Taktik / 2019

Derby-Analyse: Austria rettet sich nach Rapid-Umstellung [2]

Im 330. Wiener Derby lieferte Austria Wien einer der stärksten Leistungen in dieser Saison ab und ging mit einem 2:1 in die Pause. In der zweiten Hälfte stellte Rapid Wien das System um und die Grün-Weißen konnten beinahe das Spiel drehen.

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Rapid mit großen Problemen

Die Grün-Weißen spielten in der ersten Halbzeit in einem 5-3-2. In den hektischen Anfangsminuten konnten sie zwar ein Tor schießen, allerdings danach kaum noch Chancen kreieren. Im Ballbesitz gab es aus der Sicht eines Außenstehenden keinen wirklich Plan. Rapid fand keine situationsgerechte Lösung gegen das Pressing und spielte beinahe immer den hohen Ball nach vorne. Für die Innenverteidiger gab es kaum flache Anspielstationen nach vorne. Der Abstand zwischen dem Mittelfeld und der Abwehr war bei eigenem Spielaufbau so groß, dass der hohe Ball nach vorne oft die einzige Lösung für die Innenverteidiger war, um überhaupt den Ball nach vorne zu spielen. Allerdings haben die Innenverteidiger auch in vielen Situationen viel besser agieren können. Im Spielaufbau gab es selten einen Abwehrspieler, der den freien Raum vor sich andribbelte, um, neben Raumgewinn, auch einen Gegenspieler zu binden, sodass möglicherweise ein Mitspieler frei wird. Wie zum Beispiel in der 22. Minute.

Abbildung 5: Spielaufbau von Rapid Wien.

In dieser Szene (Abbildung 5) spielten sich Barac und Christopher Dibon mehrmals den Ball zueinander ohne überhaupt ein Anzeichen zu geben, dass sie nach vorne spielen wollten. Erst nach dem sechsten oder siebten Pass kam das Zuspiel auf Maximilian Ullmann, der bereits einige Sekunden davor frei stand. Nicht nur war der Abstand zur ersten Pressinglinie groß, sondern auch zu den eigenen Sechser gab es einen enormen Abstand. Auch ein Dribbling eines Innenverteidigers nach vorne hätte in dieser Situation besser sein können, um früher nach vorne zu spielen und Druck auf die erste Pressinglinie der Austria zu setzen. Zudem waren die Zuspiele und die Ausführung langsam, sodass die Gäste nicht viel verschieben mussten, um den Raum nach vorne zu schließen. Diese Szene war nicht die einzige, die zeigte wie planlos Rapid in der ersten Halbzeit war. Immer wieder wurden die Bälle hoch nach vorne gespielt und Badji und Christoph Knasmüllner gewannen zudem kaum Luftduelle. Dadurch kam die Austria auch immer wieder zurück in Ballbesitz.

Rapid hatte aber nicht nur in der Spielphase 'Ballbesitz" Probleme. Denn die Restverteidigung von den Grün-Weißen war nicht wirklich vorhanden. Das heißt, dass bei einem Angriff viel zu wenige Spieler hinten bleiben, um einen möglichen Ballverlust abzusichern. Die Austria kam immer wieder in Konter, in denen sie als Offensive meist sogar in Gleichzahl waren. Wie zum Beispiel beim ersten Treffer.

Abbildung 6: Einleitung von Fitz zum 1:0. Schlechte Konterverteidigung von Rapid Wien.

Die Veilchen gewannen den Ball am eigenen Sechzehner und Fitz konnte sich mit einem guten ersten Kontakt aus dem Gegenpressing lösen. So kam es zu der Situation vor dem Pass zu Monschein. Zu sehen war, dass nur Mario Sonnleitner und Dibon hinten blieben. Zudem ließ sich Sonnleitner sehr weit von Monschein mitziehen und somit den Raum für Sarkaria offen. Dieser Raum wurde von Monschein in der Anschlussaktion bespielt und Sarkaria konnte das 1-gegen-1-Duell mit Strebinger gewinnen. Die Restverteidigung hat viel mit den eigenen Positionierungen im Ballbesitz zu tun und in der Offensivaktion vor dem Ballverlust rückten viel zu viele Spieler auf. Zudem war der Abstand von der Abwehr zum Mittelfeld zu groß und nachdem sich Fitz aus dem Gegenpressing lösen konnte,konnte ihn keiner mehr richtig attackieren. Besser wäre es gewesen, wenn sich beim eigenen Angriff nicht alle miteinbinden und mehr Spieler als zwei einen möglichen Konter absichern. Zudem müsste sich Sonnleitner sich nicht so weit von Monschein mitziehen lassen, denn wenn der Innenverteidiger auf seiner Position neben Dibon bleibt, wäre es möglich, dass der Stürmer in das Abseits rennt. Auch die Rückwärtsbewegung von Arase war kaum vorhanden und er ließ Sarkaria einfach frei vorne weglaufen.

 

Die Umstellung von Kühbauer bringt beinahe den Sieg

In der zweiten Halbzeit stellte Kühbauer auf ein 4-4-2/ 4-2-3-1 um. Thomas Murg kam für Srdjan Grahovac und Adrian Hajdari, der sein Debüt feiern durfte, wurde für Sonnleitner eingewechselt. In der zweiten Hälfte funktionierte bei Rapid Wien einiges besser. Besonders im Ballbesitz merkte man, dass Schwab in der Position als Sechser eine wichtigere Rolle spielt und auf dieser Position mehr Einfluss auf das Offensivspiel hat. Im 5-3-2 agierte er als linker zentraler Mittelfeldspieler und ließ sich auch sehr oft auf den linken Flügel fallen, wo er kaum Bälle bekam. Vor allem nach Ballgewinnen, an denen er beteiligt war, agierte Rapid viel ruhiger und hatte auch längere Ballbesitzphasen. Wie zum Beispiel in der 74. Minute. (Abbildung 7)

Abbildung 7: Mehr Passmöglichkeiten in der zweiten Hälfte für Dibon

Dibon dribbelte den Raum vor sich an - das hatte er in der ersten Hälfte überhaupt nicht gemacht. Für den Innenverteidiger gab es in dieser Aktion auch mehrere Anspielstationen. Zum einen hätte er auf den rechten Außenverteidiger spielen können oder auch auf Murg, der sich in den rechten Halbraum zwischen den Linien bewegte. Zudem gab es in der zweiten Halbzeit auch mehrere Anspielmöglichkeiten ins Zentrum. Wie zum Beispiel Ljubicic.

Zwar war die zweite Hälfte um einiges besser, allerdings gab es noch immer dieselben Probleme wie in den Bundesligaspielen davor. Wie zum Beispiel das Pressing, dass immer wieder ein Problem bei den Grün-Weißen war.

Abbildung 8

Der Abstand zwischen den Linien war viel zu groß und die Wiener Austria konnte das Pressing mehrmals ohne Probleme überspielen. Wie in dieser Szene (Abbildung 8): Grünwald wurde nicht wirklich attackiert und spielte einen Pass auf den rechten Flügel. Klein konnte daraufhin mit dem zweiten Kontakt zwischen den Linien der Abwehr und dem Mittelfeld spielen. Entweder sollte Rapid als ganze Mannschaft hoch anpressen oder die ganze Mannschaft verteidigt tiefer. So ergeben sich Löcher/Räume für den Gegner, die vor allem bessere Gegner wie der FC Red Bull Salzburg besser ausnützen.

 

Austria zu passiv

In der zweiten Hälfte hatte die Austria große Probleme mit der Umstellung und kam nur noch selten zu Angriffen und kassierte beinahe noch den dritten Gegentreffer. Allerdings könnte der Leistungsabfall mehrere Gründe haben. Zu einem spielten die Austria mit einigen Spielern, wie Sarkaria oder Pichler, die noch vor nicht so langer Zeit in der zweiten Mannschaft spielten und das intensivere Spiel noch nicht gewohnt sind. Auch die Umstellung und vor allem die Wechsel hatten einen großen Einfluss. Allerdings gab es auch taktische Gründe, die zeigten, dass die Austria mit dem Unentschieden zufrieden sein könnte. Denn beispielsweise im Pressing gab es, wie bei Rapid, viel zu große Abstände zwischen Linien und auch zwischen den Spielern in der Linie.

Abbildung 9

In der 71. Minute hatte Rapid keine Probleme das Pressing von der Wiener Austria zu überspielen. In dieser Szene (Abbidlung 9) waren die Abstände zwischen der ersten Pressinglinie und der Mittelfeldreihe viel zu groß. Ljubicic konnte ohne Probleme angespielt werden und sich auch nach vorne aufdrehen und einen Angriff einleiten.

Zudem agierte die Austria nicht mehr so aggressiv im Gegenpressing und Rapid hatte viel mehr erfolgreiche Umschaltaktionen nach vorne. Außerdem kamen auch viele individuelle Fehler mit dem Ball dazu, sodass es im Ballbesitz zu mehreren Ballverlusten kam.

 

Fazit

Die Wiener Austria spielte eine sehr gute erste Halbzeit. Im Pressing agierten sie effektiv und durch situationsgerechten Anlaufen konnten sie Rapid immer wieder zu hohen Bällen zwingen. Zudem hatten sie auch viele Torschussmöglichkeiten, aber belohnten sich vor der Pause nicht mit einer höheren Führung. In der zweiten Halbzeit passierten viele individuelle Fehler im Ballbesitz, die zu mehreren Ballverlusten führten. Auch im Pressing und im Gegenpressing waren sie nicht mehr so effektiv, wie in der ersten Hälfte.

Nach einer sehr schlechten ersten Halbzeit und der Umstellung in der Pause konnte Rapid Wien viel besser agieren. Besonders im Ballbesitz merkte man einen Unterschied. Denn sie kreierten auch viel mehr Chancen und hätten das Spiel auch für sich entscheiden können. Allerdings sah man wieder, welchen großen Probleme Rapid hat. Im Pressing fehlt oft das richtige Anlaufen und das die ganze Mannschaft gemeinsam agiert. Noch zu erwähnen wäre auch die unterbesetzte und tiefe Restverteidigung. Denn dadurch konnte man die Konter der Austria schwer unterbinden. Außerdem sah man in der ersten Hälfte und auch teilweise die Planlosigkeit der Grünweißen im Ballbesitz, die in der ganzen Saison zu sehen war.

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