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Neues Nationalstadion? Kogler: "Alles steht und fällt mit dem Standort" [Exklusiv-Interview]

Sport ist eine Querschnittsmaterie und oft ein Stiefkind der Politik. Seit einigen Jahren nimmt sich das Sportministerium dem Thema aber öfters an. Aktuell zeichnet dafür Vizekanzler Werner Kogler verantwortlich. Im 90minuten.at-Interview nimmt er zum Thema Nationalstadion und Infrastruktur Stellung.

+ + 90minuten.at PLUS - Von Georg Sohler + +

 

Sport und Politik, das ist ein Doppelpass, der historisch gesehen nicht immer schön anzusehen war. Da braucht es keine großen Rückblicke auf sehr dunkle Jahre der europäischen Geschichte. Schon das, was die FIFA heutzutage veranstaltet, stößt sauer auf, siehe die WM in Qatar 2022. Hierzulande ist die Beziehung nicht so belastet, auch wenn da und dort ein Stadion steht, dass die lokale oder Politik eben wollte und welches letztlich wenig Sinn macht.

Will man in das Thema Politik und Sportinfrastruktur eintauchen, braucht es einen Blick auf die Geschichte und einen auf das Recht. Gesetzlich wurde der Sport überhaupt erstmals 1966 als Angelegenheit des Unterrichtsministeriums erwähnt. In den 1970er-Jahren bezeichnete sich Fred Sinowatz als Minister des Sports, offiziell wurde es unter seiner Kanzlerschaft ab 1985. Angesiedelt war der erste offizielle Sportminister Herbert Moritz im Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Sport. 1991 wandere der Sport an das Gesundheitsministerium, 1995–2000 und 2003–2007 war ein Staatssekretär für Sport als Staatssekretär im Bundeskanzleramt zuständig, ab 2009 ging es weiter ins Verteidigungsministerium. Erst 2018 kümmerte sich Heinz-Christian Strache als Vizekanzler und Minister für öffentlichen Dienst und Sport, wie auch Strache ist Werner Kogler Vizekanzler und Sportminister.

Nun zum rechtlichen Rahmen: Sport ist in Österreich Querschnittsmaterie. Sportvereine und -verbände haben unter anderem vereins-, arbeits- und sozialrechtliche Bestimmungen zu beachten. Vieles in der Infrastruktur ist zudem Länder- oder Gemeindeangelegenheit. Vereinfacht gesagt: Der Sportminister kann nicht verordnen, dass jeder Bundesligist ein Stadion mit diesen und jenen Merkmalen haben muss. Dennoch ist er oberster Vertreter. Kogler nahm sich (schriftlich) Zeit, um einige aktuelle und brisante Fragen zum Status Quo von Sportinfrastruktur in Österreich zu beantworten. Das Interview wurde vor dem Treffen mit ÖFB-Teamchef Ralf Rangnick geführt, wo auch über neuen Nationalstadions diskutiert wurde und beide übereinstimmten, dass ein derartiges Projekt gemeinsam mit der Stadt Wien rasch und mit Nachdruck vorangetrieben werden soll. Rangnick gab sich gegenüber 90minuten.at schon zuversichtlich (>> Hier geht es zum gesamten Gespräch). Im Interview nimmt Kogler nun Stellung dazu, wie sich Vereine seiner Ansicht nach zu verhalten haben, wenn die Politik mitzahlt, wie er die Sportstättenlandschaft einschätzt und ob er überhaupt einen Überblick hat. Thema ist freilich auch das Ernst-Happel-Stadion.

 

90minuten.at: Vornweg: Wie viel "Bringschuld" haben die Vereine, die wie auch immer geartete öffentliche Zuwendung bekommen, für Sie als Sportminister. Ich denke an den letzten Skandal beim SK Rapid?

Werner Kogler: Ich vertrete die Auffassung, dass Repräsentant:innen von Vereinen, die Sponsorengelder von Unternehmen erhalten, die im mittelbaren Eigentum der öffentlichen Hand stehen, besondere Vorbildwirkung haben. Und dass diese Unternehmen natürlich darauf achten müssen, dass der Werbewert des Sponsoringobjekts erhalten bleibt. Nicht unerwähnt möchte ich lassen, dass das Präsidium des SK Rapid um Präsident Wrabetz und Vizepräsidentin Hanappi-Egger mit einem 10-Punkte-Plan sehr professionell gegengesteuert hat. Ich freue mich schon darauf, mich in naher Zukunft mit ihr über die Fortschritte bei diesem Projekt austauschen zu können.

"Ein Fußballstadion für sechs oder sieben Länderspiele im Jahr und ein Champions-League-Finale alle heiligen Zeiten wird diesem Anspruch nicht gerecht." - Werner Kogler

90minuten.at: Wie bewerten Sie als Sportminister die infrastrukturelle Lage der höchsten Fußballbundesliga der Herren?

Kogler: Wenn wir uns die Stadien der Bundesligisten ansehen, ist in den vergangenen Jahren viel Positives passiert. Denken wir an die Heimstätten von Rapid, der Austria, des LASK, Lustenau wird gerade gebaut. Das alles ohne Zutun des Bundes, weil Förderungen des Sportministeriums per Gesetz an die bundesweite Bedeutung der Infrastruktur gekoppelt ist.

 

90minuten.at: Wie zufrieden sind Sie generell mit dem gegenwärtigen Angebot an Fußballstadien aus Sicht des Spitzen- und des Breitensports?

Kogler: Ich maße mir nicht an, hier einen ansatzweise vollständigen Überblick zu haben. In erster Linie deswegen, weil die Stadioninfrastruktur von Vereinen, insbesondere im Breitensport, fast ausnahmslos Sache der Bundesländer und Gemeinden ist und die Bundesligavereine wie erwähnt keine Fördermittel des Bundes erhalten. Eine Ausnahme war der Sportligenfonds, mit dessen Hilfe den Profivereinen der Einnahmenentfall während der Pandemie abgegolten wurde. Eine extrem erfolgreiche Maßnahme im Übrigen, um die uns viele europäische Länder beneidet haben.

 

90minuten.at: Was gegenwärtig noch nicht gegeben ist, ist ein Überblick, wo es welche Fußballstadien bzw. Sportstätten, auch abseits des Profisports, gibt. Eben auch, weil das nicht Bundessache ist. Aber wäre es im Sinne einer Sportstättenstrategie nicht wichtig, einen Überblick zu haben, um passende Angebote zu schaffen, von den (Profi-)Zentren bis hin zu kleineren Ortschaften und dem Breitensport?

Kogler: Mit dem digitalen Sportstättenplan, der noch heuer in die Pilotphase gehen wird, haben wir die Weichen gestellt, dass ein solcher Überblick in Zukunft per Knopfdruck möglich sein wird.

 

90minuten.at: Wird die Sportstättenfnfrastruktur aus Ihrer Sicht ausreichend gefördert?

Kogler: Das Sportministerium kann nur dort als Fördergeber tätig werden, wo Nationalteams regelmäßig ihre Trainings- und/oder Bewerbsspiele abhalten oder ein Bundesleistungszentrum betrieben wird oder entsteht. Der Sportstättenplan, der auch den Bundesländern zur Verfügung stehen wird, schafft erstmals die Grundlage, eine zielgerichtete Sportstättenstrategie zu entwickeln.

 

90minuten.at: Ein großes Thema ist das Ernst Happel-Stadion. Dieses soll nun wieder renoviert werden. Warum greift die Politik das Thema Nationalstadion nicht an und denkt groß?

Kogler: Dagegen ist nichts einzuwenden, solange man die Kosten mitdenkt. Und die liegen, so sagen es die Expertinnen und Experten, doch weit jenseits der 500-Millionen-Euro-Grenze. Ich habe immer gesagt: Ich verschließe mich dem Projekt nicht, solange es ein tragfähiges Errichtungs- und Betriebskonzept gibt, das die Interessen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler berücksichtigt. Ein Fußballstadion für sechs oder sieben Länderspiele im Jahr und ein Champions-League-Finale alle heiligen Zeiten wird diesem Anspruch nicht gerecht, eine Multifunktionsarena womöglich eher. Alles steht und fällt aber mit dem geeigneten Standort. Hier ist die Stadt Wien gefordert. Bis dato verfolgte diese nach meinem Kenntnisstand aber andere Pläne.

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