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SKN-Sportdirektor Tino Wawra: "Haben inzwischen einen klaren Trainer-Favoriten" [Exklusiv-Interview]

Vor wenigen Tagen sorgte der SKN St. Pölten für Aufsehen: Die wichtige Kooperation mit dem VfL Wolfsburg schien in Gefahr, parallel holte Sportdirektor Tino Wawra zu einem Kritik-Rundumschlag aus - auch seine persönliche Zukunft in Niederösterreich stellte er infrage. Im Exklusiv-Interview erklärt Wawra jetzt seine Sicht der Dinge und gibt ein Update zur Trainersuche.

 

+ + 90minuten.at PLUS – Das Gespräch führte Daniel Sauer + +

 

90minuten.at: Herr Wawra, der SKN St. Pölten verabschiedet sich mit einem Sieg gegen Sturm Graz II in die Winterpause. Haben Sie am Freitag die Reaktion gesehen, die Sie von der Mannschaft sehen wollten?

Tino Wawra: Grundsätzlich schon. Es ist von Anfang an darum gegangen, wer die Partie mehr gewinnen will – aufgrund des Schneebodens war ein geordnetes Spiel kaum möglich. Die Mannschaft hat das, was ich sehen wollte, sehr gut umgesetzt.

 

90minuten.at: In der letzten Woche haben Sie mit Kritik am Team für Aufsehen gesorgt – der Mannschaft fehle es an der richtigen Mentalität, auch der Kapitän hat Kritik abbekommen. War das eine Spur zu hart?

Wawra: Das habe ich in der ersten Emotion nach dem Spiel (Anm. d. Red: Eine 0:2-Niederlage gegen Horn) gesagt. Ich stehe dazu, dass mir bei manchen Spielern die Mentalität und der unbedingte Siegeswille fehlt. Nur würde ich es nicht mehr in dieser Schärfe sagen und einzelne Spieler herauspicken. Für das Frühjahr und die nächste Saison müssen wir es schaffen, einen Kader zu bauen, der für unsere Ziele alles gibt. Dabei rede ich nicht nur von fußballerischen Themen, die Spieler müssen auch außerhalb des Platzes den unbedingten Willen haben, etwas zu erreichen.

"Ich stehe dazu, dass mir bei manchen Spielern die Mentalität und der unbedingte Siegeswille fehlt." - Tino Wawra

90minuten.at: In einem Interview hat mir ihr Nachfolger bei Blau-Weiß Linz, Christoph Schößwendter, erklärt, dass er versucht möglichst nahe an der Mannschaft dran zu sein, um einen besseren Eindruck zu bekommen. Wie legen Sie das an?

Wawra: Zu dieser Arbeitsweise habe ich ihm geraten, ich bin bei Blau-Weiß auch während jedem Training neben dem Trainer gestanden. Ich bin der Meinung, dass man so am besten mitbekommt, wie es in der Mannschaft ausschaut – ich bin auch in St. Pölten nah dabei. Hier habe ich aber feststellen müssen, dass die Mentalität, jedes Spiel gewinnen zu wollen, nicht so in der Mannschaft steckt – das zeigt sich schon im Training. Was das betrifft, muss ich auch unsere ehemaligen Trainer (Anm.: Stephan Helm und Emanuel Pogatetz) in Schutz nehmen. Für zukünftige Kader werde ich daraus meine Schlüsse ziehen.

 

90minuten.at: Das größte Thema rund um den SKN ist die Kooperation mit dem VfL Wolfsburg, der aber über einen Rückzug nachdenken soll. Wie viel steckt hinter diesen Gerüchten?

Wawra: Inzwischen hat Marcel Schäfer (Anm: Sportgeschäftsführer VfL Wolfsburg) in einem Interview bestätigt, dass die Kooperation fortgesetzt werden soll. Jan Schlaudraff steht aber intensiver im Austausch mit Wolfsburg, ich hatte noch keinen direkten Kontakt.

 

90minuten.at: Schäfer spricht davon, dass „eine Kooperation mit einem österreichischen Erstligisten für alle Beteiligten Sinn macht“.

Wawra: Dann gehe ich davon aus, dass sie den langen Atem haben und den Weg in die Bundesliga mit uns gehen wollen.

"Ich glaube, es ist aber schon nachvollziehbar, dass ich enttäuscht gewesen wäre, wenn die Kooperation geendet hätte." - Tino Wawra

90minuten.at: Im Raum stand auch, dass Sie den Verein verlassen könnten, falls die Kooperation vorzeitig endet. Können Sie Ihre Aussagen dazu noch einmal erklären?

Wawra: Die Kooperation mit Wolfsburg war für mich eine wichtige Motivation um hierher zu kommen. Hinter dem Klub steht ein deutscher Bundesligist, dadurch kann ich mich weiterentwickeln und dazulernen. Dementsprechend wäre es schade gewesen, wenn die Kooperation nach nur einem halben Jahr ad acta gelegt worden wäre. Hätte mir jemand im Sommer gesagt, dass es das Projekt nur mehr für vier Monate gibt, hätte ich mich wahrscheinlich für einen anderen beruflichen Weg entschieden – so war meine Aussage gemeint. Ich habe einen längerfristigen Vertrag unterschrieben, wer mich kennt weiß, dass ich Verträge erfülle. Ich glaube, es ist aber schon nachvollziehbar, dass ich enttäuscht gewesen wäre, wenn die Kooperation geendet hätte. Die Möglichkeiten, die ich jetzt habe, würde es dann auch nicht mehr geben.

 

90minuten.at: Wie kann man sich die Kooperation konkret vorstellen? Es gibt eine finanzielle Komponente, auch das Netzwerk von Wolfsburg sollte ein Vorteil sein – Spieler sind im Sommer keine nach St. Pölten gewechselt.

Wawra: Zum einen werden wir wirtschaftlich unterstützt, um einen Kader zusammenstellen zu können, der um den Aufstieg mitspielt. Zum anderen bekommen wir Know-How im Scouting-Bereich und der Geschäftsstelle zur Verfügung gestellt. Was Spieler betrifft, ist die Kluft momentan zu groß: Spieler, die uns helfen könnten, wollen nicht in die 2. Liga nach Österreich gehen wollen. Andere, die aus der U19 nachrücken, wären unserer Einschätzung nach zumindest keine Topspieler für uns. Das erste Ziel ist deswegen den Aufstieg zu schaffen, dann wird es einen guten Spieler-Austausch geben. Die Kooperation macht für Wolfsburg vor allem dann Sinn, wenn ein Nachwuchstalent gegen Sturm Graz und Salzburg zu Einsätzen kommen kann.  

"Wir haben inzwischen einen klaren Favoriten, mit dem wir konkrete Gespräche führen." - Wawra über Trainersuche

90minuten.at: Dass Spieler aus Wolfsburg eher ungern in die 2. Liga wechseln, hört man öfters. Ist das ein Gesetz? Es gab in den letzten Jahren doch einige Talente, die sich in der 2. Liga für höhere Aufgaben empfehlen konnten – in Liefering, oder bei Blau-Weiß zum Beispiel. Ist es nicht besser für St. Pölten zu spielen, als bei Wolfsburg gar nicht zu spielen?

Wawra: Aus unserer Sicht schon, die Spieler und ihre Berater sind aber oft anderer Meinung. In der 3. Liga in Deutschland spielt man immerhin noch vor rund 20.000 Zuschauern – unsere 2. Liga wird eher belächelt. Wir haben im Sommer schon über den ein oder anderen interessanten Spieler gesprochen, es gab aber von der Spielerseite aus keine Chance für einen Wechsel. Das beste Beispiel ist eigentlich Liefering, dort haben einige große Namen ihre ersten Schritte im Profibereich gemacht. In Deutschland sieht man das – noch – nicht so. Wolfsburg kann auch keinen Spieler zwingen, hierher zu kommen.

 

90minuten.at: Der SKN sucht seit inzwischen mehreren Wochen nach einem neuen Trainer. Die letzte Information war, dass man die Kandidatenliste auf zwei Namen verkleinern konnte. Was ist denn der letzte Stand?

Wawra: Wir haben inzwischen einen klaren Favoriten, mit dem wir konkrete Gespräche führen. Die Hoffnung ist, dass wir bald zusammenkommen.

"Bis zum Sommer tut sich auf der Zugangsseite wahrscheinlich nichts, wir glauben trotzdem, dass wir eine gute Mannschaft haben." - Tino Wawra

90minuten.at: Um Ronald Brunmayr geht es dabei aber nicht mehr? Er wurde ja zumindest zu Beginn der Suche als Favorit genannt.

Wawra: Nein, um ihn geht es nicht. Natürlich habe ich versucht, ein Gespräch mit ihm zu führen – es war aber schnell klar, dass er uns nicht zur Verfügung steht. Er wird wahrscheinlich den Weg mit Oliver Glasner weitergehen, über ein Angebot aus der Bundesliga würde er wohl auch nachdenken. Wir haben dann einige Gespräche mit Kandidaten geführt, im Hearing hat sich einer durchgesetzt.

 

90minuten.at: Ohne nach einem konkreten Namen stochern zu wollen: Gibt es schon einen ungefähren Zeitplan für die Verpflichtung und wird es eine österreichische Lösung?

Wawra: Die Lösung wäre österreichisch, das war auch immer unser Wunsch. Namen möchte ich nicht kommentieren. Von der Bundesliga haben wir aufgrund der Lizenz eine Deadline bis zum 22. Dezember, es soll aber eigentlich so schnell wie möglich gehen.

 

90minuten.at: Darf der neue Trainer im Winter mit Verstärkungen rechnen? Wie sehen die Pläne für das kommende Transferfenster aus?

Wawra: Wir haben einen zu großen Kader, aus Erfahrung weiß ich, dass es im Winter schwierig ist, daran etwas zu verändern. Bis zum Sommer tut sich auf der Zugangsseite wahrscheinlich nichts, wir glauben trotzdem, dass wir eine gute Mannschaft haben. Der neue Trainer soll jetzt einmal übernehmen, dann sehen wir weiter.

 

90minuten.at: Erschwert werden dürfte die Kaderplanung durch die Infrastruktur in St. Pölten. Im Sommer 2022 hat Jan Schlaudraff erklärt, dass es im Verein „de facto kein Scouting gibt“. Hat sich in letzter Zeit etwas gebessert?

Wawra: Bisher hat das eigentlich alles Jan Schlaudraff gemacht. Eine Abteilung hat es nicht gegeben, wir versuchen derzeit etwas aufzubauen. In Österreich ist das nicht leicht, wir versuchen unser Bestes und haben begonnen, das auch zu verschriftlichen.

 

90minuten.at: Was heißt verschriftlichen in diesem Fall?

Wawra: Es geht darum, wie ein Scoutingprozess ausschauen kann, wenn man die Ressourcen hat. Wir brauchen einen Leitfaden, an dem wir uns Schritt für Schritt abarbeiten können.

 

90minuten.at: Allgemein wird ja angenommen, dass durch die Kooperation mit Wolfsburg die Ressourcen vorhanden sein sollten.

Wawra: Der Faktor Zeit bleibt natürlich trotzdem ein Thema, auf die Schnelle ist das schwierig. Mir ist klar, dass Wolfsburg nicht ewig Geduld hat, wir sind froh, wenn die Kooperation wie ausgemacht bis 2025 Bestand hat. Was Österreich betrifft, habe ich mir eine Art fotografisches Gedächtnis angeeignet: Wenn ich einmal einen Spieler gesehen habe, merke ich mir sein Profil – das konnte ich schon als Kind mit meinem Panini-Album. Für die Agentur von Jürgen Werner war ich über sechs Jahre bei vielen Akademiespielen und kann mich an viel erinnern, das hilft. Diese Arbeit ist aber alleine für den österreichischen Markt extrem zeitaufwendig.

 

90minuten.at: Nicht mehr beim Verein ist der ehemalige Nachwuchsleiter Paul Scharner. Warum ist es zur Trennung gekommen?

Wawra: Wir sind in gemeinsamen Gesprächen zu dem Entschluss gekommen. Er hat im sportlichen Bereich sehr gute Arbeit gemacht, die organisatorischen Themen aber ein bisschen unterschätzt. Das hat für Unzufriedenheit gesorgt – zumindest habe ich das so mitbekommen, ohne direkt involviert gewesen zu sein. Der Aufwand ließ sich außerdem nicht mehr mit einer anderen Tätigkeit vereinbaren. Bis Sommer haben Masaki Morass und Mario Anfang die Aufgaben übernommen, dann wird entschieden, wie es auf der Position weitergeht.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

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