Lange sah es danach aus, dass Admira Wacker wieder ins Fußballoberhaus zurückkehrt. Ein 2:2 gegen Stripfing hat aber offensichtlich so viel Schaden angerichtet, dass danach nichts mehr ging.
Hatten die Südstädter inklusive dieser 24. Runde erst zwei Spiele verloren, ging man in Folge fünf von sechs Mal als Verlierer vom Platz. Am Ende stiegen die Rieder mit sechs Punkten Vorsprung auf.
Seine ersten Gedanken dazu: "Danach war jeder Schuss gegen uns ein Treffer, vollkommen mystisch, was da passiert ist."
Im 90minuten-Interview hat Thomas Silberberger viele mögliche Erklärungen, ohne die eine entscheidende zu finden. Klar scheint aber: Er hat in der Südstadt noch etwas vor.
90minuten: "Ich brauche ja nicht meinen Lebensmittelpunkt von Tirol nach Wien verlegen, um in der 2. Liga um Platz fünf oder sieben zu spielen", haben sie im Herbst gesagt. Jetzt wurde es Rang zwei.
Thomas Silberberger: Ich habe das letzte Jahr nicht eine Sekunde bereut, hierherzukommen und zu versuchen, mit der Admira aufzusteigen. Es hat ja auch lange gut ausgesehen. Und im Endeffekt muss ich die zurückliegende Saison in zwei Teilen betrachten: Alles bis zum Karfreitag und das danach. Bis zum Remis gegen Stripfing hatten wir einen sensationellen Lauf und danach war jeder Schuss gegen uns ein Treffer, vollkommen mystisch, was da passiert ist. Das war sehr bitter.
90minuten: Wie kann ein Faden so reißen?
Silberberger: Die einfachste Erklärung wäre jetzt, dass ich sage, dass wir zu wenig Qualität hatten. Aber das lasse ich nicht gelten. Wir hatten wohl einen Mangel in Bezug auf die Mentalität. Wir haben die Rieder das ganze Jahr im Nacken gespürt - und dann ist plötzlich die Causa Peter Stöger aufgepoppt.
Es wusste wochenlang niemand, wie es mit dem Gesicht des Vereins weitergehen wird. Plötzlich war Stillstand im Verein. Es haben sich zudem wilde Fehler eingeschlichen, wie ein Tor vom Anstoß weg gegen Amstetten. Sturm II hat mit zwei Torschüssen 3:2 gewonnen. Letztendlich konnten wir das Momentum nicht mehr auf unsere Seite ziehen. Das ist enttäuschend. Sich darauf auszureden, ist aber nicht genug.
90minuten: Glück und Pech sind immer schwierig als Erklärung. Ich war verwundert, dass das passiert, weil die Mannschaft nicht wenig Routine hatte.
Silberberger: Ich sehe es so: Wir hatten viele routinierte Spieler, aber wenige, die Titel gewonnen haben. In Wattens hatte ich 2018/19 Spieler wie Florian Mader, Andreas Dober oder Ione Cabrera. Sie sammelten zusammen alleine sechs 2.-Liga-Titel, dazu noch drei Bundesliga-Titel und einen in der Regionalliga. Die sind in der heißen Phase vorangegangen. Diese Erfahrung hat uns gefehlt.
Aber warum hat es 23 Runden überragend funktioniert – und dann plötzlich nicht mehr? Ich rede mich nicht heraus, es sind einfach sehr viele Dinge auf uns eingeprasselt.
90minuten: Der ehemalige Rapid-Trainer Ernst Dokupil meinte mal: "Fußball ist ein Scheiß-Spiel".
Silberberger: Für die letzten sieben Spieltage kann ich das nur unterschreiben.
90minuten: Aber gibt es keine Indikatoren? Markus Katzer meinte im März, man habe bei Geschwindigkeit, Distanz, Anzahl an Sprints im Spätherbst Unterschiede zum Sommer festgestellt.
Silberberger: Die Daten spiegeln viel wider, aber ich verweise noch einmal auf das Spiel gegen Sturm II: 27 zu zwei Torschüssen, Endergebnis 2:3. Auch gegen Liefering waren wir klar besser. All die Daten nützen dir nichts, wenn du am Ende nicht gewinnst. Und ich finde in ihnen keine Belege, warum wir diese Spiele so verschenkt haben.
Sobald Spieler fünf gute Partien absolvieren, sind sie für andere Vereine ein Thema. Es reicht mir aber nicht, dass einer die Akademie absolviert hat.
90minuten: Ich werfe noch ein Argument hinein: Es gibt nur einen Aufstiegsplatz. Man hört ja immer mal wieder die Idee, dass ein Relegationsplatz gut wäre.
Silberberger: Das ist nicht der springende Punkt, aber den Gedanken mit Vizemeister gegen Vorletzten finde ich extrem spannend. Die 2. Liga wird ja oft kritisiert und so eine zweite Aufstiegsmöglichkeit würde ihr gut tun.
90minuten: So viel zur letzten Saison, wie kann es nun weitergehen, vor allem am Transfermarkt? Mit Turgay Gemicibasi wurde ein "aggressive leader" verpflichtet, Matteo Meisl hat Bundesliga-Erfahrung, Justin Forst kennen Sie aus Wattens.
Silberberger: Gemicibasi ist ein Leader auf der Sechs, der wird uns spielerisch, kämpferisch und in der Kabine weiterhelfen – ein Profil, das wir 100 Prozent wollten. Meisl und Forst haben 80 Bundesliga-Spiele absolviert. Es ist heuer anders als letztes Jahr, weil ich in der Kaderplanung voll involviert bin. Ralf Muhr und ich haben uns bewusst für viele Abgänge entschieden, um den nächsten Schritt zu gehen. So wollen wir beispielsweise unsere Akademie in den Trainingsbetrieb eingliedern.
Und dieses Jahr ist die Situation etwas anders, es gibt nicht diesen Top-Favoriten wie Ried letztes Jahr. Zudem haben wir uns im letzten Jahr in der Außendarstellung neu positioniert und möchten angreifen.
90minuten: Das heißt, der Plan lautet, vermehrt Akademiespieler einzusetzen?
Silberberger: Sobald Spieler wie Jakob Schöller oder David Puczka fünf gute Partien absolvieren, sind sie für andere Vereine ein Thema. Es reicht mir aber nicht, dass einer die Akademie absolviert hat. Letztlich zählen Qualität, Leistungsbereitschaft und Durchsetzungsvermögen.

90minuten: Wie definiert man nun die Saisonziele?
Silberberger: Eine Prognose ist aktuell schwierig. Man muss das Ende des Transferfensters abwarten. Neben uns gibt es noch den Absteiger Austria Klagenfurt, die Vienna, Kapfenberg, Lustenau hat ein neues Stadion, man weiß nicht, was in St. Pölten passiert. Diesen einen Topfavoriten sehe ich nicht. Das wird auf jeden Fall spannend.
90minuten: Aber auf etwas muss man hintrainieren, oder? Also etwa, wo man anpresst.
Silberberger: Was letztes Jahr gut war, werden wir beibehalten. Also etwa die Systemfrage, die Dreierkette passt gut, man kann zu dritt von hinten das Spiel eröffnen. Mit und gegen den Ball gibt uns das extreme Sicherheit. Es geht schließlich darum, wo man Ballgewinne hat.
Hohes Anlaufen ist dann gut, wenn man die Qualität hat, die Situation zu lösen. Wenn nicht, ist es vielleicht besser, Mittelfeldpressing anzuwenden. Denn da findet man schnell Raum hinter der letzten Kette. Das werden wir uns aber Spieltag für Spieltag ansehen.
90minuten: Das macht Sinn. Gerade bei den Zweitvertretungen plus Liefering weiß man ja kaum, wer da auf einen zukommt.
Silberberger: Das ist ein entscheidender Faktor, weil sie schwer greifbar beziehungsweise einschätzbar sind. Mal tritt eine U18-Auswahl an, dann wieder Spieler mit Bundesliga-Erfahrung. Wir haben letztes Jahr gegen Sturm und Liefering neun Punkte liegen gelassen - das ist also eine unbefriedigende Situation, aber mir ist bewusst, dass es in dieser Liga Kompromisse braucht.
90minuten: Ich habe in einem Kommentar geschrieben: Eigentlich muss man nicht sudern, weil als gestandener Zweitligist sollte man über ein paar 18-Jährige plus Routiniers drüberkommen.
Silberberger: Es ist eben ein zweischneidiges Schwert. Ohne sie ist es schwierig, die 2. Liga als Profiliga zu deklarieren. Ich würde es so belassen, wie es ist. Eigentlich sind ohnehin nur drei erlaubt, Liefering ist da ein eigenes Thema. Aber als Titelanwärter musst du gegen diese Teams bestehen können.
90minuten: Letztes Jahr hat sich das Team Quartalsziele gegeben, die dreimal übertroffen wurden. Gibt es das wieder?
Silberberger: Diese Ziele setzt sich die Mannschaft selbst, die kommen nie vom Trainerteam. Wir legen diese im Trainingslager im Zillertal fest.
90minuten: Und wenn sie sagen: Das Ziel ist Klassenerhalt?
Silberberger: Dann braucht es mich als Trainer nicht. (lacht) Im Ernst: Ich vermittle ihnen schon, was wir erwarten.
90minuten: Was hat sich atmosphärisch getan? Jetzt, wo das Gesicht Peter Stöger weg ist?
Silberberger: Peter hat für viel Ruhe gesorgt. Dass der Trainer dann mehr in den Fokus rückt, wenn man dreimal hintereinander verliert, ist klar. Aber die Kaderzusammenstellung hat Ralf Muhr auch schon begleitet. Es ist alles gleich, nur dass Peter nicht mehr dabei ist und Ralf und ich mehr im Fokus stehen.
Ich halte wenig davon, öffentlich Druck aufzubauen oder Schuld bei Schiedsrichtern zu suchen.
90minuten: Müssen Sie dann zu mehr Sponsorenterminen oder "Adabei"-Events?
Silberberger: Damit tue ich mich schwer, weil das nicht zu meiner Person passt. Dennoch wird vielleicht der eine oder andere Sponsorentermin auf mich zukommen. Aber das war in Tirol nicht anders.
90minuten: Gibt es für Sie persönlich da ein Learning, dass man einmal auf den Tisch hauen muss, wenn es vielleicht nicht läuft? So mancher Funktionär hat da so seine Taktik, etwa den Schiedsrichter zu beschuldigen.
Silberberger: Die Admira war ja durch die aufpoppende Frage, ob Peter zu Rapid geht, ein paar Wochen lang geschützt. Ich halte wenig davon, öffentlich Druck aufzubauen oder Schuld bei Schiedsrichtern zu suchen. Umgekehrt sage ich, wenn etwas nicht in Ordnung war, wenn wieder so eine Phase kommt. Und wir wissen alle, dass unser Schutzschild Peter Stöger nicht mehr da ist.
90minuten: Insgesamt erscheint mir diese 2.-Liga-Saison aus Sicht der Admira ein Fahren auf Sicht zu sein.
Silberberger: In der ersten Länderspielpause wird man sicherlich sehen, in welche Richtung es für die Admira geht, da wird es eine klare Tendenz geben. Letztes Jahr sind wir mit einer Niederlage gegen Kapfenberg gestartet, aber wenn man dann vorne dabei ist, ist das ein Signal – und ich würde mir wünschen, dass wir dann unter den Top 3 sind.

90minuten: Ihr Ziel lautet nach wie vor Bundesliga.
Silberberger: Auf Dauer muss ein Verein wie wir ja hinauf. Es ist ein Verein mit viel Tradition und einer Akademie. Wir sind das vierte Jahr in der zweiten Liga und ich weiß nicht, ob sich ein fünftes und sechstes mit der wirtschaftlichen Ausrichtung vertragen würde. Den größten Budgetposten Fernsehgeld gibt es hier ja nicht. Das brauchen die Vereine weiter oben ebenfalls, wie die WSG Tirol oder Blau-Weiß Linz.
90minuten: Apropos: Hat Christoph Peschek angerufen? (Anmerkung: Das Interview wurde parallel zur Verkündung des Scheiblehner-Abschieds geführt)
Silberberger: Ich habe noch nicht auf das Handy geschaut, aber ich laufe nicht sofort weg. Ich habe mich gegenüber der Admira und als TV-Experte verpflichtet und stehe zu meiner Handschlagqualität – ich halte Vereinbarungen ein.
90minuten: Irgendwann werden Sie aber gehen.
Silberberger: Das ist ja logisch, dass es einen weiteren Schritt geben wird. Aber das finde ich in Österreich am Ende des Tages immer blöd. Es gibt zwölf Trainerstühle in der Bundesliga und 16 in der 2. Liga. Ich war demzufolge bei der WSG Tirol gut aufgehoben und bin es jetzt bei der Admira.
90minuten: Wir danken für das Gespräch!