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Beste Saisonleistung? Salzburg zeigt Milan die Grenzen auf [Spiel-Analyse]

Im ersten Spiel der diesjährigen Königsklasse erkämpft sich Salzburg ein Remis gegen AC Mailand. Variables Pressing und Tiefenläufe in Ballbesitzphasen sorgen für einen Punktegewinn.

+ + 90minuten.at Exklusiv - Eine Spielanalyse von Simon Goigitzer + +

 

Zum Auftakt der neuen Champions League-Saison empfing der FC Salzburg den italienischen Meister AC Milan. Am Bundesliga-Spieltag davor gewannen die Bullen 2:0 gegen die WSG Tirol. Cheftrainer Matthias Jaissle schickte auch beinahe die gleiche Elf gegen Milan auf das Spielfeld. Nur Maximilian Wöber wurde kurzfristig durch Strahinja Pavlovic ersetzt. Auch bei den Gästen aus Mailand gab es nur eine Veränderung im Vergleich zum Liga-Spiel am vergangenen Wochenende gegen Inter Milan. Alexis Saelemaekers ersetzte Junior Messias am rechten Flügel.

Die Hausherren startete wie gewohnt in einer 4-1-2-1-2-Formation gegen ein 4-2-3-1 der Gäste. Einige Prinzipien im Spiel der Salzburger sind regelmäßigen Fußballzusehern bereits klar. Hohes und aggressives Anlaufen, schnelles Umschalten in beide Richtungen und viele flache vertikale sowie diagonale Pässe im Ballbesitz. AC Milan stellte die Salzburger mit ihrer Spielweise vor einer großen Herausforderung, die die Roten Bullen jedoch sehr gut meisterten.

 

Salzburgs Pressing & Milans Lösungsversuche

Von Beginn an pressten die Gastgeber hoch an. Der Ballführende wurde im Spielaufbau früh unter Druck gesetzt und vor allem ein Pass auf den Außenverteidiger war für das Mittelfeld der Pressingauslöser. So attackierte der Achter aus dem Zentrum heraus den ballführenden Außenverteidiger und versuchte diagonale Pässe in das Zentrum mit seinem Deckungsschatten zu verhindern. Dijon Kameri als Zehner versuchte dabei den ballnahen Sechser des Gegners zuzustellen und mit dem Stürmer probierten die Salzburger Überzahl in einer Pressingsituation zu schaffen. Gleichzeitig war es wichtig, dass der ballnahe Stürmer nach dem Anlaufen des Innenverteidigers seine Defensivarbeit vernachlässigte, sondern den Abwehrspieler auch in den Deckungsschatten stellte und eine Rückpassoption somit verhinderte. (Abbildung 1)

Abbildung 1: Pressing der Salzburg

Gegen das Pressing der roten Bullen hatten die Mailänder jedoch eine gute Lösung vorbereitet. Im Spielaufbau agierten die Gäste in einem 4-2-3-1, wobei der ballnahe Sechser – sobald der Außenverteidiger einen Ball bekam – sich auf dem Flügel positionierte. Dadurch versuchte Milan Überzahl zu schaffen und dem Außenverteidiger eine weitere Passoption zu geben. Besonders über die linke Seite und Sandro Tonali funktionierte dieser Bewegungsablauf anfangs sehr gut und die Gäste konnten dort einige Male durchbrechen. In den Anschlussaktionen versuchten sie dann immer wieder vom Flügel aus einen flachen diagonalen Pass in die Spitze zu spielen. Dieser war jedoch öfters zu ungenau oder suboptimal zum Laufweg des Stürmers, sodass er Probleme hatte beim Annehmen. Dieser Bewegungsablauf stellte Salzburg vor einigen Problemen.

Abbildung 2: Tonali bewegt sich auf den Flügel

In der Abbildung 2 attackierte Nicolas Capaldo wie gewohnt den Außenverteidiger und Kameri blieb beim ballnahen Sechser. Da sich Tonali in diesem Fall auf dem Flügel bewegte, verfolgte der Zehner der Salzburger den Mittelfeldspieler. Durch die Mannorientierung von Kameri und der schlechten Staffelung der beiden Stürmer konnte Milan mit einem Pass auf den ballfernen Sechser das Pressing der Bullen überspielen. So kamen die Gäste auch direkt in die gegnerische Hälfte.

Nach zehn bis zwölf Minuten reagierte jedoch die Mannschaft von Jaissle sofort und stellte das Pressing um. Der Außenverteidiger wurde nicht mehr vom Achter angelaufen, sondern stellte den ballnahen Sechser, der sich auf den Flügel bewegte, zu. Kameri und der ballferne Stürmer positionierten sich in der Mitte so, dass beispielsweise Theo Hernandez in der Abbildung 3 keinen Ball ins Zentrum spielen konnte. Wenn der Ball in die Mitte gespielt wäre, wären beide Spieler auf dem Sprung gewesen, das Zuspiel abzufangen.

Abbildung 3: Salzburg reagiert auf die Bewegungen des ballnahen Sechsers

Auf der linken Seite konnte Salzburg das Problem nicht direkt beheben, wodurch Milan dennoch einige Male das Pressing der Bullen überspielte, wenn sich Ismael Bennacer auf dem Flügel positionierte. Allerdings hatte Red Bull auch andere Lösungswege zu den Bewegungsabläufen der Mailänder. Ließ sich beispielsweise Tonali auf den Flügel fallen, so schob der Außenverteidiger ganz hoch und stellte den Abwehrspieler zu. Der Rest der Viererkette schob durch und somit mussten die beiden Innenverteidiger den eingerückten Flügelspieler und den Stürmer manndecken. Dadurch war es möglich, dass der Achter wie gewohnt aus dem Zentrum heraus den Außenverteidiger attackierte und Kameri als Zehner den Sechserraum des Gegners zustellte.

In der zweiten Halbzeit wurde auch probiert, dass die erste Pressinglinie mit den Stürmern mehr Staffelung in ihrer Positionierung haben. Das heißt, dass beispielsweise Kameri Tonali auf den Flügel verfolgte, Capaldo als Achter wieder den Außenverteidiger anlief und diesmal der ballferne Stürmer mehr in die Mitte hineinrückte, um den ballfernen Sechser im Zentrum zuzustellen. Ähnlich wie in der Abbildung 3, jedoch von der Positionierung noch ein paar Meter weiter hinten beziehungsweise näher beim Gegenspieler.

 

Milan versucht es variabler

Gegen diese Varianten im Pressing versuchte Milan auch hier variabler zu reagieren. Beispielweise kippte Tonali ganz auf die Position des Außenverteidigers und Hernandez schob in den Sechserraum. Das bedeutet, dass sie durch ihre Rotation Positionen getauscht haben. Dadurch war es nach Andribbeln von Tonali möglich, dass Hernandez den Flügel dynamisch aus dem Zentrum heraus besetzt. Dadurch konnten sie auch das Pressing überspielen, benützten jedoch diesen Bewegungsablauf nur ein bis zweimal.

Typischerweise gab es auch in diesem Spiel Phasen bei Red Bull Salzburg, in denen auf Mittelfeldpressing umgeschaltet wurde und der Spielaufbau der Mailänder nicht mehr so hoch gestört wurde. Klarerweise wurde das praktiziert, da die Spieler nicht 90 Minuten beziehungsweise 45 Minuten ohne Pause durchgehend hoch anlaufen können ohne müde zu werden. Hier könnte man einen Entwicklungsschritt im Vergleich zu den letzten Jahren gegen Top-Klubs sehen, da die Salzburger diesmal nur in den Schlussminuten müde wirkten.
Durch das Mittelfeldpressing ergaben sich jedoch einige andere Probleme. Milan konnte in der ersten Aufbaulinie ohne Druck ihr Spiel aufziehen und somit auch schneller und kontrollierter in die gegnerische Hälfte kommen. Zwar kamen sie nie durch die Mitte durch, allerdings kamen sie öfters über den Flügel mit 1-gegen-1-Situation oder Flanken in den Strafraum.

Übrigens pressten die Gäste in den kurzen Ballbesitzphasen der Salzburger, vor allem in der ersten Halbzeit, hoch an. In einem 4-2-3-1 wurde versucht das Zentrum zu schließen und den Ball auf den Außenverteidiger zu lenken.

Das Pressing der Mailänder

Der Außenverteidiger wurde von der Mitte aus vom Flügelspieler angelaufen. Der Zehner stellte den Sechser zu. Das Besondere im Pressing der Mailänder war, dass nicht die Sechser den Achter attackierten, sondern der ballnahe Außenverteidiger rückte weit nach vorne, um den Achter zuzustellen. Durch die 3-2-Staffelung hinten versuchten die Gäste vor allem das Zentrum dichtzuhalten und Seitenverlagerungen auf die andere Seite zu verhindern.

 

Die Offensive der Salzburger & statistische Merkmal

Vor allem in der ersten Halbzeit hatten die Salzburger kaum lange Ballbesitzphasen. Nur schwer kamen sie in ihr Aufbauspiel und falls sie den Ball eroberten ging natürlicherweise so schnell wie möglich nach vorne. Dies zeigte auch die Pass-Map in der Halbzeitpause von "Betweenthepost" auf Twitter.

Abbildung 5: Passmap der Salzburger in der Pause

In der Abbildung 5 ist klar zu sehen, dass Salzburg nicht viele Pässe zustande gebracht hat. Falls es zu Zuspielen kam, waren diese entweder direkt in die Spitze oder auch diagonal ins Mittelfeld. Aber auch andere Statistiken belegen, dass Salzburg an diesem Abend wenig mit dem Ball zu tun hatte. Milan hatte 65% Ballbesitz und mehr als doppelt so viele Pässe im gesamten Spiel. Jedoch ist erkennbar, dass Milan eindeutig mehr Pässe in der eigenen Hälfte gespielt hat, als in der gegnerischen. Bei den Roten Bullen ist das genau umgekehrt. Die Salzburger spielten 106 Pässe in der gegnerischen Hälfte und nur 74 Pässe in der eigenen Hälfte. Daraus könnte man auch schließen, dass Salzburg oft hohe Balleroberungen in diesem Spiel hatte. Die Gastgeber hatte 15 erfolgreiche Ballabnahmen und auch in den weiteren Zweikampfstatistiken waren sie besser als die Gäste.

Trotz der geringen Ballbesitzphasen gab es einige Merkmale im Offensivspiel der Salzburger hervorzuheben. Zunächst einmal das Positionsspiel beziehungsweise den Bewegungsablauf, wenn der Außenverteidiger den Ball bekam.

Abbildung 6: Aufbauspiel der Salzburger

Andreas Ulmer bekam im Aufbau den Ball und konnte einige Meter nach vorne dribbeln. In diesem Moment bewegte sich Noah Okafor auf den Flügel. Dadurch zog er einen Innenverteidiger mit und riss eine Lücke in der Abwehrkette der Gäste auf. In diese konnte der ballferne Stürmer oder auch der Zehner hineinlaufen. Durch das Hochschieben des Außenverteidigers auf den Achter war der Passweg zum ballnahen Stürmer auch immer wieder frei. In der Anschlussaktion in diesem Beispiel (Abbildung 6) konnte Okafor auf Nicolas Seiwald prallen lassen, der direkt in die Tiefe spielte.

Ein weiteres Merkmal in der Offensive der Bullen waren die Tiefenläufe. Nicht nur nach Umschaltmomenten, sondern auch in Ballbesitzphasen im letzten Drittel konnten im wieder hervorragende Tiefenläufe gestartet werden. Dazu ein Beispiel von Okafor.

Tiefenlauf von Okafor

Kameri hatte den Ball und dribbelte mit dem ins Zentrum. Okafor erkannte, dass der Mittelfeldspieler in das Dribbling geht und startet sofort in die Tiefe. Dabei war es jedoch nicht einfach ein vertikaler Lauf in die Tiefe, sondern startet diagonal nach außen, um den Raum in der Mitte zu öffnen und die Viererkette auseinanderzuziehen. Dabei orientiert er sich gleich nach den ersten Schritten wieder zum Ball, um eine offene Stellung zum Spielfeld und dem Ball zu haben.

 

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