2016

Büskens Rapid: Ähnliche Taktik, bessere Spieler

In einem attraktiven Match gewinnt Rapid gegen Genk mit 3:2. Rapid zeigt sich unter Neo-Trainer Büskens dabei ähnlich wie unter Vorgänger Barisic, jedoch mit besseren Einzelspielern. Von Momo Akhondi

 

Taktisch hat die Mannschaft von Neo-Trainer Büskens große Ähnlichkeiten zur Mannschaft aus dem Vorjahr, das Personal aber hat ein bedeutendes Upgrade erhalten. Ähnlich wie beim derzeitigen Tabellenführer aus Graz, besteht die Startelf der Hütterldorfer teilweise zur Hälfte aus Neuzugängen.

 

Mit Innenverteidiger Schösswendter, Stratege Mocinic, Zehner Szanto (von den Amateuren gekommen), dem einrückenden Flügelstürmer Traustason und dem bulligen Joelinton starten nicht weniger als fünf neue Spieler gegen den belgischen Euro-League Teilnehmer aus Genk. Fast alle Neuverpflichtungen sind erhebliche Verstärkungen, vor allem die Innenverteidigung ist ohne Sonnleitner weniger anfällig für gegnerische Konter.

 

Im Spielaufbau ist man mit dem jungen Mocinic auch sehr viel flexibler geworden. Der Kroate wählt seine abkippenden Bewegungen viel klüger und strategisch sinnvoller als Thannos Petsos letzte Saison – der Grieche spielt bei Werder Bremen trotz Personalsorgen im Mittelfeld bislang keine Rolle. Dabei besetzt Mocinic nicht selten seinen Sechserraum und kippt gar nicht erst ab. Wenn er jedoch abkippt, dann flexibel. Mal landet er zwischen den beiden Innenverteidigern Dibon und Schösswendter, mal rechts. Mal kippt er ab, um Vorstöße von Schösswendter auszubalancieren.

 

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Bild 1 – Mocinic kippt ab und bildet eine Dreierkette, Schaub und Traustason bewegen sich konstant in den Halbräumen

 

Die Innenverteidiger können dadurch eine aufgefächerte Dreierkette bilden und die Grün-Weißen Außenverteidiger können, wie gewohnt, nach vorne stoßen. Dadurch landen wiederum die beiden Außenspieler der Rapidler in den Halbräumen. Sowohl Schaub als auch Traustason sind nicht die klassischen „Winger“, welche an der Outlinie kleben, um das Spiel breit zu machen. Vor allem Schaub fühlt sich in zentraleren Regionen wohler und auch Traustason zieht gerne in die Mitte. Die beiden „Flügel“Spieler der Rapidler zieht es auch ohne der hohen Außenverteidigung immer wieder ins Zentrum, wobei vor allem Louis Schaub ein gutes Gespür dafür hat, wann dies sinnvoll ist und wann nicht.

 

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Bild 2 – kurz vor dem 3-1 rückt Schaub in die Mitte obwohl Pavelic noch nicht die Breite besetzen kann.

 

Man muss immer bedenken: rückt der Flügelspieler ein und lässt dadurch den Flügel frei, ermöglicht er es dem Gegner diesen ebenfalls freizulassen und weiter in die Mitte zu ziehen. In der Horizontalen (von links nach rechts) kann der Gegner also kompakter (= enger) stehen und den Raum kleiner machen. Als Faustregel gilt: kleinere Räume sind einfacher zu verteidigen.

 

Vor dem 3-1 sieht Schaub aber, dass der Gegner sich nach einem Ballverlust fallen lässt und den Raum zwischen den Linien sehr groß werden lässt, er weicht klug in diesen rein und leitet das Eigentor der Belgier ein.

 

Schon unter Barisic waren die hohen Außenverteidiger ein Markenzeichen der Rapidler. Da die meisten Gegner im 4-4-2 verteidigen, erhofft man sich durch situative Überzahlsituationen Durchbrüche am Flügel. Auch KRC Genk steht gegen den Ball in einem 4-4-2 und hatte gegen das Aufrücken der Rapid-Außenverteidiger ein sehr geläufiges Gegenmittel: mannorientierte Flügel.

 

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Bild 3 – Flügelspieler Bailey verfolgt seinen Gegenspieler Schrammel bis zur Vierkette und bildet dadurch eine Fünferkette

 

Durch mannorientertes Verfolgen kann man den Gegner zwar bestenfalls neutralisieren, schwächt dadurch aber das Mittelfeld. Die Mannschaft aus Genk agiert dabei sehr ballorientiert und schiebt rasch auf den Flügel raus, um den Ballführenden zu stellen. Dabei entstehen nicht selten große Lücken im Zentrum.

 

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Bild 4 – Schösswendter, Pavelic und Schaub spielen ein paar kurze Pässe und locken den Gegner an. Die Belgier agieren stark ballorientiert und öffnen dadurch das Zentrum.


Durch das schwache Nachschieben der Belgier ist das Zentrum ein ums andere Mal bedenklich weit offen, ein Problem, das die Belgier schon die gesamte Saison verfolgt. Durch konsequentes Nachschieben wäre es möglich gewesen, das Zentrum zu schließen, auch wenn man dadurch den gegenüberliegenden Flügel freilassen müsste.

 

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Bild 5 – alle auf den Ball! Kapitän Buffel kann den Sechserraum sichern. Anspielbar wird dadurch Pavelic auf der anderen Seite.

 

Man muss an dieser Stelle festhalten, dass eine Spielverlagerung wie auf Bild 5 um einiges einfacher zu verteidigen ist als ein offenes Zentrum wie auf Bild 4. Den Belgiern gelingt es außerdem nur selten konsequent nachzuschieben und die Mitte zu besetzen, auf Bild 5 ist es Kapitän Buffel der den Sechserraum besetzt und dadurch verhindert, dass die Mitte offen steht.

 

Generell entstehen fast alle belgischen Probleme im Verschieben bei Angriffen von Rapid über die rechte Seite, wo Buffel selber auf den Ball rausschieben muss und der junge Bailey nicht in Lage ist, ballentfernt die Mitte zu schließen. Bei Angriffen über rechts hingegen geht Bailey auf den Ball und Buffel kann einrückend absichern wie auf Bild 5.

 

Doch es ist nicht nur eigenes Unvermögen der Belgier, auch der Rapidler Mocinic kann mit seinem strategischen Ausweichen immer wieder Räume in der Mitte öffnen. Nicht selten lässt sich der junge Kroate auf die Position von Rechtsverteidiger Pavelic fallen, dieser kann dadurch eine Etappe höher, während Schwab sich zurückfallen lässt.

 

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Bild 6 – Mocinic (Kreis) stellt Genk vor Zuordnungsprobleme.

 

Durch die Kombination aus losen Mannorientierungen und dem mangelhaften Verschieben der Belgier entsteht bei der Umformung von Mocinic viel Platz in der Mitte. Der von den Amateuren hochgezogene Szanto lässt sich immer wieder klug in diesen zurückfallen und kurbelt dadurch das Spiel an.

 

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Bild 7 – Mocinic und Schösswendter öffnen erneut das gesamte Zentrum, diesmal für Szanto. Wo ist Bailey?
Es ist dementsprechend wenig überraschend, dass der Ausgleich der Gastgeber nach einem ähnlichen Muster fällt.

 

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Bild 8 – Schaub lockt die Belgier auf seine Seite und öffnet den Rückraum (rot) weil die Belgier sich sehr stark auf ihre letzte Linie konzentrieren.


Vor dem Ausgleich reicht es, dass Schaub kurz gegen den belgischen Außenverteidiger andribbelt. Schnell schieben die Belgier auf den Flügel um eine Überzahl herzustellen (weißer Kasten). Die Restverteidigung sichert die letzte Linie wo Joelinton und Szanto bereits lauern. Erneut vergessen die Belgier das Zentrum und Schwab kommt frei zum Schuss. Ausgleich.

 


Im Aufbauspiel der Rapidler ist jedoch nicht alles gold was glänzt. Oft hat die Aufbau-Dreierkette schlechte Abstände und ermöglicht es dem belgischen Doppelsturm Samatta – Pozuelo die Hütteldorfer im Aufbau zu isolieren.

 

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Bild 9 – zu enger Rapid Aufbau

 

Nicht selten kann man beobachten, wie zwei Genk-Spieler gegen vier Rapidler die Überhand gewinnen können. Während Pozuelo und Samatta klug anlaufen, um einen der beiden Innenverteidiger Schösswendter oder Dibon zu isolieren, agiert der Rest der Genk-Mannschaft lose mannorientiert. Gepaart mit der großen Zurückhaltung der Verteidiger im Passspiel, entstehen oft isolierte Situationen, die man dank Neuzugang Schösswendter sogar ein paar Mal lösen kann.

 

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Bild 10 – Genk hat alle Optionen versperrt? Schösswendter dribbelt einfach an.


Dadurch, dass jeder Belgier einen direkten Gegenspieler hat, kann Schösswendter einfach mit dem Ball am Fuß andribbeln und darauf warten bis der erste Spieler des KRC Genk seinen Gegenspieler verlässt, um den Rapid-Innenverteidiger zu stellen. Das löst einen Domino-Effekt aus, bei dem ein Rapidler nach dem anderen von der Manndeckung „befreit“ werden kann.

 


Die weit größeren Probleme haben die Rapidler aber gegen den Ball. Schon zu Beginn der Ära Büskens war zu erkennen, dass die Rapidler vermehrt auf Manndeckungen setzen würden.

 

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Bild 11 – Büskens setzt auf Mannorientierungen

 

Diese Mannorientierungen sind aber keinesfalls gleichzusetzen mit strikter Manndeckung. Die Genk-Spieler werden von ihrem Bewacher nicht über das ganze Feld verfolgt, sondern idealerweise an einen Mitspieler übergeben, sobald sie sich zu weit aus der Bewachung entziehen. Dies funktioniert jedoch nur wenn sich die Gegenspieler in Räumen aufhalten, in denen sie die Rapidler erwarten. Buffel konnte die Manndeckung der Rapidler jedoch einige Male vor Problemen stellen. Der Genker Kapitän weicht immer wieder in die Mitte aus und entzieht sich dadurch der direkten Bewachung. Vor allem wenn Außenverteidiger Uronen weit genug aufrückt, stehen die Rapidler vor einem Dilemma.

 

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Bild 12 – Rapid lenkt Angriff auf die Seite. Buffel taucht zwischen den Linien auf

 

Buffel zieht immer wieder in die Mitte rein und bietet sich zwischen den Linien an. Dadurch kommt den Genkern auch das Pressnig der Rapidler entgegen. Joelinton und Szanto lenken den Gegner nämlich immer wieder nach außen, von wo sich die Belgier jedoch dank Buffel immer wieder befreien konnten. Mit Fortdauer der Partie konzentrierte sich Pavelic immer mehr auf den Kapitän des KRC Genk.

 

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Bild 13 – Pavelic rückt weit raus um Buffel zu verfolgen, auch die restliche Rapid-Mannschaft ist mannorientiert.

 

Das öffnet naturgemäß Räume im Rücken von Pavelic, dies ist dem Rechtsverteidiger auch bewusst. Vor allem wenn Buffel sich in die Mitte fallen lässt und Pavelic gezwungen ist ihn zu verfolgen, um Situationen wie auf Bild 12 zu vermeiden, öffnen die Rapidler viel Raum am Flügel. In diesen lässt sich danach immer wieder Stürmer Samatta fallen und ist dadurch für kurze Zeit mutterseelenallein.

 

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Bild 14 – Pavelic verfolgt Buffel, weiß aber wie viel Platz dadurch freigelassen wird, außerdem sieht er Samatta im Rücken entwischen. Er muss reagieren …

 

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Bild 15 – Pavelic übergibt Buffel an Schaub und macht sich auf der Retourweg. Schaub muss wiederum Uronen übernehmen von dem in der Situation keine Gefahr mehr ausgeht.

 

Diese Zuordnungsprobleme bekommt Rapid nicht wirklich in den Griff. Genk hätte diese durch konsequentes Bespielen auch dementsprechend aufdecken können, setzt mit Fortdauer der Partie jedoch immer mehr auf hohe Bälle und einen weniger gepflegten Spielaufbau – sehr zum Ärgernis von Trainer Maes. Die Rapidler bekommen dadurch immer mehr Obwerwasser und können durch die groben Mängel in der Defensivarbeit der Genker den verdienten Ausgleich erzielen. Danach reichen neun Minuten aus, um die Belgier aus dem Konzept zu bringen. Zunächst bringt Stürmer Joelinton die Gastgeber mit einer bemerkenswerten Einzelleistung in Führung. Gleich im Anschluss passiert Keeper Bizot ein Missgeschick und entscheidet dadurch die Partie. Nach dem Anschlusstreffer durch Bailey wird es kurz spannend, doch der Auftaktsieg der Rapidler ist nichtsdestotrotz verdient.

 

Büskens Rapid spielt ähnlich wie unter Barisic
Die neuformierte Rapid-Mannschaft von Mike Büskens spielt großteils ähnlich wie in der Vorsaison, was anders ist, ist das Personal. Spieler wie Schösswendter, Mocinic, Szanto und Joelinton sind klare Upgrades zu ihren respektiven Vorgängern Sonnleitner, Petsos, Hofmann und Jelic. Vor allem die Probleme beim Umschalten nach Ballverlust sind stark zurückgegangen, auch wenn der Spielaufbau unter Zoki Barisic eine Spur anspruchsvoller war. Gegen den Ball setzt Büskens auf immens viele Mannorientierungen, die potenziell eine Schwachstelle werden könnten. Mit dem beeindruckenden Support im neuen Allianz-Stadion – gestern in der Europa League „Weststadion“ genannt – sind die Rapidler jedoch Titelkandidat für die österreichische Liga und Anwärter für die Runde der letzten 32 in der Europa League.

 

>>> Michael Krammer im Interview: 'Ich habe den Titel nicht verlangt'

 

Momo Akhondi Profilbild

Zum Autor: Momo Akhondi ist neben seiner Tätigkeit bei 90minuten.at auch Analyst beim deutschen Taktik-Portal Spielverlagerung.de und hat bereits mit Bundesligatrainern aus Österreich und Deutschland zusammengearbeitet.

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