
Volkmer: "Hoffen, dass wir am Samstagabend zusammen zwei Titel feiern"
Eine Persönlichkeit tritt ab: Am Samstag steht für Austria-Kapitänin Verena Volkmer mit dem Frauen-Cup-Finale das letzte Spiel ihrer Karriere an. Mit 90minuten spricht sie über ihre Gefühlslage, Zukunftspläne und der unglücklichen Terminansetzung.
Seit ihrer Kindheit ist Verena Volkmer eine eingefleischte Fußballerin, seit Juli 2022 schnürt sie ihre Fußballschuhe für den FK Austria Wien.
Mit dem Finale des SPORTLAND Niederösterreich Frauen Cups (Samstag, 13:00 Uhr), wo die Veilchen gegen Meister SKN St. Pölten um den Titel kämpfen, endet auch die Karriere der 29-Jährigen.
Die Deutsche prägte die Violetten seit ihrer Ankunft vor gut drei Jahren in vielerlei Aspekten. Neben ihrer spielerischen Klasse - Volkmer wurde heuer sowohl Torschützenkönigin der ADMIRAL Frauen Bundesliga, als auch zur Spielerin der Saison gewählt - brachte sie eine unglaublich ansteckende Mentalität mit sich.
Im Interview mit 90minuten hat die FAK-Kapitänin vor diesem großen, letzten Spiel nicht nur Einblicke in ihre Gefühlswelt gegeben, sondern auch ihre Zeit in Wien Revue passieren lassen und ihre Zukunftspläne verraten.
90minuten: Am Samstag ist Cup-Finale. Es ist gleichzeitig auch das letzte Spiel deiner Karriere. Ist es vielleicht sogar das größte Spiel deiner Karriere?
Verena Volkmer: Das ist ein großes Wort, weil ich viele Spiele hatte. Jetzt ist es natürlich so, dass die ganzen Emotionen vor diesem Spiel extrem präsent sind, und die Emotionen, die man vor anderen Spielen empfunden hat, in den Hintergrund rücken. Es ist auf jeden Fall im gesamten Rahmen ein ganz besonderes Spiel, das kann ich sagen, mit vielen Gefühlen in alle Richtungen. Wenn wir am Ende gewonnen haben, dann war es definitiv das größte Spiel meiner Karriere.
90minuten: Wenn wir schon dabei sind, wie geht es dir mental und körperlich vor dem Spiel? Du warst zuletzt angeschlagen.
Volkmer: Ja, das macht alles noch ein bisschen besonderer, das hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt, ein bisschen entspannter, ein bisschen normaler. Vielleicht ist es aber auch gut, dass ich gar nicht mehr die Möglichkeit habe, mir so viele Gedanken darüber zu machen, dass es das letzte Spiel ist, dass es einfach viele letzte Male sind. Das letzte Training hier mit allen zusammen, heute war zum Beispiel das letzte Krafttraining zusammen. Das ist gar nicht mehr so präsent, weil der Fokus viel mehr auf meinem Fuß liegt. Deswegen ist es schon speziell und in den letzten Tagen ist viel los gewesen. Aber ich bin und bleibe positiv und mache das Beste draus.

90minuten: Wie sieht die aktuelle Lage aus, ist der Fuß wieder einsatzbereit?
Volkmer: Ich kann es noch nicht abschließend sagen. Ich glaube, es wird sich dann am Samstag zeigen, ob es funktioniert oder nicht. Ich werde garantiert nicht schon vorher aufgeben. Heute haben wir Mittwoch, es sind noch ein paar Tage bis dahin. Ich werde weiter dran arbeiten und hoffe, dass es dann auch funktioniert. Ich mache von Tag zu Tag Fortschritte, die mir ein gutes Gefühl geben.
90minuten: Wie ist die Stimmung in der Mannschaft vor diesem letzten, entscheidenden Spiel?
Volkmer: Die kriege ich gerade nicht hautnah mit, weil ich in den letzten Tagen leider nicht auf dem Trainingsplatz gestanden bin. Aber ich nehme sie dennoch positiv wahr, sehr fokussiert und anders als im vergangenen Jahr. Ich glaube schon, dass es für uns ein Vorteil sein kann, dass wir das Ganze letztes Jahr schon einmal erlebt haben. Da war dann alles ein bisschen aufregender, weil alles neu war. Man wusste nicht, wie läuft alles ab. Dieses Jahr ist das ganz klar, wir kennen den Ablauf, wir kennen das Hotel, wir kennen das Stadion, wir kennen die Kabine. Wir wissen einfach, was uns erwartet. Den Gegner kennen wir sowieso. Das ist, glaube ich, etwas Positives.
90minuten: Was würde euch, was würde dir dieser Titel bedeuten?
Volkmer: Alles. Das ist das, wofür wir auch Fußball spielen. Man will am Ende erfolgreich sein und zu den Besten gehören. Ich glaube, es ist bei jedem Menschen so, dass Gewinnen Spaß macht. Da braucht man nicht drum herumreden. Egal, ob es jetzt zu Hause bei einem Gesellschaftsspiel wie Mensch ärgere dich nicht oder bei einem Finale wie diesem ist. Der Ehrgeiz ist bei uns Sportlern vielleicht etwas ausgeprägter. Wenn man so etwas zusammen erreichen kann, ist das etwas, was für immer bleibt. Daran erinnert man sich für immer. Deswegen ist das für uns alle etwas ganz, ganz Großes.
Man sagt nicht umsonst, Mentalität schlägt Qualität.
90minuten: In den Duellen mit St. Pölten wart ihr in dieser Saison immer recht knapp am Sieg dran. Wie heiß seid ihr da, es endlich zu schaffen, sie zu besiegen?
Volkmer: Sehr heiß. Das kommt noch on top als Motivation. Mir geht es schon seit längerem so. Wir haben sie in diesen drei Jahren, abgesehen von den Ligaspielen, immer auch im Cup gehabt. Entweder, als wir gegen sie vorher ausgeschieden sind oder im Finale. Ich habe einfach ein paar Mal gegen St. Pölten gespielt, seitdem ich hier bin. Man entwickelt dann dieses Gefühl, sie endlich schlagen zu wollen, das ist extrem präsent. Vor dem 1:1 im November habe ich auch nicht erlebt, dass wir gegen sie ein Tor geschossen haben. Bei Spielen von anderen, die gegen sie gespielt und getroffen haben, habe ich mir gedacht: Das kann doch nicht sein, dass alle gegen sie treffen, nur wir schaffen es nie ein Tor zu schießen. Das war der erste Step, dass man das geschafft hat. Jetzt wollen wir den zweiten machen und sie schlagen.
90minuten: Was ist der Schlüssel zu diesem Erfolg?
Volkmer: Eine Gesamtleistung des ganzen Teams. Wir wissen, was unsere Stärken sind, und wir wissen, dass wir darüber kommen. Wir kommen über Mentalität und Teamgeist. Dass St. Pölten auf allen Positionen viel Qualität hat, ist klar. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit unseren Eigenschaften jeden Gegner schlagen können. Man sagt nicht umsonst, Mentalität schlägt Qualität. Wir werden sicherlich einen sehr guten Tag brauchen, St. Pölten vielleicht eher einen schlechten. Aber warum sollte das nicht ausgerechnet am Samstag so sein?
90minuten: Die Terminansetzung ist leider nicht optimal, da kommt es zu einer Kollision mit dem Meisterschaftsfinale der Herren. Was sind deine Gedanken dazu?
Volkmer: Die Terminansetzung ist alles andere als optimal. Für mich, ohne genauere Details und Abläufe zu kennen, erschließt sich nicht so richtig, wie so etwas passieren kann. Ich finde es einfach schade, man hat uns damit eine gute Möglichkeit genommen, eine große Bühne zu haben. Man hat letztes Jahr gesehen, wie es war. Bei der Entwicklung, nur auf die Austria bezogen, sieht man, wie wir uns vor allem sportlich entwickelt haben und auch, was in einem Jahr alles im Verein passiert ist. Die Zuschauerzahlen bei den Heimspielen, selbst bei Auswärtsspielen. Auch wenn es nicht immer super viele waren, aber es waren immer welche da, die eine Trommel dabeihatten und gesungen haben. Das wäre dieses Jahr noch krasser gewesen. Durch den Umstand ist es leider schwieriger.
Es ist schade für uns, aber wir können es jetzt nicht ändern und machen aus der Situation das Beste. Man muss die Dinge nehmen, wie sie kommen. Seitdem das klar ist, versuchen wir als Mannschaft und der Verein, uns darüber nicht aufzuregen, sondern Lösungen zu finden, wie man damit umgehen kann. Man organisiert einen Fanbus von Stadion zu Stadion, sodass es den Fans so leicht wie möglich gemacht wird und man sie dazu aufruft, beide Teams zu unterstützen. Wir hoffen, dass wir am Samstagabend alle zusammen zwei Titel feiern.
90minuten: Blicken wir auf deine Saison zurück. Du bist erneut Torschützenkönigin, zusätzlich Spielerin der Saison. Erstmal herzlichen Glückwunsch dazu. Wie geht es dir, wenn du auf deine Saison zurückblickst?
Volkmer: Wenn man das erreicht hat, kann man schon zufrieden sein. Es gibt auch Spiele, wo es nicht so gut gelaufen ist oder Chancen, die man vergeben hat. Es sind schöne Auszeichnungen, über die ich mich freue und die ich alles andere als selbstverständlich empfinde. Das ist etwas Großes, wo ich selbst im Vorfeld nicht gedacht hätte, dass ich das erreichen kann. Man macht sich nicht wirklich solche Gedanken oder setzt sich das als Ziel, weil es erstmal um den Teamerfolg geht und man von Spiel zu Spiel denkt. Ich finde es einfach besonders und auch wertschätzend, vor allem die Auszeichnung zur besten Spielerin, da diese von den Spielerinnen, den TrainerInnen und den sportlichen LeiterInnen gewählt wird. Dass alle so empfinden, obwohl es die Gegner sind, finde ich persönlich schon sehr besonders.
Ich hatte hier von Anfang an das Gefühl, dass ich mit sehr offenen Armen empfangen worden bin, egal wer und wo das war. Ich habe mich immer sehr willkommen und wertgeschätzt gefühlt und dass ich so genommen werde, wie ich bin.
90minuten: Wie würdest du allgemein auf deine drei Jahre hier in Wien zurückblicken, gibt es Highlights?
Volkmer: Ja, es gibt auf jeden Fall Highlights. Es war eine sehr schöne Zeit. Ich bin sehr froh, dass ich diesen Schritt vor drei Jahren gegangen bin. Wenn ich mir jetzt anschaue, was ich alles erlebt habe und wen ich kennengelernt habe, dann wäre ich sehr traurig, wenn ich das missen würde. Ich habe mich hier von Anfang an sehr wohlgefühlt, das hat man auch gemerkt, glaube ich. Das trägt auch dazu bei, wie man performen kann, weil das Drumherum auch passen muss. Ich hatte hier von Anfang an das Gefühl, dass ich mit sehr offenen Armen empfangen worden bin, egal wer und wo das war. Ich habe mich immer sehr willkommen und wertgeschätzt gefühlt und dass ich so genommen werde, wie ich bin. Das ist ein sehr schönes Gefühl.
Deswegen waren es sehr schöne und erfolgreiche drei Jahre hier. Man begleitet ein Projekt mit, das war einer der ausschlaggebenden Gründe, warum ich mich damals entschieden habe, herzukommen. Man baut etwas gemeinsam auf, das macht mir persönlich mehr Spaß, als wo hinzugehen, wo alles schon eingespielt ist. Das finde ich schön, wenn ich mir anschaue, wie es hier war vor drei Jahren, als ich gekommen bin, war und wie es jetzt ist. Dass ich dazu ein Stück beigetragen habe, finde ich sehr besonders.

90minuten: Im Sommer wirst nicht nur du als Kapitänin den Verein verlassen, sondern auch Lisa Makas, die sportliche Leiterin. Wie glaubst du, wird es für die Austria weitergehen? Das sind doch wichtige Persönlichkeiten, die dann wegfallen.
Volkmer: Ich bin überzeugt davon, dass der Weg genauso, wie er jetzt ist, weitergehen wird. Also dass man sich Stück für Stück in verschiedenen Bereichen weiterentwickeln wird. Unsere beiden Positionen werden neue Leute einnehmen, die ihre Aufgaben sicherlich genauso gut von Tag eins meistern werden. Es sind in meinen Augen viele Leute da, die unsere Abteilung im Verein tragen und viel investieren. Deswegen bin ich davon absolut überzeugt, dass sich das weiter positiv entwickeln wird. Vor allem unser Trainerteam ist mehr als engagiert, bei denen fließt definitiv violettes Blut. Ich bin gespannt, wo die Austria in ein paar Jahren steht, ich glaube oben.
90minuten: Wie wird es bei dir weitergehen? Du hast ein abgeschlossenes Jurastudium.
Volkmer: Genau. Ich werde zurück nach Deutschland gehen, nach Bremen. Da werde ich wieder gemeinsam mit meiner Freundin leben und anfangen, juristisch zu arbeiten, und zwar bei der Staatsanwaltschaft.
Viele haben gesagt, dass ich mich bei diesen Themen in Wien besser auskenne, als sie selbst, obwohl sie hier geboren sind.
90minuten: Welchen Platz wird der Fußball in deinem Leben haben?
Volkmer: Darauf bin ich auch gespannt, ehrlich gesagt. Der Fußball ist seit Kindheitstagen meine absolute Leidenschaft. Sowas legt sich nicht, soll es auch nicht. Ich bin und werde Fußballfan bleiben. Ich werde mich weiterhin über die Dinge informieren, die mich interessieren. Ich werde Spiele gucken, da habe ich einige Mannschaften, die ich verfolge, entweder, weil ich da, so wie hier, selbst gespielt habe, oder bei Männermannschaften, von denen ich Fan bin. Oder andere Teams, wo Freundinnen spielen, mit denen ich zusammengespielt habe. Ich werde weiterhin viel mit Fußball zu tun haben. Meine Freundin arbeitet bei Werder Bremen, das heißt, da ist weiterhin ein Bezug und ich werde sicherlich das eine oder andere Spiel im Stadion gucken. Aber ich habe vor, den Fußball dann erstmal passiv zu konsumieren.
90minuten: Was wirst du am meisten an Wien vermissen?
Volkmer: Sicherlich viele Dinge. Der größte Punkt wird die Austria und der Fußball sein, weil ich deswegen hergekommen bin und das nicht ersetzt wird. Das wird mir fehlen. Wenn ich andere Punkte andenke, muss ich sagen, dass ich die Stadt sehr toll finde und sie mir fehlen wird. Vor allem das Angebot, was es hier für guten Kaffee und gutes Essen gibt. Ich bin ein Genießer, was das angeht. Viele haben gesagt, dass ich mich bei diesen Themen in Wien besser auskenne, als sie selbst, obwohl sie hier geboren sind. Das ist in Bremen nicht so ausgeprägt, wie es hier ist. Das wird mir auf jeden Fall fehlen.