Interviews / 2019

Peter Schöttel: „Ich kenne das Foda-Loch nicht“

Das Nationalteam spielte zuletzt weniger mutig als unter Marcel Koller. Peter Schöttel ist seit einem Jahr als Sportdirektor der Chefstratege des ÖFB. Ein Gespräch über den neuen Weg, seinen Einfluss auf die Spielweise und warum Österreich Spieler benötigt, die nicht ständig zum Trainer rausschauen.

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90minuten.at: Auffällig war: Beim Anlaufen des Gegners blieb die österreichische Defensive so weit hinten, dass in der Mitte eine große Lücke entstand, die zum Spielplatz für den Gegner wurde. Teamspieler Schöpf sagte nach dem Bosnien-Spiel: „Oft sind wir vorne angelaufen, der Rest dahinter ist aber nicht wirklich nachgeschoben, dann waren große Räume für den Gegner da, die sie gut bespielt haben.“

Heißt das: Wir laufen an, die Verteidiger sind zu weit hinten und es gibt ein Loch, wo die Gegner rein spielen können?

 

90minuten.at: Ja. Bei Sturm war das Phänomen als „Foda-Loch“ bekannt. Foda kündigte auch an: wir wollen vorne draufgehen und hinten absichern.

Ich kenne das „Foda-Loch“ nicht. Wenn das so passiert ist, dann ist das nicht gut. Aber ich habe es nicht so gesehen. Jeder Trainer weiß, dass man nur im Block erfolgreich sein kann, egal was man tut. Wenn man vorne angeht, muss man mit allen nachschieben. Ich will gar nicht sagen, dass alles perfekt war. Aber du musst als Mannschaft als Block auftreten. Und wenn das in diesem Spiel so passiert ist, dann war das falsch. Dann werden wir das sicher korrigieren.

"Es ist zum Beispiel positiv, dass wir innerhalb des Spiels Systeme wechseln können. Die Thematik über die Position von Alaba ist kein Thema mehr. Defensiv waren wir gut organisiert, nach vorne müssen wir bessere Lösungen finden. Wenn die handelnden Personen in einer besseren Verfassung sind, werden wir mehr Torchancen in unser Spiel bekommen."

90minuten.at: Sturm Sportdirektor Günter Kreissl versuchte mit Franco Foda gemeinsam an einer flexibleren Spielweise zu arbeiten und hat seine Herangehensweise im letzten Jahr sicher auch beeinflusst. Sehen Sie das auch als ihren Job hier korrigierend einzugreifen?

Ich glaube nicht, dass bei Sturm Günter Kreissl Franco Foda gesagt hat, dass er das System ändern soll. Der Franco ist sehr eng mit seinem Team, da bin ich auch dabei und natürlich reden wir darüber. Das ist ja ganz normal.

 

90minuten.at: Worüber hat man nach den Spielen in der Nations League gesprochen und wo fand man das Spiel verbesserungswürdig?

Wir haben selbst bemerkt, dass wir wenige Torchancen in allen Spielen heraus gespielt haben. Aber: Man kann sich jetzt auch nur mit dem Negativen beschäftigen.

 

90minuten.at: Man kann auch alles schönreden.

Man kann auch einen Mittelweg finden.

 

90minuten.at: Das versuchen wir heute.

Das ist schön, dann verstehen wir uns. Es ist zum Beispiel positiv, dass wir innerhalb des Spiels Systeme wechseln können. Die Thematik über die Position von Alaba ist kein Thema mehr. Defensiv waren wir gut organisiert, nach vorne müssen wir bessere Lösungen finden. Wenn die handelnden Personen in einer besseren Verfassung sind, werden wir mehr Torchancen in unser Spiel bekommen.

 

90minuten.at: Wie kann man mehr Torchancen generieren, wenn es sehr von der Fitness und der Kreativität der Spieler abhängt?

Abläufe werden trainiert und die gibt es immer. Aber im letzten Drittel geht es um Kreativität und darum, die richtige Entscheidung zu treffen. Bei Marko Arnautovic weißt du nie was passiert. Und das ist gut.

 

90minuten.at: Man hatte oft den Eindruck, es liegt nicht an der fehlenden Kreativität der Spieler, sondern daran, dass sie als Mannschaft anstanden.

Bosnien hat zwei Weltklasse-Spieler, die in beiden Spielen offensichtlich die Besten waren. Bosnien hat die Gruppe verdient gewonnen. Aber gegen Nordirland haben sie auch sehr glücklich gewonnen.

 

90minuten.at: Wo kann man denn als Trainerteam ansetzen, dass man aus dem Spiel heraus mehr Kreativität in der Offensive generiert und nicht bloß vom Geistesblitz des Einzelnen abhängig ist?

Wir haben die Spieler in fünf Lehrgängen des Jahres. Der Teamchef hat nicht viele Tage im Jahr, wo er mit den Spielern trainieren kann.

 

90minuten.at: Das heißt: Der Trainer hat wenig Einfluss und ist gar nicht so wichtig?

Der Trainer ist sehr wichtig, aber die tägliche Arbeit in den Vereinen ist für uns ebenfalls essentiell. Wir sind beim Nationalteam davon abhängig in welcher Verfassung sie von den Vereinen kommen. Wichtig ist: Dass eine Atmosphäre geschaffen wird, damit alle gerne kommen. Dann braucht es klare Abläufe. Aber innerhalb dieser Abläufe muss es Platz für Kreativität geben.

 

90minuten.at: Man hat den Eindruck, dass österreichische Trainer, die aus der österreichischen Trainerausbildung kommen, oft nur auf eine gute defensive Organisation setzen und dann mit ihrem Latein am Ende sind.

Man ist als Trainer immer von den handelnden Personen abhängig.

"Die Mentalität von Franco ist: Gewinnen. Aber du hast beim Nationalteam einen Zeitfaktor, der mitspielt. Und als Trainer verlässt man sich dann auch darauf, was einem bisher im Leben Erfolg gebracht hat." - Peter Schöttel

90minuten.at: Aber Österreich hat doch die Möglichkeit mit diesen Spielern offensiver zu spielen.

Ich sehe es nicht so defensiv wie Sie.

 

90minuten.at: Wir fanden es defensiv.

Ich habe gesehen, dass wir Probleme hatten, Chancen zu kreieren. Haben Sie es in den Testspielen offensiver empfunden?

 

90minuten.at: In den Testspielen war das Pressing mehr vorhanden und es war wesentlich mutiger.

Vielleicht haben wir auch die Tore in den richtigen Momenten geschossen. Der Fußball wird immer gläserner. Der Gegner weiß von uns alles, wir wissen von ihnen alles. Sie stellen sich auf uns ein.

 

90minuten.at: Ist man zu ausrechenbar?

Da müssen wir aufpassen. Wir sind aber auf einem guten Weg, haben mehrere Varianten. Ich finde, dass wir gut organisiert aber auch flexibel sind.

 

90minuten.at: Wie sehr spielt die Mentalität des Trainers mit: Es gibt welche, die überall, egal bei welchen Vereinen sie trainieren, aktiv sein wollen und dann gibt es eher vorsichtige.

Die Mentalität von Franco ist: Gewinnen. Aber du hast beim Nationalteam einen Zeitfaktor, der mitspielt. Und als Trainer verlässt man sich dann auch darauf, was einem bisher im Leben Erfolg gebracht hat. Als Vereinstrainer kann man schneller Abläufe hinein bringen.

 

Auf Seite 3 des Interviews sprechen wir mit Peter Schöttel über die Zielsetzung bei der EM-Qualifikation und ob Trainer Franco Foda an diesem Erfolg gemessen wird oder nicht und über eine übergeordnete Spiel-Philosophie im ÖFB.

>>> Weiterlesen Seite 3 – „Foda wird daran gemessen, ob er die Qualifikation schafft“

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