiziell im Amt, da zählte er Teamchef Franco Foda via Kronen Zeitung und ORF-Interview öffentlich an. Um dann wenige Tage wieder zurückzurudern. Generell tappt Milletich in seinen Interviews zielsicher von Fettnäpfchen zu Fettnäpfchen. Ein Beispiel von vielen: "Im Moment hat der Herr Foda keinen guten Lauf, eine Baustelle Schöttel mache ich jetzt sicher nicht auf. Schauen wir einmal, dass wir die Teamchef-Frage lösen, vielleicht gewinnt er ja gegen Israel und Moldawien zweimal überzeugend“, sagte er der Kronen Zeitung.

"Jeder hat mit seiner Stimme im Herbst gewusst, was er wählt. Jeder kennt Milletich seit Jahren. Wer über seine Interviews überrascht ist, muss die letzten Jahre geschlafen haben. Mit Milletich müssen wir uns jetzt einmal abfinden." - ÖFB-Präsidiumsmitglied

Jeder hat gewusst, was er wählt

Ebenso wenig überraschend ist allerdings die Tatsache, dass Milletich in der Öffentlichkeit so agiert, wie er agiert. „Jeder hat mit seiner Stimme im Herbst gewusst, was er wählt. Jeder kennt Milletich seit Jahren. Wer über seine Interviews überrascht ist, muss die letzten Jahre geschlafen haben“, so ein Präsidiumsmitglied im Gespräch mit 90minuten.at, der ergänzt: „Mit Milletich müssen wir uns jetzt einmal abfinden.“

Mit „abfinden“ meint das Präsidiumsmitglied die zuletzt zunehmend aufkommende Unzufriedenheit gegen den ÖFB-Präsidenten. Sogar das Wort „Misstrauensantrag“ geisterte als Gerücht herum.

Das, was der ÖFB, sein Umfeld, die Sponsoren, Medien und die Fußball-Fans in diesen Tagen erleben, ist einfach die Fortsetzung dessen, was all diese „Stakeholder“ schon in den Jahren zuvor gesehen haben: Ein zerrissenes Präsidium mit Eitelkeiten und Machtgelüsten in beiden Lagern, Personen, die auch das eine oder andere Mal einfach Spaß daran zu haben, Unruhe zu stiften, eine operative Führungsebene, die nicht miteinander kann und die Bundesliga, die passiv agiert. Der ÖFB-Präsident hat es in den vergangenen sechs Monaten nicht geschafft, das Präsidium zu einen - es gibt auch keinen ersichtlichen Grund, warum sich künftig unter dem Burgenländer daran etwas ändern sollte.

Wie auch: Milletich hat von Beginn seiner Amtszeit an einen Teil des Präsidiums gegen sich. Und die Vorkommnisse in Wiener Neustadt haben nicht dazu beigetragen, dass diese Gräben kleiner werden – im Gegenteil. Allerdings: Von einem Misstrauensantrag gegen Milletich ist das Präsidium derzeit so weit entfernt wie das ÖFB-Team von einer WM-Qualifikation. Die aktuelle Situation ist ein logisches Desaster. Der Leidensdruck ist aber einfach noch nicht groß genug, daran etwas zu ändern.

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