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Taktik-Analyse: Koller trotz guter Coaching-Leistung gegen Wales Sündenbock der Nation (1)

Das Scheitern von Marcel Koller am Spiel gegen Wales festzumachen, wäre falsch. Der Schweizer hat es jedoch verabsäumt, das Team gegen Mannschaften wie Serbien oder Irland richtig einzustellen. Eine Szenen-Analyse von Momo Akhondi.

Der WM-Traum ist geplatzt, nach der 0:1 Niederlage gegen Wales sind die Chancen auf eine Teilnahme in Russland 2018 dramatisch gesunken, praktisch auf null. Fans und Medien haben nach der Niederlage gegen die Waliser den Sündenbock schnell ausfindig gemacht: Marcel Koller. Der Schweizer musste sich erneut viele Vorwürfe gefallen lassen, unter anderem weil er David Alaba erneut als offensiven Mittelfeld-Spieler aufstellte und Augsburg-Innenverteidiger Martin Hinteregger zum Linksverteidiger umfunktionierte. Auch die fehlenden Umstellungen in der zweiten Halbzeit hielt man Koller vor. Dabei war der Plan der Österreicher gestern Abend durchaus interessant und wurde zu weiten Teilen auch gut umgesetzt.

 

Im Vorfeld der Partie wurde viel über Gareth Bale diskutiert; wie verteidigt man den Real-Star? Wie müssen die Österreicher gegen den Ball agieren? Das Pressing ist generell das Lieblingsthema von Marcel Koller. Hört man den Schweizer bei Interviews und Pressekonferenzen, könnte man glauben, die Arbeit gegen den Ball ist das einzig Entscheidende für unseren Teamchef. Dieses Mal hatte der Schweizer einen passenden Plan gegen den Spielaufbau der Waliser ausgearbeitet. Dabei war vor allem die Rolle von Alaba interessant.

Bild 1 – Alaba eine Linie hinter Harnik.

Normalerweise spielt im Nationalteam der Zehner – in der Regel also Zlatko Junuzovic – gegen den Ball auf einer Höhe mit dem Stürmer. Gegen Wales agierte Alaba im Pressing aber nicht neben Harnik sondern dahinter. Die Österreicher hatten gute Pressing-Auslöser, bei denen die Seitenspieler Arnautovic und Sabitzer sowie Zehner Alaba immer wieder nach vorne preschten und die Waliser im Spielaufbau bedrängten. Dabei konnte man die Gastgeber nicht nur zu vielen hohen Bällen zwingen, sondern tatsächlich sogar vereinzelt hohe Ballgewinne erzielen.

 

Problematisch wurde es nur, wenn die Österreicher sich zu sehr auf ihre Pressingfallen verließen und die Absicherung hinter der Pressingwelle vernachlässigten. Gleich in der 2. Minute konnten die Waliser dadurch ihren Superstar Bale in Szene setzen.

Bild 2 – Österreich ist nicht ausreichend abgesichert – Bale steht frei.

Nicht nur das Pressing der Österreicher war gegen Wales gut gewählt, auch das Verhalten nach Ballverlust wusste durchaus zu gefallen.

Bild 3 – klassische Staffelung der Österreicher nach Ballverlust – direkter Druck auf den Ballführenden, dahinter sind die Passoptionen versperrt.

Entscheidend hierfür war jedoch, dass die Österreicher schon im Ballbesitz jederzeit auf einen Ballverlust vorbereitet waren – vor allem in der Horizontalen (=Breite) agierten die Österreicher äußerst kompakt (=eng). Ob von Teamchef Koller geplant oder nicht, hielten die Österreicher stets kurze Abstände zu ihren Mitspielern und kombinierten auf engem Raum. Dadurch verengte sich das Nationalteam zwar auch den eigenen Raum, konnte aber bei Ballverlust schnell reagieren und sofort nachsetzen. Somit hatten die Österreicher stets ein gutes Gegenpressing-Netz um Fehler aufzufangen.

Bild 4 – Dragovic eröffnet das Spiel mit einem schwierigen scharfen Flachpass – die Österreicher stehen nie sehr weit auseinander und der Angriff erfolgt auf engem Raum.

Bild 5 – Dragovics Pass kommt zwar nicht an, die Österreicher stehen jedoch gut und kommen direkt ins Gegenpressing.

Vor allem in den ersten 65 Minuten schien Marcel Koller mit seiner Ausrichtung den gegnerischen Teamchef zu überraschen. Die Waliser standen mit ihrem raumorienterten 5-4-1/5-2-2-1 oft sehr luftig und kamen dadurch oft den berühmten „Schritt zu spät“.

Bild 6 – extrem enge Angriffe ergeben sehr gute Gegenpressing-Staffelungen bei Ballverlust.

Wie bereits erwähnt, sind gute Gegenpressing-Situationen ohne ein passendes Angriffsspiel nicht möglich – und auch hier konnte Marcel Koller seinen Gegenüber Coleman (und auch mich) überraschen. Im Vorfeld der Partie hofften Fans und Medien erneut vergeblich auf einen Linksverteidiger Alaba. Als die Startaufstellung der Österreicher veröffentlicht wurde, bestand nur mehr leichte Hoffnung, die spätestens mit Anpfiff endgültig enttäuscht wurde

 

Man konnte den Teamchef aufgrund seiner erneut fragwürdigen Aufstellung durchaus kritisch hinterfragen: Wieso spielt unser bester Innenverteidiger auf der Linksverteidiger-Position? Wieso spielt unser bester Linksverteidiger als Zehner?

 

Während Martin Hinteregger in der Vergangenheit bewiesen hat, dass er seine Stärken im Spielaufbau und seine Spielintelligenz auch auf als Linksverteidiger einbringen kann, stieß Bayern-Legionär David Alaba als Zehner oft an seine fußballerischen Grenzen. Während Alaba mit dem Gesicht zum Tor zu den besten Spielern der Welt gehört, sind enge Situationen mit dem Rücken zum gegnerischen Tor schlichtweg nicht seine Stärke. Vor allem wenn der Gegner unseren Star-Spieler in enge Manndeckung nimmt, kommt dieser nicht mehr zur Geltung. Dementsprechend skeptisch machte die Startaufstellung von Marcel Koller. Doch dieser schaffte es vor allem in der ersten Halbzeit die Skeptiker eines Besseren zu belehren.

 

Dadurch, dass die Waliser auf mannorientiertes Verfolgen unserer Mittelfeldspieler verzichteten und stattdessen im Raum verteidigten, kam auch David Alaba viel besser zur Geltung. Immer wieder schafften es seine Mitspieler ihn zwischen den Linien so freizuspielen, dass der Bayern-Legionär sich drehen konnte und somit Blickkontakt zum gegnerischen Torhüter hatte.

Bild 7a – Alaba steht sehr gut zwischen den Linien – die Waliser verteidigen im Raum.

Bild 7b – Alaba erhält den Ball, hat genug Zeit und Platz um sich zu drehen und wird für den Gegner dadurch ungemein gefährlicher.

Auf dem zweiten Bild sieht man auch, dass die Österreicher die guten Elemente aus dem Hinspiel in Wien erfolgreich mitnehmen konnten, die Stürmer Arnautovic, Harnik und Sabitzer rückten bis an die letzte Linie des Gegners und suchten zwischen den Innen- und Außenverteidigern immer wieder die Tiefe. Dadurch konnten sie die Abwehrspieler der Waliser vor Probleme stellen und hinderten sie daran auf Alaba herauszurücken.

 

>>> Weiterlesen - Seite 2 - Die zwiespältige Bilanz von David Alaba

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