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Mehr Pressing, besseres Defensivverhalten - die große Analyse zur EM Quali 2020 (2)

Die österreichische Nationalmannschaft konnte sich am vorletzten Spieltag der Quali das Ticket für die Europameisterschaft 2020 sichern. Doch wie konnte sich die Mannschaft unter Franco Foda entwickeln und wie stehen die Chancen bei der Endrunde?

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Problemfeld #1: Die Passivität

In vielen Spielen der österreichischen Nationalmannschaft war bemerkbar, dass sie sich in der Defensive in einigen Phasen zu passiv verhalten haben. Vor allem bei Gleichstand oder bei knappen Führungen gab es Abschnitte, in denen die Österreicher für einen Gegentreffer „bettelten“. Dies führte auch zu harter Kritik gegen Teamchef Foda. Denn viele Spieler in der Startelf haben eine Red Bull-Vergangenheit/Gegenwart und trotzdem wurde größtenteils mit einer eher defensiveren Ausrichtung gespielt. Ein Beispiel dafür ist die Niederlage gegen Israel.

Beim ersten Gegentreffer ließen sich die Abwehr und das Mittelfeld sehr weit zurückdrängen und standen gemeinsam am Sechzehner. Beram Kayal wurde nicht richtig unter Druck gesetzt und konnte immer wieder einen Pass zum Stürmer probieren. Nachdem der Ball nicht richtig geklärt wurde, konnte Israel den rechten Flügel bespielen. Eli Dasa wurde von Ulmer nicht schnell genug attackiert und so konnte der Außenverteidiger ohne wirklichen Druck flanken. Eran Zahavi kam danach vor Hinteregger zum Kopfball, da sich der Innenverteidiger nur auf den Ball konzentrierte und nicht mehr auf den Gegner schaute. Der zweite Gegentreffer fiel aus einer Standardsituation. Es gab keine richtige Zuteilung und so rannten mehrere Spieler nach der Flanke allein auf das Tor zu. Zahavi schoss das 2:1, jedoch waren auch Mitspieler hinter ihm komplett frei die das Tor hätten machen können. Das 3:1 entstand durch einen Weitschuss von Zahavi (Abbildung 6)

Abbildung 6: Der Aufbau zum 3:1 von Zahavi

Dasa bekam am Flügel den Ball und konnte in die Mitte ziehen. Der Außenspieler wurde von Ulmer nur „begleitet“ und nicht wirklich attackiert. Daraufhin konnte er ein horizontaler Pass auf Zahavi spielen. Baumgartlinger schaute sich per Schulterblicke nicht um und sah auch nicht, dass sich der israelische Stürmer aus dem Deckungsschatten bewegte. Nach dem der Pass gespielt wurde, setzte man den gegnerischen Offensivspieler auch nicht schnell genug unter Druck, sodass er aus 20 Metern in das Kreuzeck abschließen konnte.

Das 3:1 von Israel ist ein gutes Beispiel für die schlechten defensiv-orientierten Phasen, die beim ÖFB-Team immer wieder aufkommen. Auch im Heimspiel gegen Nordmazedonien hatte man das Gefühl, dass Österreich nach dem 1:0 das Ergebnis verwalten wollte. Dadurch kamen die Gäste immer wieder in das letzte Drittel, konnten aber selten richtig zum Abschluss kommen. Für die nächsten Freundschaftsspiele und vor allem für die Europameisterschaft muss sich im defensiven bereich viel verbessern. Die Pressingphasen sollten länger andauern. Die meisten Spieler sind es gewohnt in einem Umfeld zu spielen, in dem der Gegner beinahe immer in deren eigenen Hälfte unter Druck gesetzt wird. Erst nach großer Ermüdung oder hoher Führung sollte Österreich in ein defensiveres Verhalten umschalten.

 

Problemfeld #2: Fehlentscheidungen im letzten Drittel

Im letzten Drittel hat Österreich noch einige Probleme, da es oft zu Missverständnissen zwischen Spielern kommt und diese oft in einem Ballverlust resultieren. Zu sehen war auch, dass die Spieler im entscheidenden letzten Drittel zu viele Freiheiten hatten und keine Vorgaben bekamen. Dadurch kam es auch immer wieder zu Fehlentscheidungen der Ballführenden. Falls Österreich zum Abschluss kam, war es oft außerhalb vom Sechzehner oder nach Einzelaktion der Spieler. Beispielsweise eben bei der Niederlage gegen Israel. Da kamen vermehrt Flanken aus dem Halbfeld in den Sechzehner, obwohl dieser nicht einmal richtig besetzt war. 

Abbildung 7: Verfrühte Flanke, obwohl nur ein Stürmer im Strafraum ist. (Der Pfeil in Rot zeigt die bessere Option in dieser Szene)

Peter Zulj flankte früh in den Sechzehner, obwohl dieser kaum von den Offensivspieler besetzt war (Abbildung 7). Der zentrale Mittelfeldspieler bekam den Ball und versuchte auf Arnautovic zu flanken. Der österreichische Stürmer war im Strafraum alleine und wurde auch noch von zwei Gegenspielern gedeckt. Eine passendere Option wäre ein pass auf den hinterlaufenden Andreas Ulmer gewesen. Durch den Pass hätte man auch den Offensivspieler mehr Zeit gegeben sich in den Strafraum zu bewegen und für einen Stanglpass zu positionieren. Der Außenverteidiger hätte auch mehr Anspielmöglichkeiten gehabt. Zudem gab es weitere Situationen, in denen man viel zu früh flankte. (Abbildung 8)

Abbildung 8: Flanke aus dem Halbfeld von Lazaro (Pfeil in Rot zeigt die bessere Option in dieser Szene).

Auch hier hat Valentino Lazaro eine bessere Option mit einem horizontalen Pass in die Mitte, um den Angriff geordneter zu gestalten. Stattdessen kommt eine verfrühte Flanke in die Nähe des Sechzehners.

Klar haben solche Entscheidungen des Ballführenden mehrere Gründe als „keine Vorgaben im letzten Drittel“ oder „schlechte Positionierung im Sechzehner", allerdings könnte man mit genaueren Zielvorgaben im offensiven Drittel solche Fehlentscheidungen des Spielers verringern.

 

Problemfeld #3: Die Auswechslungen

Auswechslungen sind im Fußball natürlich ein heikles Thema, da der Tausch eines Spielers mit verschiedensten Bereichen wie Taktik, Ermüdung oder Verletzung zu tun haben kann. Allerdings merkte man bei den Foda'schen Auswechslungen, dass die meisten erst sehr spät passieren. Oft erst nach der 70. Minute, außer gegen Israel, da man schon vor der 60. Minute 3:1 in Rückstand war. Da die Veränderungen vom Teamchef oft sehr spät kommen, können die eingewechselten Spieler nur sehr wenig verändern oder verbessern. Doch es stellten sich noch weitere Fragen: „Wieso wird er erst jetzt eingetauscht?“ Oder: „Wieso tauscht er überhaupt diesen Spieler ein?“ Wie zum Beispiel im ersten Qualifikationsspiel gegen Polen. In der 69. Minute kassierte man den Gegentreffer und erst nach der 80. Minute reagierte Foda und brachte zwei Offensivspieler. Auch gegen Lettland kamen erst spät neue Spieler auf das Feld, obwohl man schon nach 50 Minuten mit 3:0 führte, einige Spieler bereits geschont hätten werden könnte. Ein weiteres Beispiel sind auch die Einwechslungen beim Heimspiele gegen Nordmazedonien. In der 80. Minute musste Lazaro ausgewechselt werden, allerdings kam statt einem positionsgetreuen Wechsel wie Thomas Goiginger oder Luis Schaub der defenivere Union Berlin-Legionär Christopher Trimmel. Zu diesem Zeitpunkt führte Österreich 2:0 und Nordmazedonien strahlte zehn Minuten vor Schluss auch keine wirkliche Gefahr aus, dieses Spiel noch zu drehen. Wieder wirkte es so, dass Foda das Ergebnis verwalten wollte und nicht zu viel "Risiko" gehen wollte.

Wie schon erwähnt sind Auswechslungen ein sehr schwieriges Thema, da sie das Spiel ins Negative oder auch ins Positive verändern können. Zudem muss man sich immer an den Spielverlauf anpassen. Allerdings erkennt man bei Foda, dass er allgemein sehr spät wechselt und nur bei Rückstand Offensivspieler eintauscht, um etwas noch am Spiel zu verändern. Sonst werden vermehrt defensive Spieler eingewechselt.

 

Fazit

Österreich konnte sich für die Europameisterschaft 2020 qualifizieren. Allerdings muss Franco Foda vor der EM einige Sachen verbessern, insbesondere das gruppentaktische Defensivverhalten. Österreich muss mit einer Mannschaft, die hauptsächlich aus Spieler mit Red Bull Salzburg-Vergangenheit oder Profis, die in ihrem Verein auch aktiver verteidigen, mit länger andauerndem Pressing agieren. Zudem sollte es im Ballbesitz im letzten Drittel geordnetere Strukturen geben, um zu einer besseren Abschlussmöglichkeit zu kommen. Denn bis jetzt ruhen sie oft auf die Qualität des einzelnen Spielers.

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