Foto: © GEPA 12Meter

Rot unfuriös, blau ist Favorit [Euro 2020, Tag 23]

Spanien kommt verdient gegen die Schweiz ins Semifinale, lässt einen aber doch auch wieder ein wenig ratlos zurück. Im Abendspiel dann das bisher beste, was es bei der Euro 2020 zu sehen gab. Wer Titelanwärter Nummer eins ist, steht spätestens seit dieser Partie fest.

++ Pucher schaut EM – der tägliche 12 Meter zur Europameisterschaft ++

 

Italien gegen Spanien heißt das erste Semifinale dieser Euro. Das Duell gab es schon öfter bei Europameisterschaften. 2008 in Wien mit einem Sieg im Elferschießen der Spanier, die damals aber der absolut dominante Faktor in Europa waren und später auch den Titel holten. Dann wieder 2012 im Finale. Da gingen die Italiener überhaupt ganz bitter unter und Spanien verteidigte seine Vormachtstellung am Kontinent. Dieses Mal sind die Vorzeichen ganz anders.

Spanien war zwar am Freitag gegen die Schweiz absolut überlegen und die Mannschaft von Vladimir Petković weiß wahrscheinlich nicht einmal mehr genau, wie sie es am Ende mit einem Mann weniger ins Elfmeterschießen geschafft hat. Dort war dann Schluss und das war auch richtig so. Im Gegensatz zum Frankreichspiel, war bei unseren Nachbarn dann die Luft draußen, das Remis nach 120 war im Prinzip nur Glück und sonst gar nichts. Luis Enriques Team ist verdient weiter. Trotzdem überzeugt diese spanische Mannschaft nicht wie früher. Sie spielt ihr Spiel, hat ständig den Ball, und macht, was Spanier eben seit Jahren so machen. Aber es fehlt etwas. Etwas, das gar nicht so leicht zu beschreiben ist. Die Furia Roja hat das Furiöse verloren. Vielleicht ist es das. Sie ist ein konservativer, biederer Abklatsch der Mannschaft, die vor einem Jahrzehnt den Weltfußball geprägt hat.

Im anderen Spiel gestern, kam es dann tatsächlich zum Match zweier Giganten. Italien und Belgien zeigten das bisher beste Spiel im Turnier. Team Mancini hatte zunächst die Oberhand und spielte schlichtweg Weltklassefußball. Kurz vor der Pause führen die Azzurri 2:0. Belgien hielt vor allem mit Extra-Könner Kevin De Bruyne dagegen, dem man von seiner Fußverletzung wenig anmerkte. Romelu Lukaku war beim Duo Giorgio Chiellini, der wieder fit ist, und Leonardo Bonucci allerdings ziemlich abgemeldet. Aber den Elfmeter für Belgien, über den man streiten kann, verwertet er dann in der Nachspielzeit von Durchgang eins trotzdem souverän.

"Furia Roja hat das Furiöse verloren" - Jürgen Pucher

Am Pausenstand sollte sich bis zum Schlusspfiff nichts mehr ändern, ein packendes Fußballspiel blieb es trotzdem. Die Belgier mussten immer mehr riskieren, was sie erstmals in diesem Turnier auch tatsächlich in die Nähe dessen kommen ließ, was dieser Kader zu leisten imstande ist. Italien blieb aber natürlich brandgefährlich. Erst die letzten zehn Minuten wurde zu einem zerfahrenen Abwehrkampf, nachdem sich Leonardo Spinazzola bei einem Sprint schwer verletzt hat. Einer der Spieler des bisherigen Turniers musste mit der Trage abtransportiert werden. Seine bitteren Tränen ließen bereits erahnen, dass es sich nicht um eine Kleinigkeit handeln dürfte. Verdacht auf Achillessehnenriss, monatelange Pause.

Von dem Schock gebeutelt, wankten die Italiener am Ende ein wenig. Aber sie fielen nicht. Wie schon gegen Österreich überstanden sie auch diese schwere Phase. Und Meisterschaften gewinnen solche Teams. Die einerseits die nötige Klasse haben, aber auch die Momente durchstehen, wo sehr schnell alles vorbei sein könnte. Roberto Mancini und seine eingeschworene Truppe sind spätestens seit gestern Titelanwärter Nummer eins.

 

 

90minuten.at-exklusiv

90minuten.at-TV: Das neue Everton Stadion

Schon gelesen?