Foto: © GEPA

Red Bull Salzburg-Sportdirektor Bernhard Seonbuchner: "Spiele sollen nicht nur gewonnen werden" [Exklusiv-Interview]

Bernhard Seonbuchner ist erst wenige Monate im Amt und hat als Nachfolger von Christoph Freund mit Sicherheit nicht die einfachste Aufgabe. Vor allem, weil das, was Red Bull Salzburg will und wie es am Platz aussieht, derzeit nicht zusammen passt. Im 90minuten.at-Exklusiv-Interview erklärt er, wie dieser Stil wieder auf dem Platz zu sehen sein kann.

+ + 90minuten.at PLUS - Das Gespräch führte Georg Sohler + +

 

Bernhard Seonbuchner ist gebürtiger Deutscher, 40 Jahre alt und seit 2010 in verschiedenen Positionen bei Red Bull Salzburg tätig. Seit 1. September muss er in die Fußstapfen von Christoph Freund hineinfinden. Dass Freund irgendwann gehen würde, zeichnete sich über die letzten Jahre ab, Trainer Matthias Jaissle verließ die Mozartstadt hingegen kurzfristig. Nachfolger Gerhard Struber musste ohne Vorbereitung nach Meisterschaftsstart loslegen. Und somit hat der Serienmeister nun eine komplett neue sportliche Leitung. Der gelernte Industriekaufmann Seonbuchner muss nun gemeinsam mit Trainer Struber darauf achten, dass der Weg "Fußball von Morgen" weiter gegangen werden kann. Darüber hinaus soll der gewohnte Pressing-Stil der Salzburger wieder ersichtlich sein. Nur gewinnen reicht an der Salzach nicht, es braucht auch begeisternden Fußball. Im 90minuten.at-Exklusiv-Interview nimmt der Sportdirektor dazu Stellung:

 

90minuten.at: Ihr Vorgänger ist zum FC Bayern München gegangen, hat den österreichischen Fußball – sowie eigentlich auch international – in den letzten Jahren geprägt. Wie geht man so einen Job an?

Bernhard Seonbuchner: Mit der entsprechenden Demut und einer möglichst guten Vorbereitung. Ich bin ja quasi auf einen fahrenden Zug aufgesprungen, schließlich bin ich meinen Job am 1. September angetreten, als der Transfersommer schon vorbei und die Saison schon im Laufen war. Das Schöne ist aber, dass ich den Klub und die Menschen hier sehr gut kenne, über Strategie und Philosophie gut Bescheid weiß. Somit war das „Aufspringen“ einfacher. Ich konnte die Dinge auf mich wirken lassen, nachdem eine Übergabe in die entscheidenden Themen erfolgt war. Wenn man so will, bin ich also erst einmal „mitgefahren“ und konnte mich während der vielen englischen Wochen weiter orientieren und Abläufe noch besser kennenlernen. Der Klub hat mich dabei sehr unterstützt und begleitet.

 

90minuten.at: Gerüchte bzw. die Vermutung, dass Christoph Freund irgendwann einmal gehen könnte, gab es schon länger. Sie werden wohl nicht am Tag der Bekanntgabe seines Wechsels begonnen haben, sich einzuarbeiten?

Seonbuchner: Es gab zu einem gewissen Zeitpunkt die Information, dass er das Angebot der Bayern annehmen wird. Ab da wurden dann konkrete Gespräche geführt mit mir. In weiterer Folge wurden die Dinge in die Wege geleitet, damit es einen nahtlosen Übergang gibt. Es war ein gutes Signal und eine für diesen Klub typische Vorgehensweise, dass ich als sein Nachfolger gleichzeitig auf der Pressekonferenz bekannt gegeben wurde, als er seinen Abschied verkündete.

90minuten.at: Kommen wir zum Sportlichen: Der Trainer kam quasi nach Saisonbeginn (offizieller Antritt: 31. Juli), der Sportdirektor (Ankündigung: 19. Juli) übernahm überhaupt offiziell mit 1. September. Bei anderen Vereinen müsste man kritisieren, dass diese Abfolge nicht passend ist.

Seonbuchner: Ich war ja eben schon angekündigt, erst danach hat sich Matthias Jaissle verabschiedet. Gerhard Struber hat sein Amt dann schon vor meinem offiziellen Antritt angetreten, wir sind beide in derselben Pressekonferenz offiziell vorgestellt worden. Für den Klub ist es aber generell eine große Veränderung, wenn sich die sportliche Führung neu aufstellt, erst recht während der schon laufenden Saison. Auch der Trainer springt ohne Vorbereitung auf den Zug auf.

 

90minuten.at: Die Zeit unter Matthias Jaissle war von einigem Zweckfußball geprägt. Struber kam spät, es gab viele Verletzte, von Red Bull Salzburg ist man dennoch einen anderen Fußball gewöhnt.

Seonbuchner: Es ist natürlich ein anderer Rhythmus, wenn man nur spielt und dann noch teils sehr viele Spieler ausfallen. Inhaltlich kann man so wenig erarbeiten. In den Matches ist ja im Unterschied zu einer Trainingswoche noch der Faktor X, also ein Gegner, mit dabei, dessen Verhalten nicht wirklich planbar ist. Wir freuen, dass wir ab Januar eine entsprechende Vorbereitungszeit haben. Ich gehe auch davon aus , dass wieder einige der zuletzt verletzten Spieler einsatzfähig sein werden. Dann wird es darum gehen, unsere Idee, wie wir auftreten und spielen wollen, zu erarbeiten.

 

90minuten.at: Bleiben wir noch beim Rückblick. Fangen wir allgemein an. Tabellenführer, Cup mit dabei, um wenige Augenblicke erstmals seit Jahren nicht im europäischen Frühjahr. Wie lautet generell Ihre Bilanz der letzten Monate?

Seonbuchner: Sie haben die Fakten ja schon aufgezählt. Es ist keine Blamage, in dieser Gruppe in so einem letzten Spiel den Kürzeren zu ziehen. Das gesetzte Ziel, europäisch zu überwintern, ist sich somit sehr knapp nicht ausgegangen. Die Gruppe war zudem außerordentlich gut. Das sieht man auch daran, dass mit Real Sociedad die Topf 4-Mannschaft Erster wurde. Wir richten den Blick jedoch auch nach innen und schauen uns an, wie wir über die Saison hinweg aufgetreten sind, hinsichtlich Konstanz und unserer DNA. Da sind wir auch selbstkritisch und wissen, dass wir Dinge verändern wollen. Es ist allerdings schön, dass wir das aus der Position des Tabellenführers aus machen können. Das ist eine super Ausgangsposition.

"Welches Offensivfeuerwerk haben wir abgeliefert? Da wollen wir uns natürlich verbessern und haben die Hoffnung, dass die talentierten Spieler - wenn sie fit sind und gemeinsam trainieren können - Verbesserungen herbeiführen." - Bernhard Seonbuchner

90minuten.at: Braucht es für wieder attraktiveren Fußball auch Tätigkeit am Transfermarkt?

Seonbuchner: Die Spielerverfügbarkeit ist in jeder Mannschaft ein Thema. Wenn regelmäßig Leistungsträger nicht mitspielen können, beeinflusst das jede Mannschaft. Mit diesen Voraussetzungen haben wir eigentlich sehr gute Ergebnisse eingefahren. Es sind zwei verschiedene Paar Schuhe. Nimmt man etwa die Anzahl der Gegentore her, waren wir sehr stabil. Das spricht für das Team und wie es als Einheit auftritt. Das andere ist aber: Welches Offensivfeuerwerk haben wir abgeliefert? Da wollen wir uns natürlich verbessern und haben die Hoffnung, dass die talentierten Spieler - wenn sie fit sind und gemeinsam trainieren können - Verbesserungen herbeiführen. Die Spiele sollen eben nicht nur gewonnen, sondern dabei auch unser Fußball gezeigt werden.

 

90minuten.at: Apropos Bewertung: Die mediale Darstellung ist manchmal schon auch interessant. Trifft Benfica in der Nachspielzeit nicht, liest sich so mancher Artikel auch anders.

Seobnuchner: Wir waren nach dem Sieg in Lissabon nicht Weltmeister und werden auch jetzt, nach dem Ausscheiden in letzter Sekunde, den Spielbetrieb nicht einstellen. Wir können intern schon richtig reflektieren, um in der Balance zu bleiben und uns weiterzuentwickeln.

 

90minuten.at: Gut, hierzulande gibt es eben nur himmelhochjauchzend oder zutodebetrübt und nichts dazwischen.

Seonbuchner: Ich bin schon lange genug hier, mir ist schon wichtig zu sagen, dass man sich zwischen beiden Polen bewegen kann – um sich dann dem einen in konstanter Weise zu nähern.

 

90minuten.at: Inwiefern wollen Sie den Kader nun zusammenhalten? Ist schon jemand bereit für den nächsten Schritt?

Seonbuchner: Das Wintertransferfenster ist für uns nicht so entscheidend wie jenes im Sommer. Noch ist es ruhig, aber die Gerüchte bekomme ich natürlich mit. Letztlich freue ich mich, wenn die Spieler wieder auf den Platz zurückkommen. Wir sind auch in der Rückrunde eine sehr gute Bühne für die Jungs, von daher denke ich nicht, dass sehr viel passieren wird.

 

90minuten.at: Noch ein Wort zu den Verletzten: Woran liegt diese Masse an Verletzten? Ist das Zufall oder gibt es eine Erklärung?

Seonbuchner: Das Team hatte ja schon im ersten Halbjahr 2023 viele Ausfälle, aber das liegt immer an mehreren Faktoren. Die Spieler hatten eine hohe Belastung, Verletzungen wie bei Capaldo, Kjærgaard oder Ulmer sind Pech. Kontaktverletzungen passieren, unabhängig von der Trainingssteuerung. Insofern muss man nicht alles hinterfragen oder verändern.

"Ach, die Frage bekomme ich natürlich öfter gestellt und die hat auch mein Vorgänger Christoph Freund oft gehört. Erfahrung kommt aber in erster Linie über viele Spiele, nicht über das Alter." - Bernhard Seonbuchner auf die Frage, ob es ältere Spieler braucht

90minuten.at: Viele junge Kicker sind körperlich noch nicht ganz erwachsen, spielen aber alle drei Tage. Muss man mehr auf Physis achten?

Seonbuchner: Es liegt in unserer Verantwortung darauf zu achten, dass die Jungs fit und belastbar sind. Wir treffen Vorsorgemaßnahmen und haben ein entsprechendes Team dahinter, das engagiert und fleißig ist. Darüber hinaus ist man da auch nie fertig damit, Dinge besser zu machen und zu hinterfragen. Diese Evaluierung ist wichtig, damit wir im Frühjahr auch die Spieler zur Verfügung haben. Dass der Terminplan keine sechs Champions League-Spiele mehr vorsieht, kommt uns in diesem Punkt entgegen.

 

90minuten.at: In der Königsklasse ist man dabei, darf „mitspielen“. Braucht es, eventuell auch durch Ihre Arbeit am Transfermarkt, mehr Erfahrung bzw. Alter, um eine größere Rolle zu spielen?

Seonbuchner: Ach, die Frage bekomme ich natürlich öfter gestellt und die hat auch mein Vorgänger Christoph Freund oft gehört. Wenn man sich unser Team von Verteidigung über Mittelfeld bis zum Sturm ansieht, haben wir schon viel Erfahrung: Solet, Capaldo, Sučić, Koïta, Fernando sind Spieler, die sehr viele Matches auf hohem Niveau gespielt haben. Wir müssen die Kicker aber auf den Platz bringen, dann stellt sich diese Frage nicht. Im Herbst haben sie selten gespielt, das verändert dann einiges im Spiel. Das heißt umgekehrt aber nicht, dass wir keine Erfahrung im sonstigen Kader haben bzw. haben möchte. Erfahrung kommt aber in erster Linie über viele Spiele, nicht über das Alter.

 

90minuten.at: Werfen wir noch einen Blick auf das andere Ende der Erfahrung, die jungen Talente, die oftmals Kooperationsspieler beim FC Liefering sind. Beim Kooperationsklub sind viele Spieler, diese Saison ist durchwachsen. Man überwintert als 13., einen Platz vor dem Abstieg, so es drei Absteiger gibt. Gibt es einen RBS-Plan B, sollte Liefering absteigen?

Seonbuchner: Ich halte die Frage für sehr weit hergeholt. Natürlich verfolgen wir unseren Kooperationsklub. Nachdem ich aber schon viele Jahre hier bin, weiß ich natürlich sehr gut, wie solche Entwicklungen sind. Der Weg des FC Liefering ist so, dass man sich dort entwickelt. Das wird mit Sicherheit auch dieses Mal so sein. Die jungen Spieler sammeln Erfahrung und werden Leistung zeigen. Dementsprechend denken auch wir positiv.

 

90minuten.at: Bei drei Punkten Vorsprung auf einen Abstiegsplatz ist die Frage aber wichtig.

Seonbuchner: Ich denke, man kann es dabei belassen, wir gehen nicht von irgendwelchen Szenarien aus, die am Ende nicht eintreten sollen und werden. Die Vorrunden-Tabelle liest sich auch nicht das erste Mal so.

 

90minuten.at: Das Saisonziel ist natürlich das Double, mehr Regeneration und Trainingszeit wird sich positiv auf das Spiel auswirken. Gibt es über die beiden Titel hinaus Ziele/KPIs, die sie definieren, um die Saison 23/24 gut bilanzieren zu können. Beispielweise: Eine signifikante Erhöhung der Torchancen, mehr Raum für die Talente usw.? Oder heißt es einfach: Back to Red Bull-Fußball?

Seonbuchner: Das eine ergänzt das andere. Wir haben für uns intern Maßstäbe und Ziele gesetzt, die wir erreichen wollen und die am Ende auch zu positiven Resultaten führen sollen. Der Weg dorthin ist uns aber logischerweise wichtig. Der Klub hat ein gutes Fundament, jetzt geht es darum, das eine oder andere zu adaptieren und weiterzuentwickeln. Von der strategischen Ausrichtung her wollen wir den Weg so weitergehen und nachhaltig gestalten – in Form von Resultaten und bezüglich Spielerentwicklung.

Der neue GAK-Themenschwerpunkt:

90minuten.at-TV powered by OneFootball

 

90minuten.at-exklusiv

2. Liga TV

Schon gelesen?