Behounek seit 131 Tagen sieglos: "Da kommt alles zusammen!"
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Behounek seit 131 Tagen sieglos: "Da kommt alles zusammen!"

Mit Jahreswechsel entpuppte sich das Abenteuer Eredivisie für Raffael Behounek und Willem II Tilburg als Kampf ums nackte Überleben. Von falschen Erwartungen, "Kernkompetenzen" der Topstars und dem nahenden Schicksalsduell mit einem Landsmann.

"Puh".

Die Frage, wie viel Spaß Raffael Behounek aktuell am Fußballplatz hat, versetzt ihn erstmal ins Grübeln.

Dann setzt er an: "Fußball spielen macht immer Spaß. Fußball arbeiten und Abstiegskampf allerdings eher weniger."

Bis zu 50.000 Fans im Stadion, Premieren-Tor gegen Twente Enschede und ein unangefochtener Stammplatz bei einem holländischen Traditionsklub - während sich Behounek auf seinem bisherigen Karrierehöhepunkt befindet, durchlebt sein Verein Willem II Tilburg ein Martyrium.

"Das hat aktuell nichts mit 5-gegen-5 im Park zu tun".



Ein Traum, der nicht zu enden schien

Vor fast einem Jahr hatte der 28-Jährige im Gespräch mit LAOLA1 von seiner überragenden Premierensaison in der zweitklassigen Keuken Kampioen Divisie erzählt.

Meisterwahnsinn am letzten Spieltag, Einberufung ins Team des Jahres, zum Spieler der Saison gewählt und zur Krönung der Aufstieg in die Eredivisie - rund ein Jahr nach seinem Abschied von der WSG Tirol fand sich Raffael Behounek mit seinem neuen Verein am absoluten Höhepunkt wieder ( <<< Behouneks Traumsaison: "Der Grund, warum man Fußballer wird").

Alles kam wie erträumt - obwohl der Stadlauer bereits im Rahmen der Aufstiegseuphorie ahnte, welch schwierige Aufgaben blühen sollten, schien der Höhenflug von Willem II Tilburg auch als Eredivisie-Aufsteiger kein Ende nehmen zu wollen.

"Es hat alles großartig begonnen. Der Herbst war wirklich überragend. Wir haben 22 Punkte geholt, lagen zwischenzeitlich sogar auf Platz sechs."

Tatsächlich: Bereits am ersten Spieltag setzten die "Tricolores" aus der Provinz Noord-Brabant ein großes Ausrufezeichen - im Duell mit Gernot Trauners Feyenoord Rotterdam erkämpfte man sich ein 1:1-Remis. Den Assist zum Ausgleichstreffer lieferte ausgerechnet Innenverteidiger Behounek.

"Das war definitiv das bisherige Highlight, weil es einfach unerwartet war. Ein richtig cooles Erlebnis, ein Top-Ergebnis für uns als Aufsteiger in der ersten Runde in einem richtig coolen Stadion. Davor haben alle gesagt: 'Wie viel Tore kriegen sie? Vier oder Fünf?'"

Ausgerechnet gegen Feyenoord Rotterdam und Gernot Trauner punktete Willem II Tilburg zweimal.
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Ausgerechnet gegen Feyenoord Rotterdam und Gernot Trauner punktete Willem II Tilburg zweimal.

Am harten Boden der Eredivisie

Mit sechs Siegen, vier Remis und sieben Niederlagen gingen Behounek und Co. als Tabellen-Neunter in die kurze Weihnachtspause. Zwischendurch keimten dabei sogar ganz leise Hoffnungen auf den Europapokal auf. Aus heutiger Sicht sagt Behounek gnadenlos ehrlich: "Ich würde sagen, wir haben doch ein wenig überperformt."

Zum Rückrunden-Start gab es gegen Twente Enschede - obwohl Behounek mit dem zwischenzeitlichen 1:1, inklusive sehenswerter Einzelaktion, sein erstes Eredivisie-Tor erzielte - eine herbe 2:6-Schlappe.

Es sollte der Beginn einer brutalen Talfahrt sein. "Wenn du 13 Spiele lang nicht gewinnst, elfmal verlierst und zwei Unentschieden holst, dann lügt die Tabelle einfach nicht. Dann sind wir da, wo wir leistungstechnisch hingehören."

Nämlich auf Tabellenplatz 16 - vier Punkte Vorsprung trennen die "Superkruiken" aktuell vom direkten Abstiegsrang 17, auf Platz 15 - und damit das rettende Ufer - fehlen indes satte sieben Punkte. Nur Almere City als 17. (Klub von ÖFB-Torhüter-Legionär Jonas Wendlinger) und RKC Waalwijk (18.) rangieren hinter Tilburg.

Horrorbilanz trotz Kraftakten gegen Giganten

"Die Auslosung am Anfang war auch ein bisschen ungünstig. Zuerst hatten wir Twente, Feyenoord, PSV, Alkmaar und zwischendurch RKC Waalwijk. Da haben wir gewusst, es kann schwierig werden." 

Kurios: Ausgerechnet in den Spielen gegen die vermeintlichen Übermächte Feyenoord Rotterdam (1:1) und PSV Eindhoven (1:1) gelangen die einzigen beiden Punktgewinne.

Davon abgesehen ging gar nichts mehr. Im Kalenderjahr 2025 gewann Tilburg noch kein einziges Spiel. Seit mittlerweile 131 Tagen ist der Traditionsverein ohne Sieg.

"Das Ganze hat dann irgendwie eine Eigendynamik entwickelt, die wir nicht im Stande waren zu durchbrechen. Wenn Selbstverständnis und Selbstvertrauen fehlen, dann geht sich das einfach nicht aus."

Die Gründe für das Frühjahrs-Fiasko beruhen laut Behounek auf verschiedenen Faktoren: "Du hast Verletzungen, Sperren, unglückliche Spielverläufe oder einfach Qualitätsmangel. Da kommt dann alles zusammen".

Kein Vergleich zu WSG-Zeiten: "Dass es so schlecht läuft...."

Vor allem in Sachen Spielausrichtung habe sich Willem II Tilburg die Euphorie des Saisonbeginns etwas zu Kopf steigen lassen, wie der Stadlauer schildert: "Unsere Stärke liegt nicht darin, den Gegner 90 Minuten zu bespielen.  Das ist dann aber die Erwartungshaltung. Insbesondere bei Heimspielen hätten die Leute gerne 65% Ballbesitz, zehn Torschüsse und am Ende einen 3:0-Sieg. Aber das ist nicht die Realität."

Mittlerweile wurde Tilburgs Projekt-Ballbesitzfußball vorerst auf Eis gelegt. Zu alter Stärke fand man seither aber trotzdem nicht. "Davor hatten wir die viert- oder fünftbeste Defensive der Liga. Seit wir einen Schritt zurückgegangen sind, haben wir zwar dennoch nicht gewonnen, die Spiele sind aber wieder wesentlich knapper und offener als davor."

Eine solche Misere hat Behounek jedenfalls selbst in WSG-Zeiten noch nicht erlebt: "Dass es so schlecht läuft bei einer Mannschaft, habe ich selten gesehen. Mir selbst widerfahren ist es noch nie. Das ist auch eine neue Situation."

Luuk de Jong: Auch Topstars haben ihre "Kernkompetenzen", wie Behounek mit einem Schmunzeln erzählt.
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Luuk de Jong: Auch Topstars haben ihre "Kernkompetenzen", wie Behounek mit einem Schmunzeln erzählt.

Neu ist für Behounek seit Sommer 2023 einiges.

Fans vor der Haustür, stets ausverkaufte Heimspiele - für "Raffa", wie die Willem-II-Fans den Abwehrhünen liebevoll rufen, bedeutete der Schritt von der Wattener Fußball-Idylle in die Niederlande vor allem fußballkulturell eine völlig neue Welt.

Obwohl bereits der Schritt von der Österreichischen Bundesliga in die zweitklassige Keuken Kampioen Divisie kein kleiner war, entpuppte sich die Eredivisie mittlerweile doch nochmals als eine andere Hausnummer.

"Der Fußball hier in den Niederlanden wird ganz anders gelebt. Du hast diese großen Klubs wie Ajax, PSV, Feyenoord oder Vereine wie Alkmaar, Twente, Utrecht – das sind alles große Adressen mit tollen Stadien.  Die Aufmerksamkeit ist eine ganz andere."

Dass der Sport im Land der Tulpen nicht nur anders gelebt, sondern auch anders gespielt wird, bekommt Behounek spätestens seit heuer in vollem Ausmaß zu spüren.

"Man muss sich adaptieren. Es sind viel mehr Eins-gegen-Eins-Situationen, die Flankenqualität ist deutlich höher. Dadurch, dass viele Teams ein 4-3-3 mit zwei ständig hinterlaufenden Außenverteidigern spielen, muss man auch viel mehr Flanken verteidigen. Dann hast du aber auch oft diese klassischen Stürmer in der Mitte, die eben nur auf diese Bälle warten."

Von PSV Eindhoven und der Burgenlandliga

Von der 2. Liga in die laut UEFA-Fünfjahreswertung sechstbeste Liga Europas - mit dem Niveau-Unterschied kam Behounek - mit einer Ausnahme - trotz allem gut zurecht:

"Wenn ich an das Heimspiel gegen PSV Eindhoven denke: Da wurden zwei verschiedene Sportarten betrieben. Da hat man dann schon gedacht: 'Okay, so kann Fußball auch gespielt werden', mit einer solchen Qualität und Intensität. Das war glaube ich das einzige Spiel, wo ich mir gedacht habe, dass das ein richtig unangenehmer Nachmittag wird."

An seinem persönlichen, durchaus risikofreudigen Spielstil ändern die großen Namen auf Seiten der Gegner aber nur wenig. "Ich habe es ja nie anders gemacht: Ob bei den Mattersburg-Amateuren in der Burgenlandliga oder halt jetzt. In diesen Momenten fühlt sich das für mich ja auch nicht risikoreich an, obwohl ich mittlerweile auch in meinem Spiel reifer geworden bin."

Fast 100 Spiele machte Behounek in der ADMIRAL Bundesliga.
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Fast 100 Spiele machte Behounek in der ADMIRAL Bundesliga.

"In Österreich rennen auch keine Barfüßigen herum"

Schließlich haben auch Superstars ihre Schwächen. "Wenn ein Luuk de Jong zehn Flanken bekommt, macht er drei Tore. Wenn er dich anpresst, dann merkt man aber, dass das nicht unbedingt seine Kernkompetenz ist. Man muss schauen, gegen welchen Stürmer man spielt. Gegen einen Ricardo Pepi ist das zum Beispiel unmöglich (Anm.: US-Nationalspieler und Stürmer bei PSV Eindhoven)."

Obwohl Behounek nach wie vor keinen Hehl aus seiner Abneigung gegenüber dem von einigen österreichischen Teams nicht gerade spielerisch kultivierten Stil macht, ringt ihm die Frage nach dem Niveau-Unterschied zur heimischen Bundesliga mittlerweile ein Plädoyer für diese ab.

"Natürlich ist die Qualität in der Eredivise höher. Aber in Österreich rennen auch keine Barfüßigen herum. Das muss man auch einmal sagen. Ich weiß, dass der österreichische Fußball teilweise viel schlechter gemacht wird, als er ist." Schuld am "schlechten Ruf" seien vor allem leere Stadien wie bei der WSG oder Klagenfurt und das notorische "Nörgeln" der Österreicher.

Personalchaos vier Runden vor Schluss

Vier Runden vor Saisonende herrscht bei Willem II Tilburg völlige Ungewissheit hinsichtlich der Zukunft - sportlich und auch personell.

Neben dem plötzlichen Abgang von Sportdirektor Tom Caluwé ("Das fühlt sich an, als würde der Kapitän jetzt das sinkende Schiff verlassen."), verkündete Behouneks Verein am Mittwoch auch noch den Abgang von Meistercoach Peter Maes.

"Die Stimmung war bisher fast schon zu ruhig. Da hätte man sich vielleicht gewünscht, dass die Verantwortlichen einmal auf den Putz hauen. Ob das dann irgendwas an den Ergebnissen geändert hätte, weiß man eh nicht."

In Hinsicht auf das Restprogramm schwankt Behounek zwischen gnadenlosem Realismus und vorsichtigem Optimismus. "Wir haben mit NEC Nijmengen (13.), Heracles Almelo (12.), PEC Zwolle (15.) und NAC Breda (14.) nur Gegner, gegen die wir gewinnen können. Nur spricht die Form schwer gegen uns. Vielleicht kann die aktuelle Situation aber noch einmal ein Gefühl der Leichtigkeit auslösen. Wir gewinnen viermal, dann geben wir uns die Hand und gehen alle in den Urlaub."

Schicksalsduell mit Greimls Breda?

Am Ende gelten aber auch für die "Tricolores" die ungeschriebenen Gesetze des Abstiegskampfs. "Man kann diesen Kreislauf nur durchbrechen, wenn man Siege holt. Dann kommt plötzlich das Selbstverständnis und der Glaube zurück. Aber ohne all dem ist es im Fußball richtig schwierig."

Als wahrscheinlichstes Szenario zeichnet sich Platz 16, und damit der Nervenkrimi Relegation ab - der sichere Klassenerhalt scheint in weiter Ferne, vier Punkte beträgt der Polster auf die fixen Abstiegsplätze 17 und 18 noch.

Ausgerechnet am letzten regulären Spieltag geht es im Derby gegen das ebenfalls noch abstiegsbedrohte NAC Breda - und damit auch gegen Leo Greiml. "Es ist immer unangenehm, beim Rivalen zu spielen. Da hängt dann viel von der tatsächlichen Tabellensituation ab. Wenn es dann heißt, der Verlierer geht in die Playoffs, dann ist es nochmal was ganz anderes."

In Voraussicht auf das Schicksalsderby gegen Greiml und Co. meint Behounek mit einem Augenzwinkern: "Ich hoffe halt, dass wir nach dem Spiel nicht wieder zweieinhalb Stunden in der Kabine festsitzen, weil die NAC-Fans sauer sind. Außer wir gewinnen, die gehen in die Relegation, dann nehme ich das auch."

VIDEO: Die besten Österreicher in der Eredivisie


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