Peter Schöttel: „Ich kenne das Foda-Loch nicht“

Das Nationalteam spielte zuletzt weniger mutig als unter Marcel Koller. Peter Schöttel ist seit einem Jahr als Sportdirektor der Chefstratege des ÖFB. Ein Gespräch über den neuen Weg, seinen Einfluss auf die Spielweise und warum Österreich Spieler benötigt, die nicht ständig zum Trainer rausschauen.

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Das Gespräch führten Gerald Gossmann und Michael Fiala

Peter Schöttel, 51, gepflegter Haarschnitt, seriöses Auftreten, wirkt entspannt. Dabei wurde er vor einem Jahr recht abrupt ins kalte Wasser geschmissen und beinahe über Nacht zum neuen Chefstrategen des ÖFB bestellt. Schöttel folgte Willi Ruttensteiner, unter dessen Leitung das ÖFB-Team bis auf Platz 10 in der Weltrangliste vorstoßen konnte. Schöttel ist ein freundlicher Mann. Während Ruttensteiner gerne stundenlang über seine Arbeit dozierte und zuweilen unnahbar wirkte, schätzt sein Nachfolger auch den Smalltalk. Zu seinem Amtsbeginn wehte Schöttel ein rauer Wind entgegen. Sein Sager, er könne noch kein Konzept präsentieren, wurde medial scharf kritisiert. Doch Schöttel reagiert auf Kritik nicht pampig und stellt sich auch kontroversen Gesprächen. In den Nations-League-Spielen präsentierte sich das österreichische Nationalteam zuletzt mit neuem Gesicht, weniger mutig, abwartender und zögerlicher als noch unter Marcel Koller. Ist die kalkulierte Vorsicht der neue Weg? Das Gespräch beginnt.

90minuten.at: Sie sind seit einem Jahr Sportdirektor des größten Sportverbandes des Landes, wo man schnell funktionieren muss. Wie ist es Ihnen dabei gegangen?

Peter Schöttel: Es war ein intensives Jahr, aber meine Arbeit hier wird mit jedem Tag einfacher. Ich bin in einer schwierigen Situation hier hinein gesprungen und musste viele Zusammenhänge erst erkennen und mir vieles anschauen.

 

90minuten.at: Sie waren Sportdirektor bei Rapid, jetzt beim ÖFB – kann man die Aufgaben vergleichen?

Nein, das Aufgabengebiet beim ÖFB ist viel umfangreicher. Bei Rapid war ich für die Kampf- und Amateurmannschaft zuständig. Hier gibt es zehn Mannschaften, mit dem großen Flaggschiff A-Team. Es gibt die Talenteförderung, die Trainerausbildung etc. Man kann hier allerdings ruhiger arbeiten als in einem Verein. Den ständigen, täglichen Stress hat man nicht.

 

90minuten.at: Marc Janko forderte zuletzt eine Reform des ÖFB-Entscheidungsgremiums. Ist der ÖFB noch zeitgemäß?

Im Präsidium sitzen die gewählten Präsidenten ihrer Landesverbände. Und Themen, die den Profibereich betreffen, werden ja von mir vorbereitet. Es gibt einen Sportdirektor, bei der Teamchef-Bestellung gab es eine Task-Force. Bei Rapid hat in meiner Zeit auch das Präsidium entschieden und dort wurde bei den großen Entscheidungen meiner Expertise gefolgt. Bei der Teamchefsuche im letzten Jahr war das eine sehr schnelle Geschichte. Ich habe eine Liste ausgearbeitet, auf drei Personen reduziert und dann wurde Franco vom Präsidium gewählt, was eine sehr gute Entscheidung war.

"Wir sollen so Fußball spielen, dass wir erfolgreich sind. Der Teamchef sucht sich seine Spieler aus und weiß, was er ihnen zutrauen kann. Ich habe alle Spiele unter Koller gesehen. Da waren einige grandiose Spiele dabei. Aber in vielen Begegnungen sind sie nicht offensiver aufgetreten als jetzt." - Peter Schöttel

90minuten.at: Sie sagten zuletzt: Das Nationalteam hat seinen Weg gefunden. Welcher Weg ist das?

Das Trainerteam und die Mannschaft haben sich gefunden. Zu Marcel Koller war eine große Vertrauensbasis da, alle mussten sich an neue Betreuer gewöhnen. Wir haben zwölf Spiele absolviert, es wurde viel probiert.

 

90minuten.at: In den Testspielen agierte das Nationalteam mutiger, in den Pflichtspielen sehr vorsichtig.

Zu dem Schluss kann man kommen. Aber wird hatten vom Personellen her in den Testspielen eine andere Situation. Ein Beispiel: Prödl hat im Herbst nicht gespielt, Baumgartlinger war lange verletzt, Arnautovic war ständig angeschlagen. Ich glaube nicht, dass wir aufgrund der Pflichtspiel-Situation weniger mutig gespielt haben.

 

90minuten.at: Das heißt: Wenn einige Spieler ausfallen, muss man vorsichtiger spielen?

Nein. Aber die Spieler waren nicht in derselben Verfassung wie in den Testspielen. Es spielt da die Fitness, die Form, die Spielpraxis mit. Mit der Niederlage in Bosnien haben wir nicht gerechnet. Aber ich würde ihre These, dass wir vorsichtiger gespielt haben, nicht unterschreiben.

 

90minuten.at: Es war offensichtlich, dass man vorsichtiger gespielt hat.

Wir sollen so Fußball spielen, dass wir erfolgreich sind. Der Teamchef sucht sich seine Spieler aus und weiß, was er ihnen zutrauen kann. Ich habe alle Spiele unter Koller gesehen. Da waren einige grandiose Spiele dabei. Aber in vielen Begegnungen sind sie nicht offensiver aufgetreten als jetzt.

 

90minuten.at: Bei der Niederlage gegen Bosnien trat Österreich schon sehr vorsichtig auf. Es ist ja nicht daran gescheitert, weil man 17 Chancen vergeben hat.

Ich weiß nicht, ob wir zu vorsichtig waren. Wir waren an diesem Tag einfach nicht gut genug. Es haben Abläufe nicht gepasst, wir haben Fehler gemacht, die wir davor nicht gemacht haben. Es war das erste Bewerbsspiel.

 

90minuten.at: Macht das einen Unterschied in der Herangehensweise: Pflichtspiel oder Testspiel?

Für uns nicht, aber vielleicht war in den Freundschaftsspielen bei den Gegnern eine andere Herangehensweise. Viele unserer Testspielgegner hatten den Fokus: Vorbereitung auf die WM. Für uns waren das ganz wichtige Spiele.

 

90minuten.at: Sie haben uns einmal gesagt: Sie denken sehr ähnlich über den Fußball wie Foda.

Ich denke, dass man aus einer guten Organisation heraus spielen muss, um erfolgreich zu sein. Das verbindet uns definitiv. Aus den Möglichkeiten, die wir haben, müssen wir das Beste machen. Das versuchen wir.

 

90minuten.at: Aber mehr als eine halbwegs gute Organisation in der Defensive sah man in den Nations League-Spielen nicht. In der Offensive war das sehr mau.

Ja, aber das hatte mit Problemen der Offensivspieler zu tun. Wir hatten Sabitzer fast nie, Arnautovic und Burgstaller waren permanent angeschlagen. Das Spiel nach vorne hängt schon mit der Fitness und der aktuellen Verfassung der Offensivspieler zusammen.

 

90minuten.at: Franco Foda betonte, dass es für die Offensivspieler viele Freiheiten gibt und wenig klar koordinierte Abläufe.

In der Defensive haben wir alle unsere Abläufe. Nach vorne ist es ganz normal, dass sie ihre Freiheiten haben.

 

90minuten.at: Es ist doch nicht normal, dass man in der Offensive keine Abläufe hat, oder?

Natürlich haben wir Abläufe, aber im letzten Drittel geht es schon um Kreativität und Inspiration. Das wollen wir den Spielern nicht nehmen. Wir wollen nicht komplett nach Schablone spielen, aber natürlich gibt es Laufwege. Wir wollen dorthin kommen, dass Spieler wieder individuelle Lösungen finden, die nicht in ihren vorgefertigten Abläufen festhängen. Wenn ein Gegner dort steht, ist der Ablauf vorbei. In der Offensive geht es viel um Kreativität.

Auf Seite 2 des Interviews mit Peter Schöttel sprechen wir über das taktische Phänomen des „Foda-Lochs“ und ob es die Aufgabe des Sportdirektors ist, den Trainer auch aus taktischer Sicht zu inspirieren oder zu lenken.

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