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Lettische Offenbarung

Die peinliche 1:0-Niederlage in Lettland zeigt: Das ÖFB-Team ist nicht so weit, wie man denken mag. Das liegt aber nicht am zweiten Anzug.

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+ + 90minuten.at Exklusiv + + Ein Kommentar von Georg Sander

 

„Die Frage, ob sich irgendjemand für die EM gezeigt hat, ist überflüssig“, sprach Red Bull Salzburg-Verteidiger Maximilian Wöber in die Reportermikrofone. Als einer der wenigen Feldspieler und auf der für ihn eher ungewohnten Position als Linksverteidiger war er einer, der zumindest eine befriedigende Leistung abrief. Doch der Ersatzelf die peinliche Leistung umzuhängen, greift dennoch einigermaßen zu kurz. Es liegt viel mehr am reaktiven und wenig inspirierten Fußball, den Franco Foda spielen lässt.

 

Europäische Qualität

Die Stammkräfte David Alaba, Marko Arnautovic, Martin Hinteregger, Konrad Laimer, Stefan Lainer, Marcel Sabitzer und Andreas Ulmer waren entlassen. Valentino Lazaro saß auf der Bank. Somit verblieben von Franco Fodas Stammelf nur Aleksandar Dragovic und Julian Baumgartlinger in der Startformation; hinzu kam noch der Wechsel auf der Tormannposition, wo es aber ohnehin keine klare Nummer eins gibt.

"Selbst eine ebenso wahllos zusammen gewürfelte Bundesligaelf aus der unteren Tabellenhälfte wie Kobras – Rath, Hager, Bauer, Thurnwald – R. Ljubicic, Grgic – Schütz, Toth, Gebauer – Balic müsste in Lettland zumindest punkten können. Wenn..."

Der Teamchef vertraute aber dennoch auf eine große Portion Qualität. Das beginnt beim Keeper. Pavao Pervan ist derzeit Einsergoalie beim VfL Wolfsburg. Christopher Trimmel ist Kapitän des deutschen Bundesligisten Union Berlin, Stefan Posch ist wie Florian Grillitsch Stammspieler bei Hoffenheim. Stefan Ilsanker mag in Leipzig am Abstellgleis sein, hat aber schon jahrelang bewiesen, dass er genug Qualität für die deutsche Bundesliga hat, Kollege Michael Gregoritsch hat ähnliche Probleme bei Augsburg, aber 125 Bundesligaspiele mit 29 Toren und elf Assists auf der Habenseite. Louis Schaub darf sich ebenfalls Bundesligastammkraft nennen. Auch die Bundesligakicker Maximilian Wöber und Thomas Goiginger haben schon bewiesen, dass sie auf europäischem Niveau mehr als ordentlich spielen können.

Und am Ende war es Lettland. Eine Mannschaft, die in der laufenden Qualifikation null Punkte erreicht hatte, 28 Treffer kassiert hatte und vor dem Dienstagabend zwei Mal netzen konnte. Zuletzt gewonnen hatten die Letten übrigens gegen Estland, im Juni 2018. Das war ein Freundschaftsspiel. Den letzten Bewerbsdreier fuhren die Balten im Oktober 2017 ein – gegen Andorra. Kurzum und überspitzt: Selbst wenn Foda am Dienstag eine ebenso wahllos zusammen gewürfelte Bundesligaelf aus der unteren Tabellenhälfte im 4-2-3-1 aufs Feld geschickt hätte, hätte man zumindest nicht verlieren dürfen. Selbst eine Elf bestehend aus Kobras – Rath, Hager, Bauer, Thurnwald – R. Ljubicic, Grgic – Schütz, Toth, Gebauer – Balic müsste in Lettland zumindest punkten können. Wenn...

 

Welche Vorgaben?

Bereits das Spiel gegen Nordmazedonien war alles andere als eine spielerische Offenbarung, der Weg in die Spitze wurde schnell gesucht, der Sieg dennoch verdient und die Gefahrenherde und Torschützen waren freilich die, die gegen Lettland fehlten. Gegen die Letten fehlte dann die indiviuelle Extraklasse und man scheiterte auch an dem Punkt, der seit Monaten an Foda kritisiert wird: Die taktischen Vorgaben scheinen einfach nicht stimmig genug zu sein, sind isgesamt sowieso zu passiv. In einer insgesamt schwachen Gruppen hat Österreich gerade einmal die Minimalpflicht absolviert, ohne auch nur einen Funken Kür an den Tag legen zu können.

"Die Niederlage in Lettland zeigt eben die Strukturschwäche des Fodafußballs. Gebe es klare Ideen zur Lösungsfindung im letzten Drittel, dann würden sich auch Ergänzungsspieler leichter tun, diese umzusetzen."

Individuelle Klasse deckte immer schon taktische Mängel zu, denn an der Qualität der Spieler kann es letztlich gar nicht liegen. Die ist hoch. Der Fußball, den Franco Foda spielen lässt, wird gerne 'Abteilungsleiterfußball' genannt. Sturm-Insider und Foda-Kenner Frank Wonisch beschreibt dieses Kick so: "Foda denkt Fußball sehr reaktiv. Er baut diesen Ansatz auf Statistik. Fußball ist als Spiel eine Aneinanderreihung von Fehler-Ereignissen, individuelle oder mannschaftlich-taktische. Die Spielidee bei Franco Foda ist simpel: Der, der weniger Fehler macht als der andere, der hat die größere Wahrscheinlichkeit, das Spiel zu gewinnen."

In einem Kommentar nach dem spielerisch ebenfalls grauenhaften Israel-Match war auf 90minuten.at zu lesen: „Foda limitiert die Fähigkeiten des wohl besten ÖFB-Kaders der Geschichte, indem er seinen Spielern ein enges, passives Korsett verpasst hat. In einigen  Situationen war den Spielern eine offensichtliche Zerrissenheit anzumerken. Der Bauch sagte, geh nach vorne. Das Hirn antwortete: Du sollst hinten bleiben.“ - Und da spielten sie fast alle: Arnautovic, Lazaro, Laimer, Ulmer, Sabitzer, Hinteregger.

 

Klare Vorgaben erleichtern gutes Spiel

Es ist schon oft genug beschworen worden, dass ein pressender, an Red Bull Salzburg und ferner den Arbeitgebern vieler heimsicher Kicker wie LASK/Leipzig/Hoffenheim/Wolfsburg angelehnter Spielstil dem Team gut stehen würde. Zumindest sechs Akteure vom Dienstag inklusive den Leverkusen-Spielern Dragovic und Baumgartlinger könnten das auch. Aber es ist letztlich egal, wie die taktischen Vorgaben genau aussehen, wichtig ist, dass sie klar und deutlich sind und nicht am Ende wieder die individuelle Klasse durchscheinen muss, um in der wie erwähnt ziemlich schlechten Gruppe nicht nur zu punkten, sondern auch gut zu spielen.

Sicherlich sind es die elf bzw. 14 Kicker, die verloren haben. Aber die Niederlage in Lettland zeigt eben die Strukturschwäche des Fodafußballs. Gebe es klare Ideen zur Lösungsfindung im letzten Drittel, dann würden sich auch Ergänzungsspieler leichter tun, diese umzusetzen. 

Lettland, fast auf Landskrona-Niveau, zeigt ganz deutlich: Es hakt an den Fußballvorstellungen von Foda/Schöttel, weniger an den Spielern. Wenn man nämlich zu wenig vermittelt bekommt, wie man ein Tor schießt, muss die individuelle Klasse herhalten. Die wäre ja prinzipiell am Feld gewesen. Die lettische Offenbarung ist: Offenbar sind die Vorgaben so mangelhaft, dass schon ein kleines bisschen weniger Qualität dann am Feld so aussieht wie in Riga.

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