Thesen zum Wiener Derby: Lasst sie doch für immer draußen!
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Thesen zum Wiener Derby: Lasst sie doch für immer draußen!

Es wird ein hochklassiges Spiel und Stöger kommt endgültig in Hütteldorf an: Wir diskutieren vier Thesen zum anstehenden Wiener Derby.

Am Sonntag (ab 17:00 Uhr im LIVE-Ticker>>>) kreuzen Rapid und die Austria zum 347. Mal die Klingen.

Erstmals trifft Peter Stöger als Rapid-Trainer auf jenen Verein, bei dem er im Legendenclub verewigt ist. Die Favoritenrolle liegt nur vermeintlich bei seinem Team.

Ob es ein hochklassiges Spiel wird, sich Stöger endgültig in die grün-weißen Herzen katapultiert und ob die Abwesenheit der Auswärtsfans nicht eine Dauerlösung sein sollte?

Diese Thesen zum Spiel diskutieren Harald Prantl und Johannes Bauer.

These: Das Derby kommt genau zur richtigen Zeit: Rapid ist so gut wie selten zuvor in die Saison gestartet, die Austria kommt nach einem Fehlstart mit drei Siegen in Serie. Hochklassiger Fußball ist daher garantiert, die Fans dürfen sich ein Spektakel erwarten.

Harald Prantl: Wenn es nur so einfach wäre, die Attraktivität von Spielen zu prognostizieren...

Tatsächlich hat sich die Austria mit folgendem taktischen Kniff ergebnistechnisch aus der Misere befreit: Sie hat ihre Defensive stabilisiert, indem sie erst ab der Mittellinie aktiv gegen den Ball gearbeitet hat. Das hat gegen Altach und Sturm funktioniert, gegen die Rieder dann nicht mehr.

Rapids Spielanlage bietet sich für diese Strategie aber wieder an. Und dann kann es – für die Hütteldorfer und auf ein aufregendes Spiel hoffende Zuschauer gleichermaßen – zu einem Geduldsspiel werden, sollte Rapid nicht ein frühes Tor gelingen.

Johannes Bauer: Gute Derbys mit Ansage finden nicht statt. Soweit ich mich zurückerinnere, waren das jene Begegnungen, die fast durchgehend enttäuschten.

Was stimmt: Dass sich die Favoritenrolle Rapids durch die jüngsten Leistungen beider Mannschaften etwas relativiert hat und somit Spannung zu erwarten ist. Das heißt noch nicht automatisch, dass "Hochklassigkeit" garantiert ist.

Wie Harald richtig bemerkte, könnte die Austria wieder auf einen sicherheitsbetonten Ansatz zurückgreifen. Und Rapids Offensive ist schon die ganze Saison nicht explosiv genug, da unter Garantie das richtige Brecheisen im Gepäck zu haben. Ohne einen frühen Treffer hüben oder drüben stelle ich mich auf ein Mittelfeldgeplänkel ein.

These: Peter Stöger gegen seinen Ex-Klub: Mit einem Sieg gegen die Austria werden auch die letzten Kritiker des Rapid-Trainers verstummen.

Johannes Bauer: Na gut, wärmen wir das Thema noch einmal auf. Weil Derby ist.

Klar: Bei Stögers Benennung durfte die Frage, wie speziell die hartgesottenen Fans auf die Konstellation reagieren, einmal gestellt werden. Das galt damals auch für Robert Klauß und seine Vergangenheit im Red-Bull-Kosmos, in Hütteldorf ähnlich populär. Ich habe den Aspekt bei beiden auch genau dieses eine, berechtigte Mal angegriffen, bei der jeweiligen Besetzung.

Danach spielte es keine Rolle mehr. Einerseits, weil jetzt schon bekannt sein sollte, dass bei Rapid unter Markus Katzer ein anderer Wind weht, unpopuläre Hintergründe bei Spielern und Betreuern keine Rolle mehr spielen.

Andererseits, weil Klauß dem Thema schnell den Garaus machte – wie auch Stöger jetzt. Mit den Argumenten, die eigentlich zählen sollten: Den Leistungen der Mannschaft unter seinen Fittichen sowie seinem Auftreten neben dem Platz und vor den Mikrofonen. Gibt es sie jetzt überhaupt noch, die Kritiker?

Spannender wäre für mich die Frage, ob die Austria-Fans einen "Gruß" beim ersten Aufeinandertreffen an ihr Mitglied im Legendenclub schicken werden. Die stellt sich diesmal mangels Auswärtsfans aber (noch) nicht.

Harald Prantl: Dieses Thema wird kein Thema sein – aus den von Kollegen Bauer bereits genannten Gründen: keine Auswärtsfans, keine Kritiker angesichts des fantastischen Starts.

Peter Stöger war seine gesamte Karriere, ob als Spieler oder Trainer, schon immer sehr pragmatisch veranlagt, was die Auswahl seiner Klubs angeht. Seine Art zu kommunizieren bietet gegnerischen Fans auch kaum Angriffsflächen.

Im Übrigen bin ich auch nicht der Meinung, dass die Zahl der Kritiker wesentlich größer würde, würde Rapid das Derby verlieren.

These: Diese Austria-Offensive überzeugt! Eggestein, Sarkaria und Saljic machen die Abgänge von Fitz und Malone vergessen.

Harald Prantl: Die Findungsphase der richtigen Besetzung in der Offensive wurde durch die Verkäufe von Dominik Fitz und Maurice Malone verkürzt, weil einfach weniger Optionen. Dass dann genanntes Trio die erste Wahl sein würde, lag auf der Hand.

Dass die Abstimmung der drei nach so kurzer Zeit noch nicht perfekt sein kann, tut es auch und ist in den Spielen klar ersichtlich. Perspektivisch kann Sanel Saljic der Fitz-Nachfolger werden, hat aber noch einen Weg dorthin vor sich. Johannes Eggestein wurde – auch wenn er ein anderer Spielertyp ist – sowieso als Vorgriff auf den Malone-Verkauf verpflichtet.

Klar ist Stand jetzt: Die Austria-Offensive hat durch die Abgänge an Qualität verloren, das Potenzial, diese in mittelfristiger Zukunft wiederzuerlangen ist aber da.

Johannes Bauer: "Vergessen" ist vor allem Dominik Fitz noch lange nicht. In seiner Abwesenheit hat sich das genannte Trio aber zumindest soweit zusammengefunden, den Qualitätsabfall im Kollektiv etwas abzufangen.

Die Mischung aus Eggesteins Routine auch aus einer höheren Liga, Sarkarias kurze Eingewöhnungszeit an bekannter Spielstätte sowie Saljics Talent und Drang, sich zu beweisen, scheint dabei eine passende Mischung darzustellen. Der Austria kann es jedenfalls nicht schaden, weniger von einem einzigen Mann abhängig zu sein.

Für eine echte Bewertung - und die Chance, diesen Anspruch des "Vergessenmachens" zu erfüllen - braucht das Trio noch deutlich mehr Zeit.

Nach vier Derbys ohne Auswärts-Fans hat man sich daran gewöhnt – Zum Schutz aller Stadion-Zuschauer und zum Wohl des heimischen Fußballs sollten die Gäste-Fans auch in Zukunft fernbleiben.

Johannes Bauer: Dieser Zustand sollte nicht die endgültige Lösung sein müssen. Es hat viel Derby-Feeling genommen, das sehen auch beide Fan-Lager so. Vielleicht ist es vor dem TV-Bildschirm nicht so rübergekommen, im Stadion schon.

Diese vier Spiele waren ein Warnschuss, wie das Derby auch aussehen kann, wenn es nicht mehr anders geht. Die Message muss angekommen sein, sie war auch deutlich eindringlicher als die bedauernden Worte ohne echte Konsequenzen zuvor.

Ist sie das nicht, wird keine andere Wahl mehr bleiben, die Leere im Auswärtsblock zum Dauerzustand zu machen. Bevor es so weit ist, muss ich das Prinzip Hoffnung noch einmal bemühen. Ich hoffe, dass ich damit nicht naiv bin.

Harald Prantl: Der Mensch gewöhnt sich ja schnell mal an Dinge, die eigentlich nicht gut und recht sind. Wenn er dann aber mit einer – vielleicht aus Bequemlichkeit abgeschafften – Alternative konfrontiert wird, erkennt er rasch, dass es ja doch auch anders, besser geht.

Ich will nicht sagen, die vier Derbys ohne Auswärtsfans wären aus Bequemlichkeit so beschlossen worden – die Entscheidung war zum damaligen Zeitpunkt richtig und leider notwendig.

Diese Spiele haben deutlich gezeigt, dass Derbys mit nur einer Fangruppierung wesentlich an Attraktivität verlieren – keine Choreos, kein Prickeln, weniger Stimmung.

Es obliegt den aktiven Szenen, diese vier Spiele zu einer Fußnote der langen Wiener Derby-Geschichte verkommen zu lassen, anstatt zum Startschuss einer neuen Normalität.

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