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Datenanalyst Philipp Ertl: "Wer Daten nicht verwendet, hinkt der Konkurrenz meilenweit hinterher" (2)

Wie werden Daten erhoben? Welche Daten sind wichtig? Kann man anhand einer Statistik sagen, ob ein Team gut oder schlecht gespielt hat? Das und mehr hat 90minuten.at Philipp Ertl, Datenanalyst bei Opta Sports gefragt.

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90minuten.at: Österreich wird da ja immer ein gewisser Hang zum Aufholbedarf nachgesagt. Haben Sie das Gefühl, dass man darauf setzt?

Ertl: In Österreich wird vor allem auf Videostudium der Gegner gesetzt. Dazu werden die Daten via Timecode mit den Videobildern „verheiratet" und die Aufzeichnungen zu Standardsituationen, Abschlüssen und so weiterkönnen einfach abgerufen werden. Datenanalysten haben aber andere Aufgaben, die von den meisten Vereinen in Österreich noch vernachlässigt werden. Dabei ist gerade dieser Bereich extrem wichtig, um nachhaltig zu arbeiten. Daten können Eindrücke bestätigen, zu neuen Erkenntnissen führen und helfen in der Argumentation Spielern, Funktionären und so weiter gegenüber. Wenn der Verein eine langfristige Spielphilosophie entwickelt, kann an Datenmodellen geschraubt werden, um herausfinden woran es hakt und welche Spieler perfekt in das System passen. Natürlich spielen andere Faktoren dann auch noch eine Rolle. Aber wenn ich mir eine „Schattenelf" mit mehreren Spielern für die jeweilige Position bastle, bin ich den Spielervermittlern einen Schritt voraus und kann selbst auf sie zugehen. In vielen Ländern läuft es noch umgekehrt und die Spieler werden den Vereinen angeboten. Damit ist natürlich die Auswahl kleiner und der Verein befindet sich in einem Abhängigkeitsverhältnis. Aus Verhandlungssicht der Vereine sollten sie aber selbst das Tempo vorgeben.

"Eine defensiv eingestellte Mannschaft hat oft bessere Werte. Zweikämpfe zu gewinnen. Viel entscheidender ist die Anzahl der Duelle und in welchen Zonen sie geführt werden." - Philipp Ertl über die berühmte Zweikampfquote

90minuten.at: Woran merkt man das, wenn es einen Datenanalysten gibt? Spielt das Team dann "besser"?

Ertl: Das kann nicht generell beantwortet werden. Genau wie in jedem anderen Bereich gibt es gute und schwächere Analysten und natürlich andere Faktoren, die eine Begegnung beeinflussen. Es steht ja auch immer noch ein Gegner auf dem Platz. Am besten kann man aber an langfristigen Beobachtungen erkennen, ob und wie gute Datenanalysten ein Verein einsetzt. Wenn man die Entwicklung der verschiedenen Red-Bull-Mannschaften über die letzten Jahre betrachtet, ist ein klares Konzept erkennbar. Leipzig, Salzburg, Liefering aber auch New York haben zum Beispiel eine sehr hohe Pressingrate. Spieler rücken schnell nach und haben kaum Anpassungsschwierigkeiten. Dahinter steckt natürlich ein durchdachtes Konzept und langjährige, sehr gute Arbeit. Die Investition in ein gutes Datenteam rechnet sich langfristig also auf jeden Fall.

 

90minuten.at: Trainer sagen gerne „Wir sind nicht in die Zweikämpfe reingekommen". Wie entscheidend sind Zweikämpfe in Zeiten von hohem Pressing und Gegenpressing überhaupt?

Ertl: Zweikämpfe sind ein gutes Beispiel, auch daraus kann ich meine Schlüsse ziehen. Die Zweikampfquote alleine ist nicht immer aussagekräftig. Eine defensiv eingestellte Mannschaft hat oft bessere Werte, weil es in der defensiven Situation natürlich einfacher ist, Zweikämpfe zu gewinnen. Viel entscheidender ist die Anzahl der Duelle und in welchen Zonen sie geführt werden. Daraus kann ich mir die verschiedensten Modelle automatisieren und in Kombination mit anderen Parametern auch Spielanlagen ableiten. Zurück zur Frage: Natürlich sind Zweikämpfe weiterhin ein wichtiger Bestandteil des Spiels.

 

90minuten.at: Kann der Datenanalyst aus einem reinen Datensatz sagen, welche taktischen Parameter die Mannschaft umgesetzt hat?
Ertl: Ja, solche automatisierten Modelle gibt es. Aus unserer historischen Datenbank wurden Parameter zusammengeführt, um verschiedene Angriffsformen und andere Muster automatisch zu erkennen.  Es kann z.B auch berechnet werden, wo ein Spieler stehen müsste, um gewisse Ereignisse herbeizuführen. Oder was wäre bei diesem Angriff passiert, wenn Spieler X statt Spieler Y am Platz stand. Wichtig dabei ist aber immer einen längeren Zeitraum zu betrachten. Bei diesen Modellen geht es vor allem um die Weiterentwicklung der Mannschaft.

 

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