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NFL-Star und Mediziner Platzgummer zu Alaba-Kreuzbandriss: "Muss sich fragen, ob es das wert ist" [Exklusiv]

Sandro Platzgummer gelang als einem von wenigen Österreichern der Sprung in die NFL. Neben seiner sportlichen Karriere absolviert der 26-Jährige ein Medizinstudium - durch einen eigenen Kreuzbandriss im Sommer kennt er sich mit der Verletzung gut aus. Im Gespräch mit 90minuten.at erklärt er, was auf ÖFB-Kapitän David Alaba zukommt.

++ 90minuten.at PLUS von Daniel Sauer++

 

Das Knie der Nation: Nach zuletzt hohen Erwartungen für die kommende Europameisterschaft in Deutschland hängt die Stimmung der österreichischen Fußballfans von der Genesung Davis Alabas ab. Der 31-jährige Verteidiger hat sich am 17. Dezember 2023 bei einem Ligaspiel für Real Madrid einen Kreuzbandriss im linken Knie zugezogen - der Zeitpunkt ist wichtig, weil ein Countdown läuft. Exakt sechs Monate hat Alaba Zeit, um sich von der Verletzung zu erholen und als Kapitän des österreichischen Nationalteams im ersten EM-Spiel gegen Frankreich auf dem Platz zu stehen. Inzwischen wurde er in Innsbruck operiert, miteingefädelt hat den Termin sein Ex-Verein Bayern München. "Dort gibt es einen Arzt, zu dem wir absolutes Vertrauen haben", hatte dessen Ehrenpräsident Uli Hoeneß am Wochenende erklärt, dabei soll es sich um den Chirurgen Dr. Christian Fink handeln.

Sandro Platzgummer

"Er ist jemand, dem man sagen kann: 'Ich möchte es probieren - Worauf kommt es an?", erzählt ein anderer Patient von Dr. Fink im Gespräch mit 90minuten.at: Sandro Platzgummer, der zu den besten heimischen American-Football-Spielern zählt und als erster Nicht-Kicker aus Österreich einen Vertrag in der US-amerikanischen NFL unterschrieben hat. Der 26-Jährige hat sich bei seiner Rückkehr nach Europa im Sommer ebenfalls das Kreuzband gerissen und zusätzlich den Meniskus verletzt. Zwischen dem Vorfall und dem heutigen Datum liegt ähnlich viel Zeit, wie zwischen Alabas Verletzung und der Euro 2024. Platzgummer, selbst Spitzensportler, der in den vergangenen Jahren bei den New York Giants unter Top-Bedingungen trainieren konnte, wird noch einige Zeit auf sein Comeback warten müssen.

 

Mehrere Hürden für Alaba

Neben seiner sportlichen Karriere absolviert der Tiroler ein Medizinstudium in Innsbruck. Auch wenn eine Ausbildung zum Facharzt noch fehlt, kennt er sich also aus. "Es gibt zwei Hürden: Das Kreuzband selbst braucht in der Regel 24 Wochen, um Bewegungen wie Richtungswechsel und Sprints machen zu können. Das zweite Problem ist die Entnahmestelle", erklärt Platzgummer. Ein Teil einer anderen Sehne (Anm: Zum Beispiel die Patella- oder Quadrizepssehne) wird entnommen und ersetzt das Kreuzband. Er setzt fort: "Dort fehlt dann ein Stück, das wieder aufgebaut werden muss. Das führt oft zu unausgeglichener Belastung". Mit Problemen an dieser Entnahmestelle hat er aktuell selbst zu kämpfen - trotz raschen Fortschritten in der Reha verzögert sich die Genesung dadurch um einige Monate.

Ist ein rechtzeitiges Comeback zur EM für David Alaba also realistisch? "Wenn es 'nur' ein Kreuzbandriss ist, wäre die Timeline mit sechs Monaten möglich", meint Platzgummer. Bei einem "reinen" Kreuzbandriss könne man nach zwei Wochen wieder relativ gut gehen, eine zusätzliche Meniskus-Verletzung könne die Heilung um mehrere Wochen verzögern: "Man darf in dieser Zeit nicht auftreten, dadurch geht viel mehr Muskelmasse verloren". Bei Christian Fink ist sein Knie jedenfalls in besten Händen: "Er wurde mir vom Teamarzt der New York Giants empfohlen. Ich komme sehr gut mit ihm aus, er hat sich viel Zeit genommen, um mir alles zu erklären. Wenn man schon so viele Knie gesehen hat, gibt es nicht mehr viel, das einen überraschen kann", so der Footballer, der sonst von Wacker-Teamarzt Christian Hoser betreut wird. Fink kenne die entscheidenden Punkte für den Erfolg, es würde sich schnell abzeichnen, in welche Richtung die Heilung geht.

 

Frühe Operation bringt Vorteile

Dass Alaba überhaupt so schnell operiert wurde, ist keine Selbstverständlichkeit, könnte aber eine frühere Rückkehr ermöglichen. "In Europa ist es üblich, das möglichst bald zu machen. In den USA warten viele Ärzte zwei bis sechs Wochen, damit sich das Knie an die neue Situation gewöhnen kann. Dadurch verliert man ein Monat, das ist der Nachteil. Der Vorteil ist, dass sich die Wahrscheinlichkeit von Komplikationen verringert", meint der 26-Jährige, der in New York viel lernen konnte. "Der Teamarzt der Giants war drüben eigentlich mein bester Kollege. Mit ihm habe ich neben dem Feld am meisten Zeit verbracht, dadurch habe ich viel mitnehmen können - auch wenn ich nicht dafür dort war". 

"Ob es das wert ist, später vielleicht nicht mehr Laufen oder Radfahren zu können, ist eine Frage, die man sich stellen muss." - Sandro Platzgummer

Wenn eine frühere Operation möglich ist - was von Schwellung und der lokalen Entzündung abhängt - könne das sinnvoll sein. Man setzt das Knie durch den Eingriff einem doppelten Trauma aus, man kann aber früher mit der Reha beginnen und verliert dadurch weniger Muskelmasse, meint Platzgummer.

 

Fragen der Perspektive

Geprägt von eigenen Erfahrungen der letzten Monate hat der angehende Arzt aber auch einen Rat für den ÖFB-Kapitän: "David Alaba ist noch nicht so alt, er hat noch ein langes Leben vor sich. Ob es das wert ist, später vielleicht nicht mehr Laufen oder Radfahren zu können, ist eine Frage, die man sich stellen muss". Er könne in Ruhe zu Real Madrid zurückkehren, dort auf hohem Niveau weiterspielen, er habe jeden Support, den man sich wünschen kann. Meilensteine in der Reha-Phase zu schnell zu passieren, ist mit einem hohen Risiko für weitere Verletzungen verbunden.

Platzgummer selbst traf die Verletzung zu einem besonders ungünstigen Zeitpunkt: "Ich bin nach Österreich zurückgekommen, um mein Studium zu beenden. Danach wäre es wahrscheinlich zurück in die USA gegangen. Ich habe mich in dieser Situation verletzt – der Weg zurück ist dadurch deutlich schwieriger geworden. Ich muss zuerst wieder beweisen, dass ich fit bin". 

 

Sandro Platzgummer im NFL-Einsatz:

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