2016

Flanken aus dem Halbfeld: Mattersburger Niederlage trotz Überzahl

Ivica Vastic setzte in Mattersburger Überzahl auf viele Flanken aus dem Halbfeld. Zu wenig für disziplinierte Altacher. Eine Taktik-Analyse von David Goigitzer

 

Prinzipielle Ausrichtungen beider Mannschaften

In ihrem Mittelfeldpressing formierten sich die Mattersburger in einem 4-4-2. Die Doppelspitze Templ und Röcher versuchten den Altacher Sechser Jäger abzudecken, indem der ballnahe Stürmer ihn in den Deckungsschatten nahm und der ballferne ihn deckte. Im Mittelfeld verschob man kompakt, ließ den ballfernen Flügelstürmer jedoch immer etwas hängen, um Verlagerungen besser verteidigen zu können. Aus dem Mittelfeldpressing rückte man selten aggressiv nach; meist nur wenn Altach schwache Rückpässe spielte, was recht selten vorkam. Die Mattersburger agierten in der Defensive eher passiv und versuchten nicht, den Gegner zu Fehlern zu zwingen, sondern warteten auf eben jene.

 

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Abbildung 1: Die Mattersburger Doppelspitze orientiert sich an Jäger und schneiden jeglichen Zugang zu ihm ab.

 

Auch offensiv traten die Mattersburger in einem 4-4-2 an, hierbei rückten die Flügelstürmer in die Halbräume, um etwas bessere Aufbaustaffelungen herzustellen. Der ballnahe Sechser agierte im Aufbau immer etwas tiefer, während der ballferne Sechser höher stand. Man fand jedoch nur selten Möglichkeiten, um Bälle nach vorne übers Zentrum oder die Halbräume zu spiele, weshalb man sich allzu oft auf hohe Bälle oder Pässe entlang oder Seitenoutlinie verlassen musste.

 

Das Altacher 3-1-4-2 baute im Aufbau vermehrt auf Andribbeln der Halbverteidiger in den Halbräumen, da man die Orientierung der Mattersburger an den eigenen zentralen Mittelfeldspielern erkannt hat, Zuspiele ins Zentrum fand man daher kaum. Das flache Aufbauspiel konnte man jedoch auch über die Flügelläufer vortragen, die immer wieder gute diagonale Passoptionen in den beiden Stürmern Dovedan und Ngamaleu vorfand.

 

Das Altacher Pressing gestaltete sich ähnlich wie das von Rapid gegen Genk: die beiden Stürmer agierten breit und deckten die Halbräume ab, während in diesem Fall Ngwat- Mahop immer nach vor stach und sich am ballnahen Sechser orientierte. Das hohe Mittelfeldpressing war sehr wirksam sodass Mattersburg, oft nur Long- Line Pässe spielen konnte.

 

Beide Mannschaften brauchten eine Zeit lang, bis sie begannen sich Torchancen herauszuspielen. Die Mattersburger taten dies primär über die Flügel, mit Fortlauf der ersten Halbzeit gab es immer mehr Flanken. Selten gelang man in den Altacher Zwischenlinienraum beziehungsweise suchte ihn, obwohl man hier mit Röcher einen Spieler hat, der sich gut bewegt und mit kurzen Dribblings für Überzahlsituationen sorgen kann und die Torschussvorlage sucht. Meist kamen die Gastgeber nur nach vorne, wenn man nach hohen Bällen gegenpresste und den Ball gewann. Dort versuchte man jedoch selten den Ball fest zu machen sonder suchte recht früh die Flügel, m dort simpel mithilfe von Doppelpässen und Dribblings durchzubrechen.

 


Mattersburger Pressing greift, Altach passt Formation an

Da der Ballvortrag über die Mitte eine längere Zeit aufgrund der guten Defensivarbeit der Mattersburger Stürmer nicht gelang, passte der SCR Altach auf ein 3-4-1-2 an, Ngwat Mahop agierte nun tiefer und die drei Verteidiger hatten eine Anspielstation mehr im Zentrum, was die Progression ins zweite Drittel nun deutlich verbesserte. Dennoch waren Folgeaktionen ins Angriffsdrittel noch oft unsauber und unzusammenhängend. So suchte man viel zu oft einen schlecht vorbereiteten Chipball in die Spitze, den die groß gewachsenen burgenländischen Innenverteidiger recht leicht klären konnten. Die Altacher gingen in Minute 23 aber trotzdem in Führung, Nikola Dovedan verwandelte einen Freistoß aus halblinker Position direkt.

 

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Abbildung 2: Altach nun mit Doppelsechs, die Mattersburger Zuordnungsprobleme hervorruft. Soll nun das Zentrum oder der Halbraum gedeckt werden?

 

Das Altacher Offensivspiel stockte etwas, Durchbrüche waren eine Seltenheit, da die Mattersburger vor allem in der Endverteidigung sehr konsequent agierten. Man war defensiv sehr gut abgestimmt, das Attackieren des Außenverteidigers auf den Flügelverteidiger Altachs war gut getimed und von den ballnahen zentralen Mittefeldspielern und Innenverteidigern balanciert, weshalb die Gäste aus Vorarlberg selten in höheren Zonen vom Flügel wieder in die Mitte fand. Die beiden Innenverteidiger Erhardt und Malic waren stets sehr nah an Ngalameu und Dovedan dran und antizipierten Zuspiele auf die beiden sehr gut. Zudem agierten die Altacher etwas unverbunden, Dovedan und Ngamaleu bewegten sich bisweilen zu weit weg von den Ballführenden, sodass etwas anderes als längere Zuspiele gar nicht möglich waren.

 

Kurz vor der Pause gab es noch einen Aufreger, Ngamaleu musste wegen des Wegschießens des Balles mit Gelb- Rot vom Platz. Unter Protesten der Vorarlberger musste der Kamerunese vom Feld, man durfte bereits vor der Pause gespannt sein, wie Trainer Werner Grabherr nicht nur auf die fehlenden Durchbrüche in der Offensive, sondern auch auf die Unterzahl reagieren würde.

 


Mattersburg nützt Überzahl ... um zu flanken

In Halbzeit zwei musste der sehr geradlinige und in der ersten Halbzeit erfolglose Ibser für die Mattersburger vom Platz, für ihn kam Perlak ins Spiel. Die Hausherren hatten nun auf 4-2-3-1 umgestellt, Röcher rückte auf links, Templ agierte als alleinige Spitze, Höller rechts von ihm und Perlak als Zehner dahinter. Diese Umstellung sorgte für bessere Anbindung in die Halbräume und den Zehnerraum, auch weil Perlak sehr aktiv im Ballfordern war; man versuchte die Räume zu nutzen, die die vertikalen Bewegungen von Höller öffneten. Die Ballzirkulation zeigte sich sofort verbessert, was jedoch natürlich auch mit der tieferen Position und der Unterzahl der Altacher zu tun hatte.

 

Die Gäste aus Vorarlberg formierten sich nun in einem 4-4-1 und agierten deutlich tiefer, attackierten nun gar nicht mehr in der gegnerischen Hälfte und waren darauf bedacht, den Mattersburgern Durchbrüche in strategisch wichtigen Zonen zu gewähren. Trotz des nun höheren Ballbesitzwertes von Mattersburg und der sogenannten „optischen Überlegenheit“schaffte man es durch kompaktes Verschieben, den Gastgebern den Zugang zum Zwischenlinienraum weiterhin zu versperren. Mit weit rausrückenden Flügelstürmern und den Halbraum absichernden Außenverteidigern konnte man trotzdem immer wieder am Flügel Überzahlsituationen kreieren.

 

SVM-Trainer Vastic wechselte nach etwas mehr als einer Stunde Innenverteidiger Malic aus und brachte mit Varga einen Stürmer. Höller rückte nun in die rechte Halbverteidigerpositon, Farkas auf und Varga situierte sich im Sturmzentrum, sodass man nun im 3-4-1-2 agierte. Damit wollte Ivica Vastic die Art und Weise seiner Mannschaft, wie sie den Torerfolg suchte nicht ändern, sondern effektiver machen, da nun für die vielen Flanken, die vermehrt aus dem Halbfeld kamen, mindestens zwei Abnehmer im Strafraum hat. Nur wenige Minuten später glichen die Hausherren auch aus, dies passierte jedoch nach einem Gestochere im Strafraum nach einem nicht richtig geklärten Eckball.

 

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Abbildung 3: Trotz guter Staffelung wird der Ball simpel auf den Flügel gespielt. Die Folge ist eine Flanke aus dem Halbfeld, die keine Gefahr bringt.

 

Nun hatte man eigentlich ideale strukturelle Voraussetzung für die Fortführung des nach der Pause verbesserten Ballbesitzes. Komischerweise spielten die Mattersburger mehr hohe Bälle als zuvor, als Altach noch mehr Druck gemacht hatte. Sehr viele Halbfeldflanken oder versuchte Chipbälle hinter die Abwehr waren das bevorzugte Mittel der Burgenländer. Diese hohen Bälle konnten jedoch meist recht einfach und effektiv abgewehrt werden, wenngleich diese Art und Weise des Angriffs spektakulärer und deswegen für viele erfolgsversprechender wirkt. Die Altacher konnten durch diese instabile Spielweise des Gegners sogar einige Konter fahren. Diese führte man aus Sicherheitsgründen nur mit sehr wenig nachrückender Unterstützung aus,weswegen diese Angriffe kaum richtig fertig gespielt werden konnten. Dennoch konnten die Altacher mit der letzten Aktion des Spiels in der 94. Minute das Spiel noch mit 2:1 gewinnen, nachdem Mahop eine Freistoßflanke einköpfte.

 

Fazit

Die Mattersburger waren in der zweiten Halbzeit deutlich ungefährlicher als man hätte meinen können, die vielen Flanken lassen die Zuschauer zwar raunen, Hereingaben aus dem Halbfeld haben jedoch eine geringe Verwertungsquote. Dies zeigte sich einmal mehr, sodass die Hausherren ihre Überzahl nicht nutzen konnten. Altach arbeitete wie immer sehr diszipliniert und kompakt in der Defensive und verwertete die zwei besten Chancen eiskalt.

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