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Fredy Bickel: "Wir können diese Saison nicht den Anspruch haben, Salzburg zu jagen" (3)

Im Jänner ist Fred Bickel ein Jahr Rapid-Sportdirektor. Er kam in einer schwierigen Situation und es sieht so aus, dass er sie lösen konnte. Im großen Interview mit 90minuten.at spricht er über seine Vorstellungen von Fußball, die relative Wichtigkeit einer Spielphilosophie und sein Verhältnis zu Trainer Goran Djuricin.

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90minuten.at: Djuricin will zum Barisic-Fußball, das heißt in Ergebnissen: Zweiter. Was sind Ihre mittelfristigen Ziele?
Bickel: Für mich ist das die Stabilität im Verein, das Fundament ist die erste Mannschaft. Man muss so aufgestellt sein, dass man keine Probleme bekommt, wenn einen der eine oder andere Spieler verlässt. Im Nachwuchs muss man zu den Topadressen im Lande gehören und die Positionen müssen durchgedacht werden. Wir arbeiten da immer mit einer Liste, dass wir bis zur U16 wissen, welche Spieler einmal in der ersten Mannschaft spielen könnten. Das gesamte Betreuerteam, insbesondere auch im Nachwuchs, muss gut aufgestellt sein. Das ist das Fundament. Das wird einen immer in die Top3 oder Top4 bringen. Und: Wir wollen auch wieder um Titel mitspielen können.

 

90minuten.at: Salzburg musste ja Budget zurückfahren. Rapid konnte es erhöhen. Merken Sie das? Ist Geld auch der Hauptknackpunkt, um den Fans den Wunsch, Red Bull Salzburg zu fordern, zu ermöglichen?
Bickel: Geld spielt ganz sicher eine Rolle, aber nicht die des Balles. Wir haben gegenüber der letzten Saison ein etwas tieferes Niveau beim Budget. Das ist für mich nicht das Entscheidende. Ich sage das jetzt nicht als Klage, aber Salzburg oder in der Schweiz Basel verfügen über zwei, drei Mal so viel Budget wie ihre nationale Konkurrenz. Wenn die normal arbeiten, wird es für alle ganz schwierig. Aber die werden das auch nicht immer ganz durchziehen. Da muss man bereit sein. Es ist ja das Schlimmste, wenn man spürt, dass die wackeln und man wäre selber nicht bereit.

 

"Wenn du aber zwei, drei solcher Spieler hast, die sich bei schwierigen Situationen nicht gleich die Hose voll machen, tut das jeder Mannschaft gut." - Ob es eine Elf aus elf Schobesbergern geben kann?

90minuten.at: Wie wichtig ist Philipp Schobesberger?
Bickel: Er ist sehr wichtig und ich schaue nicht nur auf seine fußballerischen Qualitäten. Du kannst nicht elf Schobesberger in der Mannschaft haben. Das ist unmöglich. Wenn du aber zwei, drei solcher Spieler hast, die sich bei schwierigen Situationen nicht gleich die Hose voll machen, die über den Dingen stehen können, nicht alles tierisch ernst nehmen, Dinge nicht an sich heran lassen, tut das jeder Mannschaft gut. Er hat eine gewisse Unbekümmertheit rein gebracht, die diesem Team etwas gefehlt hat. Er ist enorm wichtig.

 

90minuten.at: Er trifft viel, hat einen großen Impact. Salzburg und Austria haben deutlich mehr Abschlüsse als Rapid (Anm.: 106 bzw. 89 zu unter 70, Rapid ist in der Gegend von LASK und Admira). Ist es nicht auch schwierig, wenn ein Spieler zu wichtig wird?
Bickel: Ich habe keine Angst. Mir ist ja auch wichtig, welchen Charakter er in die Mannschaft bringt. Gegen den LASK hat er nicht gespielt. Mit Schaub, Murg und Berisha haben wir auch unberechenbare Spieler. Wir sind ganz bestimmt nicht nur von ihm abhängig.

90minuten.at: Ausrechenbar ist Rapid ein bisschen bei den Stürmern. Seit dem Beric-Abgang 2015 gibt es keinen Toptorjäger mehr. Warum?
Bickel: (denkt nach) Ich will nicht überheblich sein, aber es ist nicht so schwierig, den zu finden. Es geht immer um den ganzen Kader. Unsere Sturmpositionen sind besetzt. Die Spieler haben absolutes Potential, viele Tore zu machen. Wenn ich dann höre, der Sturm macht keine Tore: Erstens ist es mir egal, wer die Tore schießt und zweitens spielen wir für mich eigentlich mit drei Stürmern. Also kann ich Murg oder Schaub auch dazu zählen. Aber die Geschichte mit dem Torschützen auf der Neun, das bekommen auch die Spieler mit. Da spielt sich auch viel im Kopf ab. Wir lassen Chancen aus, da geht es nicht nur um die fußballerischen Fähigkeiten, sondern auch um die Lockerheit, die fehlt. Ich traue Kvilitaia und Joelinton zehn Tore zu. Bei Kvilitaia muss man auch sehen, dass er eine schwierige Saison mit den Verletzungen hat und die Nationalmannschafts-Einberufungen immer zu den ungünstigsten Momenten gekommen sind. Da wurde er sofort gefordert, war aber noch gar nicht im Rhythmus für so viele Spiele.

 

90minuten.at: Sie sind nun ein knappes Jahr in Wien. Wie bilanzieren Sie?
Bickel: Ich fühle mich hier und im Verein sehr wohl. Ich glaube, dass wir alle zusammen weiter kommen wollen und diese Zusammenarbeit sehr große Freude macht. Der Weg ist noch lange nicht zu Ende und ich hoffe, dass ich weiterhin meine Vorstellungen erarbeiten kann, wie es im Verein aussehen sollte und man die Ziele, die man sich steckt, erreicht. Die Stadt selber kenne ich kaum. Ich kenne die Wege zu den Stadien, zu der Arbeitsstelle, die Restaurants in meiner Umgebung, weil ich nicht selber kochen kann und jeden Abend essen gehe. Es ist schade, dass ich zu wenig Zeit habe, die Stadt kennen zu lernen. Ich habe fast jede Woche Besuch aus der Schweiz. Die kennen Wien langsam besser als ich und sie zeigen mir dann einige Dinge. Die Konzerte sind das einzige, was ich sonst noch besuche. Das finde ich herrlich. Vom Fußballerischen her denke ich, dass die Ligen von Österreich und der Schweiz absolut miteinander vergleichbar sind. Ich denke nicht, dass wir hier weniger Talent oder schlechtere Gegner haben. Im Gegenteil. Sportlich stehen wir etwas hinter der Schweiz, vielleicht könnte die Schweiz aber in den non-Sportbereichen der Vereine etwas von Österreich lernen. Die Schweiz hat sich vielleicht schon früher ehrlich eingestanden, dass sie eine Ausbildungsliga ist. Wenn du das in Österreich ansprichst, dann verdrehen sie hin und wieder noch die Augen. Man will das nicht so recht glauben.

 

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