Interviews / 2019

Peter Schöttel: „Ich kenne das Foda-Loch nicht“

Das Nationalteam spielte zuletzt weniger mutig als unter Marcel Koller. Peter Schöttel ist seit einem Jahr als Sportdirektor der Chefstratege des ÖFB. Ein Gespräch über den neuen Weg, seinen Einfluss auf die Spielweise und warum Österreich Spieler benötigt, die nicht ständig zum Trainer rausschauen.

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90minuten.at: Welche Zielsetzung hat man für die EM-Qualifikation?

Wir wollen in dieser Gruppe unter den ersten Zwei sein. Das ist die konkrete Zielsetzung. Das wird eine enge und spannende Gruppe. Bei allem Mut und dem Glauben an die eigene Stärke: Warum sollten Slowenien und Mazedonien leicht sein? Jeder denkt sich: Okay, da ist kein Frankreich dabei. Aber leicht ist es fix nicht. Und wir haben schon im Herbst gesehen: Wir haben nicht unendlich viele Spieler. Wenn Spieler ausfallen, ist es schwierig sie zu ersetzen.

 

90minuten.at: Bei Ländern wie Israel oder Slowenien ist die Lage wahrscheinlich noch schwieriger, wenn Spieler ausfallen.

Weiß ich nicht, ob es noch schwieriger ist. Kann ich nicht sagen.

"Franco Foda wird daran gemessen, ob er die Qualifikation schafft aber auch daran, wie wir spielen. Wir müssen uns für Endrunden qualifizieren." - Peter Schöttel

90minuten.at: Wird Franco Foda daran gemessen, ob er die Qualifikation schafft?

Franco Foda wird daran gemessen, ob er die Qualifikation schafft aber auch daran, wie wir spielen. Wir müssen uns für Endrunden qualifizieren. Denn: Wenn wir nie irgendwo dabei sind, können wir auch nie überraschen. Kroatien hat sich sehr knapp für die WM in Russland qualifiziert und ist dann sehr weit gekommen. Wir müssen einmal wo hinkommen. Ich war 1998 bei der letzten WM, für die sich Österreich qualifiziert hat, als Spieler dabei. Wir haben uns in zwanzig Jahren ein einziges Mal für eine Endrunde qualifiziert. Wir wollen schön, gut, attraktiv spielen und die Leute begeistern. Aber am Ende des Jahres wollen wir uns qualifizieren.

 

90minuten.at: Kann Österreich auf Dauer erfolgreich sein und was fehlt auf Sicht?

Uns fehlen kreative Spieler. Wir können mit allen mitspielen, weil wir mannschaftstaktisch gut sind. Wir brauchen wieder mehr Spieler, die vermehrt selbst Lösungen finden und die nicht zum Trainer rausschauen, wenn der Gegner anders spielt. Das ist früher automatisch passiert. Mittlerweile ist sehr viel Wissenschaft im Spiel. Das ist total notwendig. Umso mehr, je höher es nach oben geht. Aber im Jugendbereich müssen wir die jungen Spieler inspirieren. Ich finde es schade, dass Nachwuchstrainer nur einen Bruchteil von dem Geld bekommen, das oben verdient wird. Man soll Akademietrainer nicht an Tabellenplatzierungen messen, sondern an der Spielerentwicklung.

 

90minuten.at: Wo liegt denn das Ziel für die Nachwuchsnationalteams: Spielerentwicklung oder Qualifikation für Turniere?

Endrunden-Teilnahmen sind extrem wichtig. Das ist wichtig für die Entwicklung der Spieler. Aber das ist nicht das alleinige Kriterium. Mir ist wichtig, dass wir die Besten ausbilden, um in ein paar Jahren eine gute Nationalmannschaft zu haben. Die Kroaten machen definitiv im Nachwuchs etwas richtig, aber ich bin überzeugt, dass die Kroaten nicht über den Apparat im Nachwuchs verfügen, den wir haben. Sie haben aber Spieler bei Real Madrid, Barcelona etc. Ich glaube, dass in Kroatien weniger reglementiert wird. Und dort spielt der Spieler mit 17 schon in der ersten Mannschaft, weil sie ihn mit 19 schon um gutes Geld verkaufen wollen.

 

90minuten.at: Sie wollen die Spieler auch athletisch besser ausbilden.

Wir wollen im Akademiebereich einen athletischen Schwerpunkt setzen. Wir haben Verletzungsstatistiken erhoben. Man verliert viel Zeit mit verletzten Spielern. Die Kommunikation zwischen ÖFB und Vereinen soll verbessert werden. Das erste Akademiejahr wollen wir im Bereich der Verletzungsprophylaxe nützen. Wir müssen uns durchsetzen, Ball abdecken können, in Zweikämpfe gehen.

 

90minuten.at: Sind unsere Spieler zu wenig robust?

Ja. Man sieht was im Nachwuchs-Bereich fehlt.

 

90minuten.at: Modric wäre eine Gegenthese.

Solche Spieler wollen wir ja auch haben. Ohne, dass ich weiß, wie der aufgewachsen ist. Der hat sicher gerne Fußball gespielt, den hat man Fußball spielen lassen und er ist gefördert worden. Aber um zu bestehen braucht man auch andere Spielertypen in der Mannschaft, die ihm gewisse Aufgaben abnehmen.

 

90minuten.at: Will man eine ÖFB-Spielphilosophie durchziehen?

Wir haben eine Arbeitsgruppe, die sich mit diesem Thema beschäftigt. Dort entwickeln wir, welche Spielprinzipien wir für unsere Nationalmannschaften haben wollen. Ich habe hier eine Spielphilosophie vorgefunden, die auf ein paar  Seiten niedergeschrieben war. Aus meiner Sicht ist die wenig ins Detail gegangen. Es wurden Systeme vorgegeben, die gespielt werden sollten. Wir wollen ein bisschen konkreter werden und haben sehr rasch bei den ersten Sitzungen besprochen, dass es um einheitliche Spielprinzipien gehen soll. Da wollen wir Dinge erarbeiten.

 

90minuten.at: Zu welchem Schluss sind Sie gekommen?

Wir sind schnell zu dem Schluss gekommen: Spielanlage und Spielsystem sind Sache des jeweiligen Trainers. Es ist sinnvoll mehrere Dinge zu können. Wir haben ein 4-2-3-1 gespielt unter Koller, aber auch da hat es Abweichungen gegeben. Nachwuchsteamchef Andreas Heraf hatte die größten Erfolge und er hat definitiv ganz anders gespielt als es festgeschrieben war. Ein Trainer soll gewisse Dinge auch individuell entscheiden können, sonst brauche ich keinen Trainer.

Danke für das Gespräch!

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