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Datenanalyst Philipp Ertl: "Wer Daten nicht verwendet, hinkt der Konkurrenz meilenweit hinterher" (3)

Wie werden Daten erhoben? Welche Daten sind wichtig? Kann man anhand einer Statistik sagen, ob ein Team gut oder schlecht gespielt hat? Das und mehr hat 90minuten.at Philipp Ertl, Datenanalyst bei Opta Sports gefragt.

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90minuten.at: Schussstatistiken werden auch gerne heran gezogen, um die Dominanz einer Mannschaft zu illustrieren. Welche ist die beste hierfür verfügbare Statistik?

Ertl: Wie vorher erwähnt, ist meiner Meinung nach derzeit „Expected Goals" die beste Variante, um die Chancenqualität der Mannschaften darzustellen. Das Modell simuliert im Prinzip den Ausgang des Spiels. Die Begegnung hätte aufgrund der Chancenqualität 3:1 enden müssen. Jedem Schuss wird aufgrund von historischen Erfahrungswerten aus der Datenbank eine Wahrscheinlichkeit zugeordnet. Eine 11-%-Wahrscheinlichkeit entspricht damit einem Wert von 0,11. Alle addierten Werte eines Teams ergeben die Gesamtzahl. Dass dann nicht jedes Fußballspiel so endet, wie es sollte, ist glaube ich allen bekannt. Über einen langen Zeitraum, nähern sich der Wert der erzielten und der berechneten Tore allerdings an. Im Fußball gleicht sich ja immer alles auch, oder? Nochmal: Das Wichtigste bei solchen Modellen ist die langfristige Entwicklung der Mannschaft. Zurück zur Frage: Eine höhere Chancenqualität zu haben, heißt aber nicht unbedingt auch dominant gewesen zu sein. Manchmal ist es ausreichend hinten gut zu stehen, nichts zuzulassen und ein paar gefährliche Gegenangriffe zu fahren.

 

90minuten.at: Kann ich anhand der Statistik letztlich überhaupt sagen, ob eine Mannschaft ein gutes oder schlechtes Spiel abgeliefert hat?

Ertl: Man kann Meinungen dazu definitiv belegen. Wenn ein Trainer behauptet: „Wir waren dominant und hatten die besseren Chancen", dann versuchen wir das mit Zahlen zu belegen. War der Anteil an den Zuspielen hoch? In welchen Zonen wurden die Pässen gespielt? Wie hoch war die Chancenqualität der abgegeben Schüsse? Das Schöne am Fußball ist aber, dass er von so vielen verschiedenen Faktoren abhängig ist. Wie wir wissen liegt alles im Auge des Betrachters. Nicht jeder Trainer oder Fan schwört z.B. auf hohen Ballbesitz. Was ist ein gutes bzw. schlechtes Spiel? Möglich ist, verschiedenste Spielmuster zu vergleichen und auszuwerten, welches davon am erfolgreichsten war. Dazu muss man dann noch zwischen Wettbewerb, Zeitraum etc unterscheiden. Und der Fußball entwickelt sich natürlich ständig weiter. 

 

"Das einzige, das mich stört ist, wenn man den vorhandenen Datenschatz nicht verwendet. Dann hinkt sportlichen Wettbewerb der Konkurrenz heutzutage meilenweit hinterher." - Was den Datenanalysten stört

90minuten.at: Was ist aus Sicht eines Datenlieferanten das größte Übel in der öffentlichen Berichterstattung?

Ertl: Prinzipiell freue ich mich, dass in den letzten Jahren immer mehr Daten öffentlich zugänglich wurden und dadurch auch mehr in die Berichterstattung eingebunden sind. Sie erleichtern es, Aussagen zu bestätigen und bringen neue Aspekte und Ansätze ans Tageslicht. Das einzige, das mich stört ist, wenn man den vorhandenen Datenschatz nicht verwendet. Dann hinkt man sowohl in der medialen Berichterstattung als auch im sportlichen Wettbewerb der Konkurrenz heutzutage meilenweit hinterher.

 

90minuten.at: So mancher Trainer/Funktionär, siehe Teamchefdiskussion, möchte weg von der "Wissenschaftlichkeit". These: Heimische Teams sind dann erfolgreich, wenn Sie sich an internationalem Standard orientieren. Geht es überhaupt noch ohne Datenanalyse und -interpretation?

Ertl: Wenn ich langfristig etwas erreichen will dann ein klares Nein.  

 

Noch Fragen zu den besprochenen Themen? Philipp Ertl hat sich bereit erklärt, eure Fragen zu beantworten. Postet diese einfach hier oder per Mail an g.sander@90minuten.at schicken. Wir übermitteln sie am Montag (13. November)!!

So sollen die neuen ÖFB-Trikots aussehen (Bilder: footyheadlines.com)