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Szenen einer Selbstdemontage

Die Causa Andreas Ulmer und dessen Absage ans Nationalteam ist ein weiterer Puzzlestein in dem öffentlichen Schaustück, wie sich ein populärer Trainer selbst demontiert. Von Georg Sander und Michael Fiala

Öffentlich war bis zu Europameisterschaft alles in bester Ordnung. Auch wenn die Siege in der Quali sehr knapp waren, sah das die Öffentlichkeit nicht. Spätestens mit der Ausrufung des Status „Geheimfavorit“ auch durch ausländische Medien war die Sache durch: Wir werden Weltmeister. Oder so ähnlich. Doch die Watsche gegen taktisch perfekt eingestellte, giftige Ungarn veränderte alles und schon wurde es schwierig. Nach dem heroisch erschwitzten Punkt gegen den späteren Turniersieger scheitert man gegen Island; mit unerprobter Taktik in Halbzeit eins, am Aluminium, der mangelnden Chancenauswertung, der Unachtsamkeit in der Defensive. Im Nachhinein gesehen ist man freilich immer g'scheiter – Kollers Abgesang als Teamchef begann aber im Juni im Stade de France

 

 

"Warum zum Geier trägt Koller die Sache mit Ulmer bei der Pressekonferenz in die Öffentlichkeit, die noch dazu anscheinend zum Teil aus alternativen Fakten bestand?"

Teamchef verliert Glaubwürdigkeit

Viele Gedanken schwirrten in der Redaktion nach der gestrigen Kaderbekanntgabe von Marcel Koller im Kopf herum. Einer war zum Beispiel: „Warum zum Geier trägt Koller die Sache mit Ulmer bei der Pressekonferenz in die Öffentlichkeit, die noch dazu anscheinend zum Teil aus alternativen Fakten bestand?“ Oder: „Warum poltert Marcel Koller, jetzt wo die Qualifikation in weite Ferne gerückt ist, auf der Pressekonferenz herum, ohne von Journalisten dazu provoziert worden zu sein. Warum hat er das nicht schon nach der Euro getan, als sich der ÖFB in Selbstzufriedenheit der Öffentlichkeit präsentierte?“ Und am wichtigsten: Warum glauben wir ihm oft nicht mehr?

 

Analyse unter Verschluss, Linksverteidiger, Causa Scharner, Tormänner...

Weil Marcel Koller und der ÖFB seit der Europameisterschaft einfach die Spur verloren haben und auch punkto Kommunikation daneben greift. Eine öffentliche Analyse der Euro fand nicht statt. Die Baustelle links hinten ist seit dem Fuchs-Abgang nach der Euro hausgemacht, wohl vor allem durch die Wimmer-Aufstellung. Ein bisschen möchte man auch Paul Scharner Glauben schenken, dass David Alaba machen kann, was er will. Oben drauf noch die Tormanncausa rund um die Familie Knaller. Selbst bei gleichen sportlichen Ergebnissen haben sich Koller und der ÖFB hier viel verbaut. Und auch die „Wutrede“ ist schlecht getimet. Martin Blumenau hat das sehr gut zusammengefasst. Unbedingt lesen!

 

Der Schlussakt?!

Was mit Spielpech bei der Europameisterschaft begonnen hat, kumuliert nun in einem kommunikations-technischen Armutszeugnis des gesamten ÖFB. Das Spiel gegen Irland wird zum Schicksalsspiel der Ära Marcel Koller, selbst, wenn das Team die notwendigen drei Punkte holen sollte. Formschwächen, Abschlusspech und Co. wurden zwar immer wieder angesprochen, wären aber verzeihliche Fehler, würde man damit offen umgehen. Die Affäre rund um Andreas Ulmer führt nun aber vor Augen, dass man exakt nichts aus den Wirren des letzten Jahres gelernt hat.

 

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